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„Ich glaube, das mit Tessa...."

„Ja?"

„Ich glaube, das ist ein Fehler."

Für ein paar Augenblicke war es absolut still in dem Zimmer. So still, dass ich hätte schwören können, dass Niall hören musste, wie mein Gehirn zu arbeiten begann. Wie es versuchte zu begreifen, was er soeben gesagt hatte. Wie es versuchte zu verstehen und einen Sinn in dem zu erkennen, was er mir da soeben gestanden hatte. Doch er hörte es nicht. Und ebenso wenig kam mein vernebeltes Gehirn zu einem Ergebnis, das auch nur im geringsten Sinn ergeben hätte. Im Gegenteil, alles, was ich tun konnte war, seinen letzten Satz im Geiste zu wiederholen. Immer und immer wieder.

Doch auch nach dem hundertsten Mal verstand ich noch immer nicht wirklich, was er zu bedeuten hatte. Vielleicht lag es am Alkohol, vielleicht war ich aber auch einfach nur begriffsstützig – ich hätte es beim besten Willen nicht sagen können. Doch es war mir auch egal. Denn alles, was ich wusste war, dass das Ganze hier nicht gut war. Ganz und gar nicht gut.

Sobald ich mir das eingestanden hatte, begannen zahllose Gedanken wie wild durch meinen Kopf zu rasen. Ich versuchte mich auf einen von ihnen zu konzentrieren, wurde jedoch von einer brennenden Flüssigkeit in meiner Speiseröhre abgelenkt. Reflexartig schnellte meine Hand zu meinem Mund, während ich aufsprang und so schnell es mir in meinem Zustand möglich war ins Bad rannte. Ich schaffte es gerade noch rechtzeitig zur Toilette, ehe sich der gesamte Alkohol des heutigen Abends erbarmungslos seinen Weg zurück nach draußen bahnte.

Während ich mich verzweifelt an die Kloschüssel klammerte und unter Tränen alles ausspuckte, was mein krampfender Magen loswerden wollte, hoffte ich inständig, dass Niall uns beiden den Gefallen getan und aus dem Zimmer gegangen war. Ich wollte nicht, dass er das hier mit ansehen musste. Dass er das hier riechen oder die unangenehmen Geräusche, die ich von mir gab, hören musste. Und vor allem wollte ich nicht, dass er mich in diesem armseligen Zustand sah.

Doch diese Hoffnung wurde nur Sekunden später jäh zerstört, als sich eine warme Hand auf meinen Rücken legte und eine andere meine Haare umfasste, um sie mir aus dem Gesicht zu halten. Für einen Moment war ich versucht ihn wegzustoßen, doch mein aktueller Zustand erlaubte mir nicht einmal die kleinste Bewegung, weshalb ich letzten Endes bloß ein protestierendes Wimmern von mir geben konnte. Hatte mein Gehirn zuvor alles noch witzig gefunden, so hatte es seine Meinung schlagartig geändert. Nichts war mehr witzig oder zum Lachen. Nein, das hier war einfach nur mehr schrecklich. Schrecklich und erniedrigend und am liebsten hätte ich mich augenblicklich in Luft aufgelöst, doch diese Bitte wurde mir leider nicht erfüll. Stattdessen verkrampfte sich mein Magen erneut und trieb mir damit wieder einen Schwall der brennenden Flüssigkeit in den Hals.

Nachdem alles im Klo gelandet war, tastete ich mit der Hand nach der Spülung, drückte sie und sank dann kraftlos in mich zusammen. Zutiefst beschämt schloss ich meine Augen, lehnte meinen Kopf gegen die kalte Fliesenwand und hoffte, dass sich der Boden auftun und mich verschlucken würde. Aber das tat er nicht. Genauso wenig wie Niall einfach aufstand und ging. Stattdessen fuhr eine seiner Hände leicht über meine blassen Wangen, was mich dazu brachte, meine Augen nach einem kurzen inneren Kampf wieder zu öffnen. Diese Entscheidung bereute ich allerdings sofort wieder, als ich in Nialls Gesicht sah. Seine Augenbrauen waren zusammengezogen, seine blauen Augen musterten mich besorgt und seine Lippen waren fest aufeinandergepresst.

Für ein paar Sekunden hielt ich seinem Blick stand, bevor ich gequält zu Boden sah. Ich wusste nicht, ob sein Gesichtsausdruck von meinem schlechten Timing oder von dem Ekel, den er angesichts meines Anblicks empfinden musste, herrührte, aber im Grunde war es mir auch egal. Mein Kopf hämmerte wie verrückt und obwohl ich wirklich dagegen ankämpfte, wollte das Gefühl der Übelkeit einfach nicht nachlassen, weshalb ich mich nur Sekunden später wieder über die Kloschüssel beugte. Während der nächste Schwall Flüssigkeit in der Toilette landete, hielt Niall erneut meine Haare fest. Als er dann auch noch damit begann, mit langsamen Bewegungen meinen Rücken auf und ab zu streicheln, wäre ich am liebsten gestorben. Wie konnte er sich nur so um mich kümmern, wenn ich mir gerade begleitet von wirklich unappetitlichen Geräuschen die Seele aus dem Leib kotzte?

With A Little Help From My FriendsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt