-Abreise-

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Der nächste Tag versprach schrecklich zu werden. Als ich aufwachte regnete es in Strömen und die Luft war drückend heiß und schwül. Ich zog mich an und stellte meinen Koffer in den Flur, wo bereits die der West's standen.

Beim Frühstück unterhielten sich meine Tante und mein Onkel angeregt über den bevorstehenden Flug und was sie am letzten Ferientag, der morgen war, tun wollten. Maddie hörten ihnen scheinbar zu und aß dabei mit einem feinen Lächeln auf den Lippen. Ich biss die Zähne aufeinander. Einerseits war ich so wütend auf sie. Durch sie war mein Geheimnis ans Licht gekommen. All meine Lügen. Doch auf der anderem Seite fühlte ich mich nun entlastet. Zwar auch traurig, aber immerhin kannte Shane nun ungefähr mein wahres Leben, das so ganz anders war als das was ich vorgab zu haben. Ich dachte tatsächlich das die Lügen aus mir einen anderen Menschen machen würden. Aber das taten sie nicht. Mein Charakter war immer derselbe gewesen. Nur meine Umgebung hatte sich durch die Lügen besser an mich angepasst. Ich unterdrückte die aufkommenden Tränen. Da hatte ich schon mal jemanden gefunden, der mir gefiel und dem ich gefiel und dabei war alles erlogen. Ich hatte die Wests missbraucht, um beliebter und reicher zu wirken und das war so erbärmlich! Mein Frühstück ließ ich unangerührt liegen. Shane war heute morgen um sechs Uhr abgeflogen. Sie mussten ja noch den Umzug erledigen, bevor die Schule wieder anfing.
"Du hast ja nichts gegessen! Bist du krank?", holte mich Mrs West zurück in die Gegenwart.
"Ach, Mom, sie hat Liebeskummer!", zwitscherte Madison immer noch lächelnd. Hatte ich schon erwähnt, wie froh ich war, sie bald nicht mehr sehen zu müssen?
"Wirklich?" Jessica West musterte mich mitfühlend. "Darf ich fragen wer es ist?"
Ich schüttelte den Kopf. "Nein, ich... will nicht darüber sprechen."
Maddie lachte. "Du hast es doch selbst zu verschulden!"
"Madison, bitte!", ermahnte Mr West sie.
Maddie trank einen Schluck Kaffee. "Was?! Das ist die Wahrheit!"
Ich seufzte und starrte auf meinen Teller. Ich wollte einfach nur nach Hause, in mein Zimmer und allein sein.

Das Flugzeug hob ab. Ich saß am Gang. Maddie am Fenster, dann Jessica und dann Daniel. Ich tat beschäftigt und las in einer dieser Tratsch und Klatsch Zeitschriften, die man sonst nur beim Arzt im Wartezimmer las. Unbedeutendes Zeug von Popsternchen und ihren Liebsten... Ich stöhnte innerlich und rechnete die Stunden aus, die wir noch nach New York brauchten; zu viele!
Die Minuten zogen sich endlos lang wie Kaugummi. Maddie warf mir hin und wieder einen triumphierenden Blick zu. Grins du nur!, dachte ich mir und sah in die entgegengesetzte Richtung. Sie freute sich, weil meine Beziehung zerstört war, unteranderem Dank ihr. War das wirklich so ein Grund zur Freude für sie? Wenn ja, war das wirklich traurig.
"Wie fandest du den Urlaub eigentlich?", fragte Jessica mich zu mir herüberlehnend.
"Gut." Es war halb gelogen und halb wahr. Scheinbar schien sie sich mit der sehr knappen Antwort zufrieden zu geben. Sie nickte nur und lehnte sich wieder auf ihrem Sitz zurück. Ich unterdrückte einen Seufzer.

Der Flieger landete mehrere Stunden später in New York. Es war bereits Abend und New York war hell erleuchtet. Ich sprang sofort auf, kaum war es uns wieder erlaubt, schnappte mir aus dem Klappfach mein Handgepäck und meine Jacke und stürmte heraus.
Draußen fiel ich Mom in die Arme. Es tat so gut sie zu sehen. Fünf Wochen nur ein Begleitung der West's konnten eine echte Zumutung sein.
"Mom!", rief ich überglücklich.
"Oh, Schätzchen!", murmelte Mom. "Ich hab dich so vermisst! Wie war es."
Ich fuhr mir, als wir uns wieder lösten, durch die Haare. "Es war... mal was anderes." Ja, das war gut. Und es war nicht einmal gelogen!
Mom lächelte mich an. "Das ist schön. Wo sind die West's?"
Ich zuckte die Achseln. "Keine Ahnung."
Mom deute auf einen Zeitschriftenladen. "Da drüben sind sie. Kommst du? Ich will mich nur kurz von ihnen verabschieden und mich bei ihnen bedanken." Mom marschierte los. Antriebslos schlurfte ich ihr hinterher. Wofür sollte ich mich bei dem West's bedanken? Dass ihre reizende Tochter meine Beziehung zerstört hatte und mir Shane hatte ausspannen wollen? Ganz sicher nicht.
"Hallo!", rief Jessica und begrüßte Mom. Auch Daniel begrüßte seine Schwester herzlich. Maddie stand mit verschränkten Armen daneben und nickte Mom nur kurz zu, als diese Anstalten machte, sie ebenfalls zu begrüßen. Scheinbar wollte sie nichts mehr mit mir oder meiner Mutter zu tun haben. War es denn jemals anders gewesen? Als Jessica sie anstupste, Mom die Hand zu schütteln, zog Madison nur genervt die Augenbrauen hoch und rollte mit den Augen. Nach einem kurzem Smalltalk verabschiedeten wir uns voneinander und Mom und ich fuhren endlich zu uns nach Hause.

Das Erste, was ich wahrnahm als ich den Buchladen betrat, war der intensive Geruch nach bedrucktem Papier. Wie sehr hatte ich diesen Duft nur vermisst. Es war so schön wieder zu Hause zu sein!
"Es hat sich nichts verändert.", bemerkte ich und strich mit dem Zeigefinger an den Buchrücken entlang.
"Fast nichts - die Glühbirne flackert." Mom zuckte die Achseln, als ich daraufhin lachte. "Das kann aber warten. Hier hat man immer zu tun... Lass uns nach oben gehen und etwas zu Abend essen. Du bist sicher furchtbar hungrig!"
Ich nickte.

Oben in unserer Wohnung war es heiß und stickig. Die Sonne hatte den ganzen Tag auf die Dachfenster geschienen und die Hitze staute sich hier oben. Trotzdem hätte es nichts schöneres geben können. Ich sah mich um, als sähe ich das Alles zum ersten Mal und trotzdem kannte ich jeden Winkel. Mom schob eine Salamipizza in den Ofen. "Du musst dich leider noch etwas gedulden. Die Pizza dauert etwas."
"Kein Problem!", entgegnete ich. "Ich gehe in mein Zimmer, okay?"
Ohne eine Antwort abzuwarten, lief ich in mein Zimmer. Die Abendsonne färbte den Raum rötlich und das Sonnenlicht brach sich in den Steinchen, die in die Traumfänger eingewebt waren. Ich ließ mich aufs Bett sinken und kramte mein Handy hervor. Dann wählte ich Gracies Nummer.
"Hallo?", meldete sie sich.
"Hi, Gracie! Ich bin jetzt wieder in New York." Ich zwirbelte gedankenverloren eine Haarsträhne um meinen Finger.
"Cool! Wie war der lange Flug? Der Abschied von dem Typ war bestimmt schwer, oder?", riss sie mich zurück in die Trauer, welche ich gerade verdrängt hatte.
"Man könnte sagen, dass wie uns getrennt haben...", begann ich.
"Was?! Oh nein! Erzähl!"
Also erzählte ich, was gestern und heute vorgefallen war.

Cool kids don't lieWo Geschichten leben. Entdecke jetzt