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Die nächsten Tage verbrachte ich zum Großteil im Büro, weshalb ich es erst am Samstagnachmittag geschafft hatte, für das Mittagessen mit den Jungs einzukaufen. Vollbeladen mit den Zutaten, die man für Hähnchenbrustfilet mit Country-Kartoffeln brauchte, schleppte ich mich vom nahegelegenen Supermarkt zurück zu meinem Wohnhaus, nur um vor der Haustür auf den eigentlich Grund für diesen Einkauf zu treffen: Tessa. Sie war gerade dabei gewesen, den Schlüssel in das Schloss zu stecken, als sie mich aus den Augenwinkeln bemerkte.

„Hallo, Emma!"

„Hi, Tessa", brachte ich unter größter Mühe heraus, während ich versuchte, die Balance zwischen meiner Handtasche und den Einkaufstüten zu halten. Anscheinend stellte ich mich dabei so ungeschickt an, dass Tessa, freundlich wie sie nun mal war, von der Tür abließ, auf mich zukam und mir eine Tüte aus der Hand nahm. Etwas verlegen lächelte ich sie an. „Danke."

„Kein Problem. Ich kämpfe auch immer mit diesen lästigen Tüten." Sie zwinkerte mir zu und drehte sich wieder in Richtung der Haustür. Mühelos öffnete sie diese und warf dabei einen neugierigen Blick auf meine Einkäufe. „Erwartest du Besuch oder hast du deinen Wocheneinkauf erledigt?"

„Ich wünschte, ich könnte sagen, dass diese Menge eine Woche bei mir reichen würde", gab ich seufzend zurück. „Aber leider ist dem nicht so. Außerdem erwarte ich tatsächlich Besuch."

Lachend begleitete mich die Blondine die Treppen in mein Stockwerk nach oben, wartete geduldig darauf, dass ich meinen Schlüssel aus der Tasche kramte und die Tür öffnete. Danach trug sie meine Einkäufe in die Wohnung und stellte sie auf meine Küchentheke. Ich tat es ihr gleich und ließ mich danach erschöpft auf den Hocker sinken. Man, so ein Einkauf war ja anstrengender als Sport.

Ich fuhr mir über mein leicht verschwitztes Gesicht und beobachtete meine Nachbarin dabei, wie sie sich möglichst unauffällig in meiner Wohnung umsah. Als sie meinen Blick bemerkte, färbten sich ihre Wangen leicht rosa und sie sah beschämt zu Boden.

„Entschuldige bitte, ich wollte nicht neugierig sein."

„Kein Problem. Schau' dich ruhig um. Aber ich warne dich, ich habe nicht aufgeräumt", gab ich lächelnd zurück. „Und danke noch mal, dass du mir beim Tragen geholfen hast. Ich wäre sonst vermutlich einen qualvollen Erstickungstod gestorben oder hätte mir beim Versuch, die Treppen zu erklimmen, den Hals gebrochen. Du bist also sozusagen meine Lebensretterin, Tessa."

„Ach was." Sie lächelte gutgelaunt. „Du übertreibst sicher maßlos."

„Wenn du nur wüsstest..."

Ungeschickt war nicht einmal mehr ein Ausdruck für das, was ich war. Wenn irgendwo in einem Raum etwas war, an dem man sicht stoßen könnte, konnte es noch so gut versteckt sein, meine Zehen, Oberschenkel oder Arme würden es trotzdem finden und heftig dagegen schlagen. Und wenn man mir etwas Zerbrechliches in die Hände drückte und am besten noch betonte, dass ich es ja nicht fallen lassen sollte, konnte man Wetten darauf abschließen, wie schnell es in tausend Einzelteile zersprungen am Boden landen würde.

„Möchtest du vielleicht etwas trinken?"

„Ja, bitte. Ein Wasser wäre toll."

Ich stand auf, um meinem Gast das gewünschte Getränk zu besorgen. Als ich mich wieder umdrehte, betrachtete sie gerade ein Foto, das auf einem der Regale in meinem Wohnzimmer stand. Ich verließ die offene Küche und trat neben sie. Erst jetzt erkannte ich, dass sie sich das Bild angesehen hatte, dass die Jungs und mich nach ihrem Auftritt bei der Schlusszeremonie der Olympischen Spiele zeigte. Ohne den Blick von unseren lachenden Gesichtern abzuwenden, reichte ich Tessa das Glas Wasser.

With A Little Help From My FriendsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt