Kapitel 14 - Streit ist eine Lösung

97 4 0
                                    

Scarletts Sicht: Es war mir heute Morgen nicht bewusst aufgefallen, wie kalt es gewesen war, da ich einfach angenommen hatte, dass es am Monat November lag, aber als ich nach dem Mittagessen unser Zimmer betrat fiel es mir auf: Die Heizung war repariert worden.
V fand ich auf ihrem Bett vor, Kopfhörer auf den Ohren und auf ihren Laptop fixiert, vertieft in ein Tanzvideo.
"Die Heizung geht wieder.", stellte ich sachlich fest, gleichgültig ob V es hörte oder nicht.
Sie ignorierte mich jedoch nicht, sondern nahm die Kopfhörer ab und pausierte das Video.
"Was?"
"Die Heizung. Sie ist repariert.", wiederholte ich mich, während ich meine schwarze abgewetzte Tasche auf mein Bett fallen ließ.
"Oh, ja, ist sie.", antwortete V leicht irritiert.
"Wie kam es dazu? Hast du einen Klempner angerufen?", harkte ich nach, obwohl ich selbst nicht genau wusste, was mich an dem Thema auf einmal so interessierte (immerhin hatte ich die Existenz unserer Heizung den gesamten ersten Monat lang nicht einmal bemerkt.), aber vermutlich lag es daran, dass Vs Art mich ein wenig an "Ich habe meinen Unterarm mit einer Tomate verwechselt"-du-verheimlichst-mir-was-V erinnerte.
V blickte zu ihrem Ballettfilm bevor und während sie sprach. "Tanner war hier. Er hat es gemacht."
Ihr Tonfall war nonchalant, und eben daran erkannte ich, dass sie wusste, wie wütend mich diese Tatsache machen würde.
"Ach, Tanner war also hier, ja?", ich zog die Augenbrauen hoch, während ich zum Fenster ging, um es einen Spalt breit zu öffnen. Die Heizungsluft war viel zu stickig.
"Ja, Scarlett, stell dir vor, er kennt auch andere Menschen außer dir."
Seit Halloween war ich ruhig geblieben, hatte keine Konfrontation mit V angefangen seit unserem Gespräch am 1. November, aber jetzt war Schluss damit.
"Und du kennst auch genug, oder?", ich machte einen Schritt vom Fenster weg und auf sie zu.
"Weißt du, ich hab mir Gedanken gemacht, Victoria." Dieses Mal nannte ich sie extra bei ihrem ganzen Namen. Dieses Mal sagte ich nichts aus versehen. "Hab mich gefragt, warum du so sauer warst, und es machte Sinn am nächsten Tag, wegen dem bedeutungslosen Kuss!"
V sah mich fast entschuldigend an und wollte etwas sagen, aber ich ließ sie nicht zu Wort kommen.
"Er war wirklich bedeutungslos, aber selbst wenn er es nicht gewesen wäre, du hast mir ja nie erzählt dass du auf den Typen stehst!"
"Scarlett es tut mir---"
Sie streckte ihre Hand nach mir aus, aber ich schlug sie weg.
"Nein, Victoria." Ich schüttelte den Kopf. "Du weißt, dass ich es nicht so einfach finde wie du, andere Menschen zu verstehen. Sie tun andauernd unlogische Dinge und das ist irritierend, aber dich habe ich trotzdem immer verstanden. Deshalb dachte ich, dass ich richtig lag damit, dass du wegen dem Kuss mit Tanner nicht mehr mit mir redest. Aber anscheinend stimmt das nicht, denn mit ihm bist du ja anscheinend auf einmal Best Friends. Dabei hat er mich genauso geküsst und mir den Joint angeboten und wenn du nicht mit Lacey Locke abgehauen wärst, wär das sowieso nicht passiert!"Victoria sah mittlerweile wirklich verzweifelt aus. "Entschuldigung, es war einfach ---"
"Und dann bei dem Gewitter gestern Nacht. Du bist einfach weggeblieben, ohne dass ich irgendeine Ahnung gehabt hätte, wo du warst! Und ich hab auch noch gewartet! Ich habe immer noch keine Ahnung wie du deine Zeit bis 2 Uhr verbracht hast, aber weißt du was? Es interessiert mich auch nicht. Ich hab sowieso den Überblick verloren mit wem du dich in letzter Zeit umgibst. Wenn so etwas banales wie ein Flaschendrehen-Spiel, bei dem ich nichts falsches getan habe, dich schon dazu bringt, nichts mehr mit mir zu machen ist unsere Freundschaft schwächer als ich dachte!"
Ich merkte nicht, ob ich laut oder leise redete, schnell oder noch schneller, ob V jedes einzelne Wort verstand, aber ihr Gesichtsausdruck zeigte es mir.
Blanker Schock war darauf abzulesen, was ich in irgendeiner moralisch vermutlich verwerflichen Form als Genugtuung empfand.
"Auf Wiedersehen, Victoria."
Diesmal wäre ich diejenige, die sie nicht mehr hörte...
Ich schnappte mir die Tasche, die ich erst vor wenigen Minuten auf meinem Bett abgelegt hatte und stürmte aus dem Zimmer.
"Scarlett! Warte! Bitte!"
... oder nicht mehr hören wollte.

