7.
Als ich aus der Tür war, erblickte ich einen langen Flur. Ich sah keine Tür, gar nichts. Nur einen Flur, das Zimmer hinter mir und zwei Treppen, an jedem Ende des Flurs eine. Wo lang sollte ich gehen? ...
Ich versuchte es einfach mal rechts. Als ich den langen Flur entlangging, hallten meine Schritte auf den Marmorfliesen wieder. Was war das für ein Haus? Ich sah mich um, betrachtete die hohe Decke, und die Bilder an den Wänden. Das waren genau fünf Stück. Das erste zeigte irgendeinen Hund – Einen Pudel. Das zweite, und dritte zeigten eine wunderschöne Frau. Sie war um die 47 auf dem Bild. Sie lächelte in die Kamera, als säße auf der anderen Seite jemand, den sie besonders mochte, oder der ihr sehr wichtig war. Sie lächelte so liebevoll. Vielleicht ihr Ehemann, oder ihr Kind, wenn sie denn eines hatte. Doch dann bemerkte ich die Ähnlichkeit zwischen ihr und diesem arroganten Arschloch, das in dem Zimmer hinter mir lehnte und dreckig lachte. Sie hatten dasselbe Haar, auch wenn ihres länger war. Es reichte ihr bis kurz über die Schulter. Sie hatte es nicht zusammengebunden, also musste dieses Bild von vor dem Krieg aufgenommen worden sein. Das war nicht möglich, alle Bilder aus dieser Zeit, ausgenommen die, die zu Lehrzwecken benötigt wurden, waren vernichtet worden, verbrannt oder gelöscht, wenn sie den Krieg „überlebt“ hatten.
Ich nahm das vierte Bild in Augenschein. Es zeigte sieben kleine Jungen, im Alter von 22 bis 2. Sie wirkten glücklich, und grinsten selbstbewusst in die Kamera. Ich machte den jüngsten aus. Er hatte ein total süßes Gesicht. Wie ein Engel. Und das mit 2 oder 3. Ich musste schmunzeln. Er sah wirklich putzig aus.
Das Lachen hinter mir war verstummt. Anscheinend fand Will es nicht so prickelnd, dass ich private Bilder von ihm und seiner Familie ansah. Tja, mir sollte es nur recht sein. Alles was ihm nicht gefällt, das gefiel mir umso mehr. Allerdings… Vielleicht kam er dadurch auf blöde Gedanken?
Schnell wandte ich den Blick ab und lief weiter auf die Treppe zu.
Plötzlich kam eine junge Frau die Treppe hoch. Sie mochte vielleicht Anfang 20 sein, nicht älter als Will. Sie trug einfache Kleidung, Ein langes Bauernkleid (Dirndl) und eine Haube. Sie hastete mir entgegen. Unsere Augen trafen sich kurz. Dann senkte sie den Blick wieder. Erst jetzt bemerkte ich, dass sie einen Korb auf dem einen und ein kleines, wahrscheinlich neugeborenes Baby auf dem anderen Arm trug. Nach ihrem Gesichtsausdruck zu urteilen, war es viel zu schwer für sie. Sie tat mir leid.
Sie war schon halb an mir voreigelaufen, da sagte ich leise: „Warte!“. Sie drehte sich zu mir um und sah auf den Boden, anscheinend wartete darauf, dass ich weiter redete. Ich sah zu Will, der still an der Ecke stand und uns abschätzig musterte. Ich nickte ihm zu und gab ihm zu verstehen, dass er herkommen sollte. Als erstes reagierte er nicht, aber dann gab er sich einen Ruck und kam zu uns herüber.
Ich sah wieder die junge Frau vor mir an. Sie wirkte abgemagert und eingeschüchtert.
„Wie heißt du?“, fragte ich sie leise.
„Melanie.“, antwortete sie ebenso leise.
„Nun, Melanie! Sieh mich an!“ Sie sah mich an, dann sah sie wieder zu Boden.
„Mein Freund, Will! Er wird dir den Korb tragen!“, bestimmte ich immer noch mit leiser Stimme. Als ich Wills erschrecktes Atemgeräusch hörte, sah ich schnell auf. Hoffentlich würde er mir helfen! Er sah mich abschätzend an. Ich legte den Kopf schief und sagte lautlos „Bitte?“. Er nickte und sah zu der Freu hinüber. Diese sah schüchtern hoch und begegnete meinem Blick. Ich lächelte und nickte ihr aufmunternd zu. Will nahm ihr den Korb ohne mit der Wimper zu zucken ab, allerdings sah ich, dass er seine Lippen zugekniffen hatte.
„Wohin musst du?“, fragte ich Melanie.
„In die Küche, Lady!“
„Gut, dann los! Und nenn mich bitte nicht Lady.“, sagte ich und wollte mich schon in Bewegung setzen, da stellte sie mir noch eine Frage:
„La… Entschuldigen Sie, könnten sie kurz Emma nehmen, ich habe noch zwei Kinder, die in der Stube auf mich warten…“. Sie sah nicht auf.
„Natürlich!“, sagte ich und machte einen ungeschickten Korb mit den Armen. Vorsichtig legte sie mir das Baby hinein. Dieses sah mich mit großen Augen an. Sie waren Blau, und wunderschön. Das Kind sah mir direkt in die Augen. Und dann…
…machte es den Mund auf lächelte ein Zahnloses Lächeln. Sofort überkam mich ein Gefühl der Zärtlichkeit, und ich beugte mich runter zu Baby-Emma. Daraufhin betatschte es leicht meine Nase und machte: „Áaaà…Hiui!“
Ich lächelte es leicht an und zog dann meine Lippe hoch und tat so als wollte ich an ihr knabbern. Sie fing an zu lachen und wackelte mit ihrem kleinen Körper.
Gerade als ich mich zu Will umdrehte kam die Mutter wieder. Sie hielt einen süßen höchstens vierjährigen blonden Jungen an der Hand. Er sah einfach zu niedlich aus. Und dann saß da noch ein anderer Junge auf ihrer Hüfte. Ich schätzte, dass er so um die zwei Jahre war, von der Größe her. Sie lächelte mich schüchtern an, als ich zu ihr kam. Dann sah sie schnell zu William, der hinter mir stand, und ihr Lächeln erlosch.
„Danke, dass Sie gewartet haben!“, sagte sie zu mir. „Und Danke, dass Sie mir mit den Kindern helfen!“
„Aber gerne doch! Und nenn mich doch einfach Cathy, oder Catherine, wie du willst!“, antwortete ich und zwinkerte, als sie erstaunt zu mir hoch sah. Wieder lächelte sie mich an. Ich lächelte – hoffentlich beruhigend – zurück.
„Wenn die Damen dann soweit wären?!“, mischte sich William ein.
„Geduld ist eine Tugend!“, sagte ich besserwisserisch und schenkte Will ein Wimper-Klimper-Lächeln. Dann bedeutete ich Melanie, dass sie vorgehen sollte. Sie schlängelte sich zwischen uns durch und ging voraus.
*
Während dem ganzen Weg unterhielten Mel und ich uns. Will trottete die ganze Zeit hinter uns her. Seltsamerweise erhielt ich von ihm keinerlei Protest.
In der Küche setzten wir Mel ab. Ich hatte gehörigen Respekt vor der 22-jährigen Frau, deren Mann vor weniger als zwei Monaten gestorben war, wie sie mir auf dem Weg hierher erzählte. Sie hatte ihn sehr geliebt, … hatte das Glück gehabt, und einen robusten, tollen Mann erwischt, der sie und ihre Kinder respektierte und auf Händen trug. Mel und ihr Mann Paul hatten sich nach nur drei Tagen unsterblich ineinander verliebt und so war es trotz der ungewollten Ehe, eine Ehe aus Liebe gewesen. Er war an einer schlimmen Lungenentzündung gestorben, weil sie sich die Medizin nicht hatten leisten können. Sie tat mir sehr leid, und ich lud sie ein, mich einmal zu besuchen, wenn sie Zeit hatte. Mit gutem Gewissen hatten wir uns schließlich verabschiedet.
*
Und jetzt saß ich hier, nachdem William mich aus dem Haus gelotst hatte. In diesem Auto. Und wartete darauf, auf unserer - Meiner, und der meines Bräutigams – Verlobungsfeier aufzutauchen. Die Nervosität, die mich ergriff, war kaum auszuhalten. Meine Hände krallten sich in mein Kleid. Es war schrecklich. Nicht nur, dass ich jetzt seiner ganzen Familie begegnen würde, nein, ich würde auch deren Freunde und Freundesfreunde und Freundesfreundesfreunde kennenlernen. Ein schneller Seitenblick auf William ergab, dass er völlig entspannt war und sich wahrscheinlich richtiggehend darauf freute, mich bloßzustellen.
Gerade als ich mich entschloss, aus dem Fenster zu springen hielt der Wagen, und der Mann neben mir sagte: „Wir sind da!“
DU LIEST GERADE
Cat & Will
Science FictionIm Jahre 2124, 18 Jahre nach dem 3. Weltkrieg heiratet die 18 jährige Catherine den Playboy und absoluten Macho William. Sie verstehen sich am Anfang gar nicht, doch dann kommen sie sich näher und finden eine mysteriöse DVD, und eine Reise beginnt...