-Das Abendbrot-

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Beim Abendessen gab es genau wie beim Mittagessen ein riesiges Buffet. Ich konnte mal wieder nur staunen über all die Köstlichkeiten. Die West's sahen dies als ganz selbstverständlich, genau wie all die anderen Gäste hier. Ich bestellte nur einen Salat, da ich immer noch satt vom Mittagessen war.
"Wollen Sie einen vorgefertigten Salat bestellen oder sich selbst einen an unserem Buffet zusammenstellen?", fragte der Kellner mich. Ich war über diese Frage leicht verwirrt und überfordert und antwortete deshalb ohne Nachzudenken: "Ich würde ihn mir gerne selbst zusammenstellen."
Daraufhin machte der Kellner eine einladende Handbewegung in Richtung Buffet. "Bedienen Sie sich, Madame!"
Ich nickte, leicht errötet und stand auf. Vorsichtig nahm ich einen der Porzellanteller vom Stapel und wählte zwischen den vielen verschiedenen Salatblättern. Ich löffelte mir gerade ein paar Tomaten auf den Salat auf meinem Teller, als mich jemand von hinten ansprach.
"Hallo!" Es war eine warme angenehm klingende Männerstimme. Ich zuckte heftig zusammen. "Entschuldige. Ich wollte dich nicht erschrecken."
Ich drehte mich langsam um. Es war der braunhaarige Junge vom Pool. Ich war sprachlos. Wieso sprach mich, Jacky Bennett, ein so überaus attraktiver Junge an? Wieso hatte er nicht beispielsweise das Mädchen neben mir begrüßt? Eine hübsche schlanke Blondine im Crop top.
"Ich hab dich vorhin am Pool gesehen. Ich war gerade Schwimmen und du saßt auf der Treppe gegenüber vom Pool." Er lächelte mich an. Strahlend weiße Zähne und volle Lippen.
Ich konnte kaum mehr sprechen. Wieso war ich diesem Jungen aufgefallen? Ich, in meinen ranzigen Klamotten, auf einer Treppe im Schatten. "Das warst du doch, oder?"
Natürlich, es konnte auch eine Verwechslung sein! Na ja, allerdings hatte außer mir niemand auf der Treppe gesessen... Ich schluckte und überwindete mich. "Ja, das war wohl ich.", antwortete ich leise. Zu leise. Trotzdem schien er es verstanden zu haben.
"Dachte ich es mir doch." Er grinste und streckte mir die Hand hin. "Ich bin übrigens Shane Parker."
Shane. Ein schöner Name. Ungewöhnlich, aber schön. Oh, er hatte sich vorgestellt. Nun war es wohl an der Zeit mich auch vorzustellen. "Ähm, Jacky..." Shit, wie war noch mal mein Nachname? Wieso vergaß ich meinen Nachnamen?! "...Bennett." Ich reichte ihm meine Hand. Seine war warm und weich, aber nicht verschwitzt. Meine hingegen war kalt. Er zuckte jedoch nicht mal mit der Wimper, als meine kalte Hand seine berührte.
Er nickte, immer noch lächelnd. "Freut mich." Er hielt meine Hand eine Spur zu lange fest, doch es fühlte sich nicht unangenehm an, im Gegenteil. Ich zog meine Hand vorsichtig aus seiner. "Ich muss dann mal wieder." Ich könnte mich dafür selbst ohrfeigen. Wo hin, Jacky, musst du denn bitte?! Was kann wichtiger sein, als mit diesem gut aussehenden Shane hier zu stehen und zu reden? Nichts, genau.
"Gut, dann bis später!" Er zwinkerte mir zu und drehte sich um. Ich blieb an der Salatbar lehnen und sah ihm nach. Er war ein gutes Stück größer als ich und hatte eine breite Brust. Vermutlich schwamm er auch zuhause. Endlich konnte ich meinen Blick von ihm reißen, als mir auffiel, dass er sich gar keinen Salat genommen hatte. War er mit Absicht zu mir gekommen? Nur um mir Hallo zusagen? Wow. Das war mit Abstand das erste Mal, dass ein Junge mir so nahe kam. Mit geröteten Wangen ging ich mit meinem Salat zu meinem Tisch zurück. Jessica und Daniel beachteten mich nicht wirklich und aßen ihr Essen ungerührt weiter. Madison allerdings sah mich schon, als ich mich dem Tisch näherte, an. Sie musterte mich, als ich mich setzte. Ich spießte eine Tomate auf und schob sie mir in den Mund.
"Süßer Typ", raunte Maddie mir zu. Ich verschluckte mich prompt. Hustend und keuchend würgte ich die Tomate runter. Madison trank von ihrem stillen Wasser und tat so, als bemerkte sie mich nicht.
Jessica beugte sich zu mir herüber. "Liebes, alles in Ordnung mit dir?"
Ich nickte mit sicherlich hochrotem Kopf und tränenden Augen. Mein Hals war staubtrocken. Gerade in diesem Moment kam Shane an unserem Tisch vorbei. Seine Mutter, im knallpinken Kleid, und seinen Vater im Schlepptau. Er wollte doch jetzt nicht zu uns, beziehungsweise zu mir, kommen, oder? Was würden die West's sagen wenn er mir jetzt etwas sagte? Doch ich hatte mich geirrt. Er ging nur, mir zu lächelnd, an unserem Tisch vorbei. Ich starrte ihm mit immer noch rotem Kopf und Hustenanfällen nach. Oh Gott, er hatte mich so gesehen. Ob er deshalb gelächelt hatte? Oder wollte er nur nett sein, wie vorhin? Ich seufzte und nahm einen Schluck meines Wassers um meinen Hals zu beruhigen. Madison sah mich aufmerksam an. "Woher kennst du den Typ?" Sie zwirbelte ihre Haarstähne.
Ich blinzelte irritiert. Irgendwie war ihre Art jetzt ganz und gar nicht so wie am Pool. Nicht mehr verständnisvoll. Es wirkte eher so, als könnte sie es nicht glauben, dass ein Typ wie er mich auch nur ansah. Als wäre ich weniger wert als sie oder als spannte ich ihn ihr aus. Kein Wunder, es überraschte mich ja selbst. Denn er war vermutlich nicht gerade arm. Im Gegensatz zu mir, deren Mutter einen Buchladen besaß. Ich beschloss nicht zu antworten. Ich war ihr keine Rechenschaft schuldig und hatte ihr absolut nichts getan. Warum also war sie giftig zu mir? War sie etwa neidisch? Weil ich mit dem gut aussehenden charmanten Shane geredet hatte? Das war doch albern! Sie hatte doch Logan. Oder war ihr der schon nicht mehr gut genug?

Abends im Bett sah ich stundenlang aus dem Fenster. Der Himmel war dunkelblau und mit Sternen überseht. In NYC sah man nie so viele Sterne. Ich musste dauernd an Shane und unsere Begegnung beim Abendbrot denken. Und an Maddie, wie sie scheinbar neidisch auf mich war und ihn mir nicht gönnte. Anscheinend hatte ich mich irgendwie doch in ihr getäuscht. Erst dachte ich, sie sei eingebildet und bloß ein reiches Mädchen, dann war sie aber nett und... ja, menschlich. Und heute war sie wieder neidisch und zickig. Ich stöhnte und vergrub meinen Kopf im Kissen. Das war doch wirklich verhext! Irgendwann schlief ich doch ein und fiel in einen unruhigen Schlaf.

Cool kids don't lieWo Geschichten leben. Entdecke jetzt