《4 - so eine bist du also》

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Ein weiterer ätzender Tag begann. Genervt blickte ich auf den vorherigen Abend zurück.
Meine Mutter geierte Herr Bergmann penetrant hinterher als er sich verabschiedete und das Haus verließ.
Auch wenn sie mit meinem Vater nicht mehr zusammen war, musste sie ja meinen Lehrer nicht angeiern.
Hoffentlich würde es heute nicht wieder so sein. Denn, auch wenn ich für Herr Bergmann kaum etwas übrig hatte, wollte ich ihm meine Mutter nicht antun und vorallem wollte ich nicht, dass er mein Stiefvater werden würde.

Pünktlich klingelte die Tür.
Ich rannte schnell zum Eingang und konnte im Augenwinkel sehen, dass meine Mutter auch zur Tür hervor preschen wollte, doch dies gewährte ich ihr nicht. Wie gesagt, sie solle sich nicht an ihn heran machen.
Als ich Herr Bergmann nach oben führte warf ich meiner Mutter, die im Türrahmen der Küche stand, einen vernichtenden Blick zu. Sie brauchte sich ja nichts einbilden.

Oben abgekommen setzte sich Herr Bergmann direkt auf seinen Platz und kramte seine Sachen aus der Schultertasche, die er zuvor noch trug.
Ich beobachtete ihn dabei interessiert.
Schließlich schaute er danach auch zu mir, wie ich an meinem Regal stand.
"Sie waren beim Friseur.", merkte ich an.
"Ja, da hast du Recht. Danke.", lächelte er freundlich.
"Ich habe nicht gesagt, dass es gut aussehen würde.", antwortete ich ihm, holte meine Schreibunterlagen aus dem Regal und setzte mich neben Herr Bergmann an den Schreibtisch.
"Darf ich deine ehrliche Meinung wissen?", fragte er mich, wie ich ihn es gestern gefragt hatte.
"Natürlich dürfen Sie die wissen, aber wollen Sie das auch oder ist die Ihnen zu direkt?"
Er kratzte sich am Hinterkopf.
"Ja, die möchte ich wissen."
Ich schaute mir seine Frisur ausgiebig an und fällte eine Meinung.
" Ich finde die Frisur sogar ganz gut.", erklärte ich seicht lächelnd.
" Jetzt kann ich ja abends beruhigt einschlafen.", scherzte Herr Bergmann.
Er konnte mir ein leichtes schmunzeln entlocken. Ich sollte mich nicht so einlulen lassen von ihm.

"Können wir anfangen?", stöhnte ich genervt.
"So eine Begeisterung finde ich auch nur bei dir.", grinste mein Lehrer.
"Was ist daran so lustig?", fragte ich mit warnendem Unterton.
"Ach komm, sei mal einbisschen lockerer.", schnaubte Herr Bergmann.
"Wäre ich, wenn Sie nicht da wären. Dann könnte ich wenigstens etwas mit meinen Freunden unternehmen.", schob ich ihm den schwarzen Peter zu.
"Was würdest du denn sonst mit deinen Freunden tun?"
Warum zeigte dieser Mann denn überhaupt Interesse an meinem Leben? Ich hatte ihm doch schließlich deutlich genug gemacht, dass er fehl am Platz bei mir war.
"Was geht Sie das an?", zischte ich.
"Nun ja, zu einem Argument gehört Behauptung - Begründung - Beispiel und bei deinem Argument fehlt noch was, .... außerdem würde ich gerne wissen was denn besser ist, als Unterricht mit mir zu machen.", erklärte er geduldig.
"Sie sind so ein richtiger Lehrer, ohne Witz.", schnaubte ich verächtlich.
"Lenk' nicht vom Thema ab und antworte mir.", antwortete er konzentriert.
Wow, das war eine klare Aussage.
"Vermutlich würden wir bei einem von uns abhängen, irgendwas rauchen oder trinken und miteinander quatschen.", legte ich gezwungenermaßen dar.
"Aha, so eine bist du also.", sagte er ganz andächtig.
"Dann ist es ja auch nicht schlimm wenn ich neben dir eine rauche." - war seine Schlussfolgerung.
"Nur wenn ich auch eine abbekomme."
Herr Bergmann kramte in seiner Hosentasche nach einem Feuerzeug, welches er auf den Schreibtisch legte.
Danach kramte er in der Jackentasche seiner Weste, die um seinen Stuhl hing, nach seiner Kippenpackung.
Diese Streckte er mir geöffnet entgegen.
"Hier."
Ich schaute auf die Packung herab.
Darin waren einige Zigaretten und, was mich sehr erstaunte, zwei Joints.
"Kifft da etwa jemand?", fragte ich rhetorisch, mit einem Grinsen im Gesicht.
"Ist medizinisch verordnet. Im Falle, dass ich 'nen Migräne Anfall bekommen würde.", erklärte er gleichgültig.
"Wie geht's Ihrem Kopf gerade?"
"Gut."
"Zum Glück.", schnaubte ich und schnappte mir einen Joint.
Herr Bergmann bemerkte dies schmunzelnd.
Er selbst holte sich keinen Glimmstängel aus der Verpackung, was mich sehr verwunderte.
Doch dies erklärte sich von selbst, als er mir den Joint nach meinem ersten Zug aus der Hand nahm um selbst mal daran zu ziehen.
Vielleicht war er ja doch kein typischer Lehrer.
"Wie lange rauchst du schon sowas?", fragte Herr Bergmann interessiert.
"Seitdem ich meine Freunde kenne. Also ein halbes Jahr."
Mein Lehrer schaute mich etwas schief an.
"Rauch lieber mit mir statt mit denen."
"Warum?"
"Weil deine Freunde wohl kaum mit dem Zeug umgehen können."
Und da hatte er sogar nicht mal so ganz Unrecht.
Ich nahm ihm den Joint zwischen den Lippen weg und zog noch mal tief daran.
Eine vollkommene Entspannung überkam mich.
"Okay, mach ich.", hauchte ich leise.
"Du wirst ja richtig handzahm.", grinste mein Lehrer.
Ich schaute ihn verwirrt an.
"Naja, ich hätte nicht geglaubt, dass du freiwillig zustimmst zukünftig nur mit mir zu Kiffen."
Ich zuckte mit den Schultern und richtete meinen Blick auf den Schreibtisch.
"Wie sind denn deine Freunde so drauf?", fragte Herr Bergmann und blickte mich erwartungsvoll an.
"Ich unternehme viel mit ihnen. Es ist immer sehr spaßig. Zwar nerven sie oft, aber das tue ich auch. Ach wem erzähl ich das denn? Ich nerve Sie doch auch Herr Bergmann. -" Er unterbrach mich:"Du darfst mich immernoch sehr gerne duzen.", lächelte er vorsichtig.
"Na gut, Tim. Nun denn, um aufs Thema zurück zu kommen - wenn irgendwas von außen kommt, halten meine Freunde und ich felsenfest zusammen, nur bei internen Konflikten wird es problematisch. Jeder schlägt sich auf eine Seite und sowas möchte ich nicht. Deswegen versuche ich immer den Frieden in unserer Gruppe beizubehalten.", erklärte ich nachdenklich und richtete schließlich meinen Blick wieder erwartungsvoll  zu Tim.
"Das ist interessant, nimm das bitte nicht persönlich, aber solch ein Verhalten kenne ich nur von Zwölfjährigen.
Du hingegen erscheinst mir viel reifer."
"Danke.", meine Wangen röteten sich. Ich fühlte mich tatsächlich geschmeichelt.
"Aber zuletzt war ich wirklich genervt von meinen Freunden.", fügte ich hinzu.
"Weshalb?"
"Wir waren ja in der Disco. Ich dachte wir wären dort um noch gemeinsam etwas Zeit zu verbringen, weil ich ja nun zwei Wochen nichts mehr mit ihnen unternehmen kann, aber meine gesamten anwesenden Freunde schmissen sich an irgendwelche Typen beziehungsweise Mädels ran.", schnaubte ich.
"Ich glaube die Prioritäten deiner Freunde sind falsch gesetzt."
"Oder es war ein versehen.", versuchte ich es zu leugnen.
"Wenn du das so meinst."
"Tim?"
"Hm?"
"Ich will da nicht mehr drüber reden, das macht mich traurig."
"Ich zwinge dich nicht dazu.
Komm lass uns mit dem 'Unterricht' anfangen."
Ich schnaubte lustlos, doch konnte mich schließlich trotzdem dazu aufraffen auf seinen Vorhaben einzugehen.

Nicht schon wieder er! 《Herr Bergmann FF》Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt