Hallo Nacht. [Kraftklub]

II

"Trink trink trink!", feuern wir gerade alle im Chor Sven an, der mal wieder eine zu große Klappe hatte und sich unbedingt mit einem anderen Typen im Wett-Exen profilieren musste.

Wir befinden uns in einem ziemlich runtergekommenen Schuppen, der eine kleine Tanzfläche beherbergt, aber hauptsächlich aus der Bar und Stehtischen besteht. Es ist eine Nichtraucherkneipe - oder Club? - weswegen wir im Viertelstundentakt an die frische Luft müssen um weniger frische Luft zu konsumieren, was auch zu diesem unmöglich Wetttrinken geführt hat.

Der Jubel ist groß als unser straßenköterblonder Kumpel als erster sein Bier absetzt und sich mit einem gorilla-artigen Brüllen die Flasche verkehrtherum über den Kopf hält, wie man es beim Flunkyball tun würde. Kaum eine Sekunde später ist auch sein Herausforderer fertig und die beiden geben sich brüderlich die Hand.

"Tja, ich befürchte ich habe eindeutig verloren und muss euch wie versprochen allen einen Jägermeister ausgeben", verkündet der Kerl feierlich und deutet wieder mit rein zu kommen. Das lassen wir uns natürlich nicht zweimal sagen.

Vier Runden Shots später sind Sven und Tessa in Aufbruchsstimmung. Beide machen eine Ausbildung und müssen morgen früh zu ihren Arbeitsstellen, weswegen sie sich nun auch von uns verabschieden. Schade für die beiden, dass kein Wochenende ist, gut für Bea und mich, dass wir Studentinnen sind und so gut wie keine Verpflichtungen haben, und irrelevant für Lenny, der zwar auch schon arbeitet, aber, ob verkatert oder mit Restalkohol, trotzdem immer auf der Matte seines Chefs steht.

"Und was ist mit uns vier Hübschen?", wirft der Wett-Ex-Verlierer, welcher sich mittlerweile als Lars vorgestellt hat, in unsere Runde der Hinterbliebenen.

"Weiß nicht, auf die Bars, die ich so kenne, hab ich grad eigentlich gar keinen Bock", meint Bea und Lenny und ich nicken zustimmend.

"Mhh, kennt ihr die eine Kneipe da.. ich weiß gerade nicht wie sie heißt, aber die ist bloß zwei Straßen weiter und da sind die Getränke ganz billig," schlägt Lars vor und fährt fort. "Kann gut sein, dass ich da auch wen kenne und wir uns so noch an einen Tisch mogeln können."

Die Entscheidung ist schnell gefallen und wir machen uns leicht angetrunken auf den Weg zur nächsten Station der heutigen Nacht. Es ist 00:34.

Bei Lenny untergehakt beobachte ich die beiden vor uns. Bea und Lars scheinen sich besser zu verstehen als anfänglich gedacht und nun ist es umso unterhaltsamer den beiden beim Flirten zuzusehen.

Gleichzeitig werde ich allerdings auch ein wenig melancholisch, denn mit meinen 21 Jahren hatte ich bis zum heutigen Tage noch keinen Freund, was mir hin und wieder doch sehr zu denken gibt. Es ist gar nicht mal das Verlangen danach einen Freund zu haben, sondern viel mehr die Sehnsucht nach ein bisschen Zärtlichkeit und Aufmerksamkeit, die exklusiv und nur für mich ist. Klar, Lenny und mich verbindet etwas besonderes, wir flirten und albern viel herum, doch für mich steckt da kein Reiz dahinter, ich finde ihn nicht auf diese Weise anziehend. Und er mich vermutlich auch nicht, sonst hätte er nicht so ein wildes Liebesleben. Aber schließlich sieht Lenny auch nicht schlecht aus, wie kann man es den Mädels da verübeln.

Er hat hellgraue Augen, kastanienbraune, wirre Haare und ein kantiges Gesicht, dazu ist er immer sportlich cool angezogen, mit einem Charakter aus Gold. Da frage ich mich, was ich mir eigentlich mehr wünsche, doch ich kann es mir nicht selbst beantworten.

"Erde an Elena?", holt mich Lenny aus meinen Gedanken zurück und wedelt mit seiner Hand vor meinem Gesicht herum. "Wir sind da, die anderen beiden sind schon drin. Rauchst du noch eine mit mir?"

"Ja, klar" nicke ich und will mir gerade eine Zigarette herausholen, da steckt mir schon eine zwischen den Lippen. Ich bedanke mich still mit einem Lächeln und lasse meinen Blick über die leere Straße schweifen. Im Hintergrund hört man die Stimmen und Musik aus der Bar, doch die Straße wirkt wie tot, alles Leben spielt sich jetzt in den wenigen nachts geöffneten Lokalitäten ab.