V's Sicht: Das wars.
Sie war einfach raus gerannt.
Warum verstand sie den nicht, dass ich mich schämte, dass eben der Zeitpunkt war an dem ich diesen dämlichen Streit beenden wollte?
Aber sie war nun mal ein Sturkopf, genauso wie ich niemals etwas unvollendetes in Ruhe lassen würde.

Entmutigt hing ich meinen Kopf hin, lehnte mich an die blasse Wand meines Bettes und lauschte dem Nichts. Nur mein Laptop schimmerte im dunkel werdenden Licht.

Als mein Handy auf einmal klingelte.
Ich dachte zuerst an Claire, dann dachte ich an Tanner und somit war ich mir nicht sicher bei wem ich weniger nervös war. Ich drückte auf den grünen Hörer und ging ran.
"Hallo?" Unruhig ließ ich meine Beine hinab baumeln und versuchte, dass Übelkeitsgefühl in meiner Brust zu ignorieren, was Scar vor wenigen Sekunden ausgelöst hatte.

"Ich bins" jegliche Nervosität blich aus meinen Umfeld, es war nur mein Vater.
"Und?" Fragte ich abwartend.
Er war zwar mein Vater, aber nur weil wir aus der selben Familie  stammen musste es nicht heißen, dass er diesen Titel überhaupt würdig war.

"Victoria könntest du mal bitte höflicher mit mir reden ich hatte einen anstrengenden Tag"
" So anstrengenden, dass du mich das erste Mal seit September anrufen kannst?" Er schwieg am anderen Ende und ich wusste, das ich ins schwarze getroffen hatte. So nebenbei erwähnt ich hatte sowieso keine Lust auf ihn, aber es ging ums Prinzip.

"Morgen" er schnaufte auf.
"Was ist mit morgen?" Ungeduldig ließ ich neben bei mein Lappi runterfahren.
"Ich lass dich morgen abholen. Montag wird zu viel Betrieb auf den Straßen sein."
Sein Ernst? Er sagte mir heute Abend bescheid, dass ich morgen früh abgeholt werden würde?
"Dieser Agent wird dich dann zum JFK bringen und von da aus fliegst du dann nach D.C"
Ich wollte ihn sagen, wie scheiße ich seine Idee fand, ich wollte ihn sagen, dass ich nicht sein Besitztum war.

"Muss das sein?" Keine Antwort.
Er hatte aufgelegt. Für ihn stand alles fest.

Scarlett Sicht: Wohin ich genau wollte hatte ich mir bei meinem dramatischen Abgang noch nicht überlegt, daher entschied ich mich kurzfristig für die Bibliothek.
Alec fand ich dort diesmal nicht vor, was in mir für einen kurzen Moment ein Gefühl der Enttäuschung aufrief, jedoch hielt es beim Anblick der interessanten Bücher natürlich nicht lange an.
An Stelle von Alec begrüßte mich nach etwa einer Stunde Bücher über Ballistik und die Beatles und den Doppler Effekt eine andere Person: Emma aus meinem Forensikkurs, mit der ich mich im Laufe der letzten zwei Monate angefreundet hatte.
Es überraschte mich jedes Mal wieder, dass sie Kriminologie studierte, da sie mit ihren runden, weichen Gesichtszügen und den langen braven glatten Haaren viel zu unschuldig aussah, um sich mit so etwas gewalttätigem wie Mordfällen zu beschäftigen.
Auch ihr Charakter war lieb und unaufdringlich, sie war eine nette, schüchterne Person die zu allen freundlich war aber es lieber ruhig hatte und war damit genau die Art von Freundin mit welcher ich momentan meine Zeit verbringen wollte.
Sie setzte sich in einen der gemütlichen Ledersessel gegenüber von mir und wir unterhielten uns über nichts außergewöhnliches (das Wetter, den Besuch ihrer Eltern und jüngeren Schwester, welchen sie für Thanksgiving geplant hatte, Beteuerungen ihrerseits, dass zwischen Josh, dem sympathischen 1,90 m großen Nerd der immer mit ihr abhing nichts lief und die Tatsache, dass ich ihr das nicht abkaufte.), bevor ich ihr letztendlich irgendwann von der Sache mit V berichtete.
"Sei nicht so hart zu ihr, Scarlett, sie wusste es wahrscheinlich einfach nicht besser und war überfordert von der Situation. Aber ihr seit schon so lange befreundet und wegen so einem dummen Streit kannst du das doch nicht einfach aufgeben!"
Natürlich gab Emma mir den Ratschlag, mich wieder mit ihr zu vertragen, aber ich wusste, dass ich dazu noch nicht ganz bereit war.

Wir gingen gemeinsam zum Abendessen, es gab neben dem Truthahn diesmal auch leckere kleine mit Speck umwickelte Mini-Würstchen und ich verbrachte den Rest des Abends mit Emma und Josh in Emmas Dorm Room.

Der nächste Morgen kam als Bestätigung, dass es keinen Sinn gehabt hätte, auf Emma zu hören: V war weg.

Wärt ihr eher Scarlett oder V?💕

Bis sie stirbt Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt