«13»

5.7K 314 86
                                    

«13»

Es war noch nie ein gutes Zeichen gewesen, wenn einer meiner Vorgesetzten in mein Büro kam. Laut meinen Erfahrungen konnte das nämlich nur zwei Dinge bedeuten: Erstens, sie hatten wieder eine geniale Idee gehabt, die nicht nur für die Jungs, sondern für das gesamte Team zusätzliche Arbeit bedeutete oder zweitens, ich hatte Mist gebaut und würde mir jetzt eine Moralpredigt anhören können. Es konnte eigentlich nur eines von diesen beiden Dingen sein, die Mr Steel an diesem Donnerstagmorgen in mein Büro führte und wenn ich raten müsste, so würde ich auf die zweite Möglichkeit tippen. Schließlich hatte er soeben ein Meeting mit Cressida hinter sich und seinen ernsten Gesichtszügen zu urteilen, dürften dabei – wie zu erwarten gewesen war – nicht nur Worte des Lobes über mich gefallen sein. Falls überhaupt irgendetwas an Cressidas Bericht zu meinem Vorteil ausgefallen war, was ich aufgrund ihres Verhaltens während der letzten Tage, an denen sie mir wie ein Schatten gefolgt war, mehr als bezweifelte.

Wie auch immer, dank den Glaswänden meines Büros befand ich mich nun zumindest in der Position, live und ich Echtzeit mitzuerleben, wie Mr Steel sein Gesicht immer wieder in Gedanken versunken verzog, langsam auf meine Tür zusteuerte und diese schließlich nach einem kurzen Klopfen öffnete. Für einen kurzen Augenblick ließ er seine leuchtend grünen Augen durch mein bescheidenes kleines Reich wandern, ehe er seinen Blick auf mich richtete und fragte: „Hätten Sie einen Moment für mich, Miss Geller?"

Ich nickte und legte den Papierkram, an dem ich soeben gearbeitet hatte, zur Seite. Während ich darauf wartete, dass Mr Steel mein Büro betrat und auf dem Sofa platz nahm, schien dieser meine Nervosität nicht nur zu spüren, sondern noch zusätzlich verstärken zu wollen, denn er brauchte eine gefühlte Ewigkeit, bis er sich endlich gesetzt hatte und mir verkündete, warum er hier war: „Mrs Benign hat uns soeben von ihren Beobachtungen der letzten Woche berichtet."

Nicht wissend, was ich darauf antworten sollte, nickte ich erneut und wartete darauf, dass er weitersprach. Doch Mr Steel nahm sich viel Zeit, um meine Gesichtszüge zu mustern und seine Sitzposition ein wenig zu verändern. Die Autorität, die er sogar dabei verströmte, ließ mich noch unruhiger werden, weshalb ich nach einigem Herumgezappel aufstand und mich auf einem Platz schräg gegenüber meines Vorgesetzten niederließ. Obwohl ich mir dabei aus unerfindlichen Gründen ziemlich mutig vorkam, konnte ich dennoch nicht verhindern, dass mich diese Situation stark an David und Goliath erinnerte. Allerdings bezweifelte ich, dass dieser 'Zweikampf' ebenso Enden würden, wie der der beiden Figuren aus dem Alten Testament. Zumal Mr Steel mit absoluter Sicherheit um einiges bedrohlicher und gefährlicher als Goliath war. Also, zumindest meiner Meinung nach...

„Ich muss sagen, ich bin ein wenig... nennen wir es irritiert", erklärte mir Mr Steel nach kurzer Bedenkzeit.

„Inwiefern, Sir?", fragte ich ein wenig überrascht nach.

„Nun, bisher waren wir mit Ihnen, Ihrer Arbeit und Ihrem Verhalten sehr zufrieden, Miss Geller."

Die Art und Weise, wie er das Wort 'bisher' betonte, ließ meinen Hals ganz trocken werden, als ich fragte: „Sind Sie es jetzt nicht mehr?"

„Das habe ich damit nicht gesagt"; erwiderte er nachdenklich und mit einem leicht beruhigenden Unterton in der tiefen Stimme. „Aber ich kann wohl nicht leugnen, dass uns ein paar Dinge, die wir heute von Mrs Benign erfahren haben, nicht unbedingt gefallen haben."

Ich presste meine Lippen aufeinander und senkte meinen Blick. Eigentlich wollte ich überhaupt nicht wissen, was Cruella De Vil alles über mich gesagt hatte, doch da ich sowieso keine andere Wahl hatte und es früher oder später ohnehin erfahren würde, holte ich einmal tief Luft und stellte die Frage, auf die Mr Steel scheinbar wartete: „Und welche Dinge sind das?"

With A Little Help From My FriendsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt