«11»

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«11»

Ein paar Tage später saß ich in einem der größten Fernsehstudios in L.A. und beobachtetet auf einem Bildschirm das Interview, das meine Lemminge gerade einer überschminkten Moderatorin gaben. Obwohl sie aufgrund der zahlreichen Termine der letzten Tage sichtlich erschöpft waren, verhielten sich Niall, Liam, Louis, Zayn und Harry wie gewohnt sehr professionell, beantworteten brav alle Fragen, scherzten ein wenig mit der Moderatorin und präsentierten sich von ihrer besten Seite. Genauso, wie es Modest von ihnen verlangte. Und genauso wie ich es von ihnen auch gewohnt war. Denn auch, wenn sie an manchen Tagen müde oder ausgelaugt waren oder einfach miese Laune hatten, so zeigten sie das niemals bei öffentlichen Terminen, was nicht nur gut für ihr Image war, sondern vor allem auch die Zusammenarbeit mit ihnen sehr angenehm machte.

Die Moderatorin begann gekünstelt zu lächeln, klimperte mit ihren langen, falschen Wimpern und stellte dann eine Frage zu einem Thema, das die Jungs in fast jedem Interview besprechen mussten: Freundinnen. Da ich die Antwort bereits kannte und mir im Grunde auch keine Überraschungen erwartete, beschloss ich diese Gelegenheit dafür zu nutzen, mir eine schöne Tasse Kaffee zu besorgen. Gähnend hüpfte ich von dem Hocker, auf dem ich schon viel zu lange gesessen war und machte mich dann so leise wie nur möglich auf den Weg in den Backstagebereich. Sobald ich die Tür zum Studio hinter mir zugezogen und somit in dem Bereich war, in dem man auch während der Aufnahmen einigermaßen normal sprechen durfte, begann mein Handy wie auf Kommando in meinen Händen zu vibrieren. Verwundert sah ich auf die mir unbekannte Nummer, bevor ich mich sicherheitshalber noch ein Stückchen vom Aufnahmebereich entfernt und den Anruf entgegennahm

„Geller?"

„Guten Tag, Miss Geller. Hier spricht Evie Brew vom JFK-Airport", meldete sich eine Stimme am anderen Ende der Leitung und ließ mich für einen Moment daran glauben, dass es doch noch ein Happy End für mich und meinen Koffer geben sollte. Leider wurde diese Hoffnung nur wenige Sekunden später jäh zerstört, als die mir unbekannte Dame sagte: „Es tut mir leid, aber ich fürchte, dass ich keine guten Neuigkeiten für Sie habe. Zu unserem großen Bedauern konnte ihr vermisstes Gepäckstück weder von den Kollegen in London, noch von uns gefunden werden."

„Oh." Enttäuscht lehnte ich mich gegen die nächstbeste Wand. „Und was bedeutet das?"

„Das bedeutet, dass Ihr Koffer unauffindbar ist, Miss Geller."

„Aber... Aber der kann doch nicht einfach weg sein. Sie haben doch sicher irgendein System, mit dem sie das Gepäck eines Fluges nach verfolgen können oder so. Da muss doch mein Koffer irgendwo aufscheinen. Ich meine, ich habe ihn schließlich ordnungsgemäß am Check-in-Schalter abgegeben."

Evie wie-auch-immer-sie-noch-schnell-hieß stieß einen kaum hörbaren Seufzer aus, bevor sie mir in einem Ton, in dem man eigentlich nur mit quengeligen kleinen Kindern sprach, erklärte, dass keiner so recht wusste, was mit meinem Koffer passiert war und dass ich natürlich ein Recht auf Entschädigung hätte. Als sie sich dann erneut bei mir entschuldigte und dabei eine solch nervtötend monotone Stimme hatte, wusste ich nicht nur, dass sie ihren Job abgöttisch liebte, sondern auch, dass ich ihr am liebsten das Gesicht zerkratzt hätte.

Von wegen, es tat ihnen „furchtbar leid"! Wenn sie gekonnt hätte, dann hätte sie mir wortwörtlich gesagt, dass es ihr scheißegal war, ob ich den Ring, den ich von meiner Großmutter geschenkt und das Stofftier, das ich von mein Eltern bekommen hatte, jemals wiedersehen würde oder nicht. War ja schließlich auch nicht ihr Problem. Aber zu unser beider Glück war es ihr nicht erlaubt, ihre Meinung zu dem ganzen so deutlich zu sagen, weshalb wir das Telefon letzten Endes doch einigermaßen wie zivilisierte Menschen beendeten.

Nachdem ich mein Handy vielleicht eine Spur zu grob in meiner Tasche verstaut hatte, ließ ich diese achtlos auf den Boden sinken und fuhr mir seufzend durch mein Haar. Obwohl die Chancen immer schon gering gewesen waren, dass ich meinen Koffer jemals wiedersehen würde, hatte ich die Hoffnung bis zu Letzt nicht aufgegeben. Möglicherweise war das etwas naiv gewesen und ich hätte auf Paul hören sollen, der mir schon die ganze Zeit über gesagt hatte, dass ich die Möglichkeit in Betracht ziehen sollte, dass meine Sachen nicht mehr auftauchen würden. Aber ich hatte wieder einmal nicht auf ihn gehört, weshalb ich mich jetzt in der Situation befand, absolut niedergeschmettert und enttäuscht zu sein.

With A Little Help From My FriendsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt