«12»

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Cressida Benign war so ziemlich der unsympathischste Mensch, dem ich bis jetzt begegnet war. Ich war mir nicht sicher woran das lag, doch ich hatte so eine Ahnung, dass es etwas mit ihren beängstigend dunklen und unlesbaren Augen und ihrem schwarz, weißem Haar, das stark an Cruella De Vils Frisur erinnerte, zu tun hatte. Möglicherweise spielten auch ihre kühle Art und ihre arrogant klingende Stimme eine Rolle bei dem ganzen. Vielleicht konnte ich sie aber auch nur nicht ausstehen, weil sie mir schon bei unserem ersten Treffen klar und deutlich signalisiert hatte, dass ich nicht gerade das war, was sie als geeignet für den Job als persönliche Assistentin befand.

Das könnte wiederum daran liegen, dass wir uns unter nicht gerade idealen Bedingungen (für mich) kennenlernten. Ich meine, ich saß auf Harrys Schultern, hielt Nialls Hand und trug nur einen Bikini – an diesem Satz fielen sogar mir ein paar Details auf, die nicht gerade mit meinem Vorsatz, ein wenig auf Abstand zu den Jungs zu gehen, harmonierten. Und Cressida schien das ebenso zu sehen, weshalb es mich auch nicht gewundert hatte, als sie mich dazu aufgefordert hatte, von Harrys Schultern zu kommen, aus dem Pool zu steigen, mir etwas anzuziehen und sie dann in dem großen Konferenzraum des Hotels zu treffen.

Und genau dort saß ich nun auch und spielte nervös mit dem Saum meines Shirts. Seit einer geschlagenen Viertelstunde starrten Cressida und ich uns schon schweigend an. Obwohl dank des langen Konferenzstiches eine gewisse Distanz zwischen uns herrschte, könnte ich dennoch schwören, dass sie mein Herz rasen hören und die Anspannung zwischen uns fühlen musste. Letzteres konnte ich zumindest so deutlich spüren, dass ich das Gefühl hatte, sie anfassen zu können, was mich gleich noch nervöser machte. Ebenso wie dieses penetrante Schweigen, das von Sekunde zu Sekunde schwerer auf meinen Schultern zu lasten schien.

Ich wusste nicht, ob Cressida das hier tat, weil es ihre Art war oder weil sie bewusst mit meiner Psyche spielen wollte. Was auch immer es war, es brachte mich dazu, am liebsten aufzustehen und aus dem Raum zu stürmen. Doch das tat ich nicht. Zum einen, weil ich wusste, dass ich irgendwann dieses Gespräch mit ihr führen musste und zum anderen, weil das den Eindruck, den sie bisher von mir hatte, wohl kaum verbessern würde. Und wenn es eines gab, das ich in meiner jetzigen Position nicht ausprobieren wollte, dann war es, mich noch unbeliebter bei ihr zu machen. Denn das würde meinem Bestreben, ihr zumindest so neutral gegenüberstehen zu können, dass ich nicht mehr die Befürchtung haben musste, dass mein Job innerhalb von einem Augenblinzeln weg sein könnte, einen gewaltigen Strich durch die Rechnung machen. Und das wäre dann wohl alles andere als vorteilhaft für mich.

Doch auch, wenn meine momentane Situation nicht gerade die beste war, in der ich mich je befand, war ich fest entschlossen, mich nicht unterkriegen zu lassen. Ich wusste, dass ich meinen Job gut machte, dass das Verhältnis zu den Jungs noch niemals irgendeine berufliche Entscheidung von mir beeinflusst hatte und dass zumindest ein Teil des restlichen Teams hinter mir stand, um mich – wenn nötig – zu unterstützen. Und ich wusste auch, dass Modest mich mit Cressida nur verunsichern wollte. Sie war nur ein weiteres der zahlreichen Mittel, die sie immer dann einsetzten, wenn etwas einmal nicht nach ihren Vorstellungen lief.

Zugegeben, sie war in der Tat ziemlich angsteinflößend und beunruhigend, aber ich würde mich dennoch nicht von ihr beunruhigen lassen. Das war zumindest mein Plan. Allerdings wies der schon eine Sekunde später einen großen Makel auf, als sich Cressida lautstark räusperte und mich damit vor Anspannung zusammenzucken ließ. Noch deutlicher hätte ich ihr wohl kaum zeigen können, dass sie ihre Arbeit bisher bestens ausführte. Doch sie ließ sich ihren ersten Triumph nicht anmerken, als sie sich erneut räusperte, bevor sie endlich das Schweigen zwischen uns brach.

„Nun, Miss Geller." Sie musterte mein Gesicht mit einem unergründlichen Blick. „Sie wissen doch sicher, warum ich hier bin, oder?"

„Nein", erwiderte ich leise und löste mich aus meiner Starre, um meinen Kopf zu schütteln. „Um ehrlich zu sein, weiß ich das nicht."

With A Little Help From My FriendsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt