Kapitel 2

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Cathrine. Heute

"Mutter hast du deine Tabletten schon genommen?", frage ich, als ich meine Schnürsenkel zu schnüre. "Ja!", ruft sie aus dem kleinen Wohnzimmer. Ich gehe zu ihr und hebe die Tabletten- schachtel von dem Karton, welcher als Tisch fungiert. "Sie sind fasst leer, nach der Arbeit kaufe ich dir neue", ich schnappe mir meine Jacke vom Sofa, auf dem meine Mutter saß und drücke ihr einen Kuss auf die Stirn. Ihren Kopf bedeckt sie mit einem Smaragdgrünen Kopftuch, der Krebs lässt ihre Haare Büschelweise ausfallen, vergraut ihre Haut und macht sie müder. Es wird schlimmer, immer schlimmer. Von Tag zu Tag wird sie kranker, als sie es ohnehin schon ist. Das einizge was ich tun kann ist zu arbeiten, Geld zu verdienen, tag und nacht, sieben Tage die Woche. Das System hilft keiner Unterschichtlerin. Denn das ist es was wir sind, Unterschichtler, der Abschaum der Stadt. Ich bin das einzige was sie noch, hat und sie wiederum das einzige was ich habe. Ich erhalte sie am Leben, mit Tabletten, welche ihren Schmerz nur leicht lindern. Ich weiß sie stirbt, das Leben, welches einst ihren blauen Augen leuchten gelassen hat, verblast, und sie weiß sie stirbt. Sie versteckt sich nicht davor, bloß ich will nicht dass der Tod sie in die Finger bekommt. Ich habe zu viel verloren, ein weiterer Verlust wird mich gänzlich brechen. "Ach Liebling, kauf dir doch diesmal die Kohle die du letztes Mal gesehen hast. Ich wünsche mir so sehr, dass du wieder anfängst zu zeichnen. Für mich liebes, nimm wieder an deinem eignen Leben teil. Ich habe noch genug Tabletten", meine Mutter drückt meine Hand und lächelt mich erschöpft an. Das reden fällt ihr schwer. An meinem eigenen Leben teilnehemen? Wie sollte ich das bloß tun, wenn auf mir eine riesige Last ruht, die mich fast erdrückt, zu Boden schmeißt, mich zerquetscht? Wie soll ich wieder zeichnen können, wenn das einzige woran ich denke, wovon ich träume, was um mich herrum ist, einzig allein der Tod ist? "Bis später, pass auf dich auf!", ich schnappe mir meine Tasche und verlasse unsere Wohnung. Ich, als Unterschichtlerin lebe in den Bezirken, die von den Oberschichtlern als Müllhalde bezeichnet wird. Da liegen sie nicht falsch, überall liegt Müll! So lebe ich, ich habe kein großes Anwesen, kein großes Haus, keine Haushälter, keine Ärzte. Ich, ein 18 jähriges Mädchen, habe mich um das Leben meiner Mutter, meiner Familie zu kümmern. Ich bin stolz so weit gekommen zu sein, nicht gescheitert zu sein, immer noch meine Familie, oder das was von ihr übrig geblieben ist, um mich zu haben. Die Sonne steht hoch am Himmel und die Straßen sind belebt, ich brauche nicht lange um ins Zentrum der Stadt zu gelangen und zu meinen drei Arbeitsstellen. Der einzige Ort, wo Oberschichtler neben Unterschichtler laufen, der einzige Ort wo Oberschichtler von Unterschichtler bedient werden, wo sie von uns Ware kaufen und leider auch der Ort wo uns am meisten Unrecht zugefügt wird. Wir, die Unterschichtler wiedersetzen uns dem System. Wir wollen unsere Seelen nicht verkaufen, wie mein Bruder mal sagte. Ein freier Geist, bedeutet freies Leben. Freies Leben, bedeutet glückliches Leben, wenn auch nicht langes Leben. Lieber lebe ich frei, frei von den Gehirnwäschen und den Idealen, die uns eingetrichtert werden, als ein langes Leben als Marionette zu führen. Aber leider denken nicht viele so. Macht und Geld, diese Kriterien beeinflussen viele, zu viele. Mit einem schnellen Sprung springe ich in den Zug, bevor sich die Türen schließen. Ich stoße gegen eine Frau, eine Oberschichtlerin. "Entschuldigung", murmle ich. Bevor ich mich wegdrehe, sehe ich in ihr Gesicht. In ein perfektes Gesicht, doch da, ganz leicht, kann man Stirnfalten sehen. Sie musstert mich angeeckelt, ihr Blick gleitet von meinem Gesicht, den unordentlichen Haaren, zu meinen grauen Augen, die zu hell im Gegensatz zu meinen kurzen schwarzen Haaren, zu meiner Kleidung. Wenn ich arbeiten gehe, vorallem in dem kleinen Restaurant, achtete ich drauf was ich anziehe, dort bekomme ich keine Arbeitsuniform. Meine schlichte schwarze Hose und mein schwarzes Top welches unter einer dunklen Jeansjacke hervor lugt, unterscheidet sich nicht sonderlich von dem was die Oberschitlerin trägt, die mich mustert. Das einzige was sich unterschied, ist die Person die es trägt und das Erkennungszeichen, welches meinen Handgelenk schmückt. Banalerweise, ein wunderschönes Lederband mit einem U drauf, einem U für Unterschichtler. Das bin ich, Catherine Mckansey, eine Unterschichtlerin. Stolz auf das was ich bin und wer ich bin. Ich recke das Kinn, schenke ihr einen genauso herblassenden Blick und schaue hinaus. Hinaus in die Stadt, die meine Familie ruinierte und mich veränderte.

"Catherine!Du bist zu spät! "Malorie, es freut mich auch dich zu sehen", meine Chefin, eine Tyrannen, eine Hexe, ein Drache, eine Oberschichtlerin.
"Genug jetzt!", fährt sie mich an. Sie zupft an ihrer perfekten Frisur und streicht sich eine blonde Haarsträhne hinter die Ohren. Sie ist 50, sieht aber kein Jahr älter als 30 aus. Die Oberschichtlerin, die Perfekten, dass Gegenteil von mir.
Seufzend nehme ich mir meine Schürze und lege meine Sachen in mein Schließfach ab. Die Arbeit ist stressig, beschämend. Oberschichtler hegen einen Groll gegen uns, ich bin ein gefundenes Fressen für sie. Wie ein Vogel, mit gebrochenen Flügel, wie ein gehetztes Vieh, mit verletztem Bein. Ich bin das Opfer, aber im Auge des Systems bin ich, sind wir die Täter.
Ich schnappe mir ein Tablett und fange an die Gäste zu bedienen. Die Täter zu bedienen.

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