18. Everywhere

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♪ Fortunate Son – Creedence Clearwater Revival


~~~ Eve ~~~


Es war drei Tage nach der Late Late Show, als ich nachmittags einen Anruf von Niall entgegennahm.

„Hey, Eve, bist du schon wach?", begrüßte er mich freudig.

„Wach? Hast du mal auf die Uhr geschaut? Es ist bereits halb zwei", entfuhr es mir erstaunt.

„Sorry, ich habe die ganze Nacht damit verbracht, an einem Song zu arbeiten. Er ist zwar lange noch nicht fertig aber ich würde trotzdem gerne vorbeikommen, um ihn dir vorzuspielen."

Natürlich konnte ich nicht nein sagen, das fiel mir bei Niall immer schwer. Zudem hatte ich nichts Dringliches vor, sodass einem Besuch von ihm nichts im Wege stand.

„Du kannst gerne vorbeikommen", antwortete ich deshalb.

Insgeheim freute ich mich darauf, ihn zu sehen, denn Niall strahlte solch eine Lebensfreude aus, das man automatisch gute Laune bekam, wenn man ihn um sich hatte. Während der letzten Wochen hatte ich gelernt, dass er zwar auf dem Papier erwachsen war, aber in mancher Hinsicht seinen Platz in diesem Leben noch nicht gefunden hatte. So sehr er in seinem Beruf Fuß gefasst hatte, so sehr schwankte er jedoch umher, was sein Privatleben anging.

Niall war noch nicht reif für eine feste, ernsthafte Beziehung mit einer Frau. Ich fand das momentan nicht schlimm, denn er würde seinen Platz oder besser gesagt, seine Eine, die für ihn bestimmt war, noch finden.

Kurz dachte ich an Jeff. Ich hatte mein Glück damals mutwillig verspielt, für eine Nacht, die es nicht wert war. Obwohl Jeff und ich Probleme hatten, so sah ich doch lange Zeit den idealen Partner in ihm. Ob dies ein Trugschluss gewesen war oder nicht, hatte ich bisher nicht herausfinden können. Seit Jahren lebte ich alleine, hielt mich von engen Freundschaften zu Männern fern.

Der erste Mann, der seit langer Zeit in Boxershorts in meiner Küche herumgelaufen war, war tatsächlich Niall. Innerlich musste ich schmunzeln, wenn ich daran dachte, denn uns trennten auf der einen Seite Welten – auf der anderen Seite jedoch standen wir uns sehr nahe. Unsere Seelen verstanden sich blind, unser Humor war sehr ähnlich und manchmal kommunizierten wir einfach nur mit den Augen. So, wie in der Ellen DeGeneres Show. Ich wusste genau, was er erzählen würde und umgekehrt verhielt es sich ebenso.

Niall war ein wundervoller Mensch. Zielstrebig und dynamisch, aber vor allem herzlich und liebevoll jenen gegenüber, die er achtete und mochte. Ich wollte ihn nicht mehr missen. Er war nicht nur mein Songschreiber, sondern auch ein guter Freund geworden. Jemand, dem ich meine Geheimnisse ohne Bedenken anvertraute, so wie die Sache mit meiner Untreue Jeff gegenüber. Niall hatte das gut verkraftet, es tat unserer Freundschaft keinen Abbruch und er verurteilte mich deswegen nicht. Umgekehrt verurteilte ich ihn wegen seiner beiden Frauen ebenfalls nicht. Jeder besaß schließlich seine Macken.

Nach dem kurzen Telefonat begab ich mich in die Küche, um die Erdbeeren zu waschen, die ich heute unter anderem eingekauft hatte. Ich liebte die roten Früchte und vertilgte gerade die vorletzte Beere, als Niall eintraf. Er benutzte nicht die Klingel, sondern den Fingerscan, um sich Einlass in mein Haus zu verschaffen.

„Hey, Eve."

Die Gitarre in der Hand, strahlte er mich an. Seine Haare standen nach allen Himmelsrichtungen vom Kopf ab und seine blauen Augen blitzten unternehmungslustig drein, obwohl sein Gesicht von einer leichten Müdigkeit befallen zu sein schien.

Ohne Umschweife ging er auf mich zu, legte die Gitarre kurz ab und umarmte mich zur Begrüßung, wobei er mir einen Kuss auf die Wange drückte. Ich tat es ihm gleich und schob ihm schließlich die letzte Erdbeere in den Mund, welche er grinsend verspeiste.

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