24.Kapitel - Die Warheit

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"Nefes, es ist nicht so leicht, das alles zu erklären.", seufzte er.
"Baba, bitte. Ich will es endlich wissen.", flehte ich ihn an.
"Kızım, ich weiß nicht, ob das so richtig ist."
"Baba was ist denn geschehen, dass du so darüber denkst?"
Und dann sagte ich Dinge, die niemand von mir erwartet hätte und somit mein Vater in einer Zwickmühle steckte.
"Baba, tut mir Leid. Aber wenn ich die Wahrheit nicht weiß, werde ich hinter Mahir stehen und wenn es sein muss, werde ich mit ihm abhauen. Es ist schwierig zu begreifen, dass die Tochter verliebt ist. Aber ich bin es zum ersten und letzten Mal. Ein Leben ohne Mahir ist für mich nicht mehr vorstellbar. Baba ich sage es zum letzten Mal: Entweder erzählst du mir das Geschehen oder du kannst mich vergessen."
Selbst ich war über meine Worte schockiert, doch alles entsprach der Wahrheit.
Ich sah es ein. Ohne Mahir gab es keine Nefes.
Ich sah Tränen in den Augen meines Vaters.
"Kızım, wieso er? Das wird nicht klappen.", schüttelte er seinen Kopf.
"Baba, hast du Mama ausgesucht als du dich in sie verliebt hast?"
Er schüttelte seinen Kopf.
"Baba ich habe zwar keine Erfahrungen damit, aber das Verlieben fängt nicht im Kopf sondern im Herzen an. Das ist mein Schicksal baba. Ihn zu lieben. Es ist mir unangenehm mit dir darüber zu sprechen, aber ich will, dass du mich verstehst."

"Du bist meine einzige Tochter und bist 23 Jahre alt. Es ist normal, dass du dich verliebt hast. Das ist auch nicht das Problem. Mahir ist das Problem. Ich hätte so sehr gewünscht, dass es ein anderer ist."
Ich bekam Tränen in den Augen.
"Baba kalbime söz geçiremiyorum." (1)
(Sinngemäß: Ich kann mein Herz nicht beeinflussen.)
"Ich kann dich verstehen, meine Prinzessin. Aber das ist nichts harmloses, was passiert ist. Du wirst daran zerbrechen, ich weiß es."
Was könnte den passiert sein, dass ich daran zerbrechen werde?
Wieso ist das alles passiert?
Wird unsere Liebe alles überstehen können?
Ich wünschte, Mahir wäre hier neben mir. Ich brauche ihn. Ihn und seine Unterstützung.
"Ich riskiere das und werde es einsehen baba. Ich habe zwei Wochen lang gewartet.", erwiderte ich.
Ich wollte es wissen und meiner Meinung nach ist es mein Recht, es zu erfahren.
"Ich kann dir aber nicht versprechen, dass alles gut laufen wird. Das ich Mahir akzeptieren kann und dich ihm gebe.", vergewisserte er mir.
Er will mich ihm nicht geben?
Wenn nicht er, wer dann?
Für mich kommt niemand außer Mahir infrage.
Schweren Herzens nickte ich.
"Davor möchte ich dir die Geschichte von deiner Mutter und mir erzählen.", fing er an, doch ich seufzte.
Wieso zog er alles in die Länge?
Ich wollte die Wahrheit jetzt erfahren.
(Ich will euch aufregen 😈😂❤)

(1): Wenn jemand eine bessere Übersetzung weiß, dann bitte ich die Person zu kommentieren. 😊❤

"Baba, wieso erzählst du mir nicht erst das Geschehen, dann eure Geschichte?", versuchte ich ihn umzustimmen, doch ein Blick von ihm hat ausgereicht, um nicht weiter zu handeln.
Off. Mir kam Mahir in den Sinn. Immer wenn ich geseufzt hatte, meinte er, ich soll nicht seufzen. Das waren schöne Tage und Erlebnisse. Ich würde so gerne wieder mit ihm glücklich sein, ohne an Probleme zu denken.
"Nefes? Hörst du mir zu?", winkte mein Vater seine Hand vor meinen Augen.
"Eh.. ja."
Er zog seine Augenbrauen zusammen.
"Wo warst du mit deinen Gedanken?"
Ich blieb still. Das konnte und wollte ich ihm nicht sagen.
Er seufzte und verstand, dass ich an Mahir gedacht hatte.
Irgendwie schämte ich mich. Doch ist lieben nicht normal? Wieso sollte ich mich für meine Liebe schämen? Doch wenn man mit dem Vater darüber sprach, war das Schamgefühl selbstverständlich.
"Und wie habt ihr euch kennengelernt?", lenkte ich vom Thema ab.
Mein Vater fing an zu lächeln.
"Damals war ich im Alter von 24 und deine Mutter 20. Sie war wunderschön. Schon als ich sie zum ersten Mal sah, wusste ich, dass sie die Richtige ist. Damals habe ich mit meinen Eltern in Istanbul gelebt. Ich wollte in den Urlaub, weswegen mich meine Eltern ins Dorf geschickt haben. Heute ist es anders, doch zu dem Zeitpunkt musste ich mich damit zufrieden geben, sonst müsste ich in Istanbul bleiben und arbeiten. Als ich dort ankam, wartete meine Großmutter auf mich. Ich zog bei ihr für vier Wochen ein. Doch auch dort musste ich arbeiten. Früh am Morgen um sechs Uhr wurde ich geweckt und musste zum Feld für den Ackerbau. Ich war wütend, weil ich darauf keine Lust hatte und bin einfach rausgegangen. Ich fluchte vor mich hin und übersah dabei deine Mutter, die mit einem Krug Milch an mir vorbei lief. Ich rempelte sie an und dabei fiel ihr Krug auf den Boden. Sie schrie mich an, wieso ich so unaufmerksam sei. Doch ich war zu dem Zeitpunkt so dumm und habe meine Wut an deiner Mutter rausgelassen. Doch als ich ihr in die Augen sah, war meine Wut wie weggeblasen. Sie seufzte und meinte, was sie jetzt tun solle. Ich entschuldigte mich und fragte sie, ob ich ihr helfen könne. Sie lehnte ab und lief weiter. Ich verfolgte sie und wollte wissen, aus welcher Familie sie kommt. Als sie meine Großmutter begrüßte, war ich glücklich, denn sie kannten sich. Plötzlich entschuldigte sie sich, weil sie keine frische Milch dabei hatte und erzählte den Vorfall. Als mich meine Großmutter bemerkte, stellte sie mich deiner Mutter vor, die etwas schockiert war, da sie von meiner Anwesenheit nichts wusste, doch aus Scham senkte sie ihre Blicke. Ich lächelte vor mich hin. So unschuldig, so rein, dachte ich mir. Meine Oma hatte meine Blicke zu dem Zeitpunkt bemerkt und meinte, sie würde mir im Feld helfen. Ganze vier Wochen ging ich auf's Feld und arbeitete bis in die Nacht durch, nur um mit deiner Mutter zu sein. Ich merkte immer mehr, dass ich mich in sie verliebt hatte. Fünf Tage vor meiner Abreise äußerte ich ihr meine Gefühle, doch sie wies mich ab. Wir wären zu unterschiedlich: sie ist nur eine Arbeiterin und ich der Enkel des Feldbesitzers. Ich sah das nicht ein und erzählte meine Gefühle deiner Urgroßmutter. Sie war damit einverstanden und versprach mir, mit der Familie zu sprechen. Zurück in Istanbul wollte meine Mutter, dass ich heirate und organisierte ein Treffen mit einer Frau aus der Umgebung. Ich ging nicht zum Treffen, denn sie hat mich nicht interessiert. Stattdessen rief ich meine Großmutter an und fragte nach, was geschehen sei. Die Familie wollte noch nicht die Tochter her geben. Ich sprach mit meiner Mutter und erzählte ihr über deine Mutter und sie akzeptierte es, da sie nur mein Glück wollte. Zwei Jahre lang wartete ich auf deine Mutter und jedes Jahr flog ich ins Dorf um sie zu sehen und arbeitete im Feld. Ich wusste, sie liebte mich auch. Ich machte ihr Überraschungen und am Ende einen Heiratsantrag, den sie annahm. Der Onkel war gegen uns, doch ich habe ihm das Gegenteil bewiesen. Dass ich sie liebe und nicht ausnutze, dass ich für sie sterben würde. Am Ende kam es dazu, dass wir geheiratet haben und ich wegen meiner Arbeit hierher ziehen musste. Und jetzt sind wir glücklich und besitzen euch."
Wow. Mein Vater hat zwei Jahre lang auf meine Mutter gewartet?

"Baba lass mich dann auch mit Mahir eine Geschichte haben, die ich später einmal meinen Kindern erzählen kann wie du mir. Ihr seid auch gegen uns und wir können euch das Gegenteil beweisen.", sprach ich hoffnungsvoll.
Er schüttelte seinen Kopf und seufzte.
"Wenn es nur das eine wäre. Wenn es nur dasselbe Problem wäre. Es ist etwas, was über Generationen andauert."
"Baba ich will endlich die Wahrheit wissen, bitte.", bat ich ihn.
Er nickte.

"Mein Großvater und meine Großmutter wurden zwangsverheiratet, wobei er 20 und sie erst 15 war. Er dachte, er würde sie lieben, doch das ging nicht. Er hatte sich in sie nicht verlieben können. Doch meine Großmutter tat es. Sie hatte sich in ihn verliebt und hatte Hoffnungen, er würde sie auch lieben. Als meine Großmutter 20 Jahre alt war, hatte sie schon vier Kinder auf die Welt gebracht und kümmerte sich nebenbei um den Haushalt. Mein Großvater musste aufgrund seiner Arbeit in eine andere Stadt und lernte dort die Großmutter von Adnan (Mahir's Vater) kennen. Er verliebte sich in sie und sie in ihn. Beide wurden zwangsverheiratet, doch liebten sich. Sie kamen sich etwas näher, doch nicht weiter, denn sie wussten, es ist falsch. Ein Tag vor der Abreise meines Opas saufte er sich voll und ging in das Zimmer von ihr. Er begann einen Fehler. Er wollte sowas nicht tun, doch er war vollbetrunken und konnte nicht klar denken. Er- er hat sie vergewaltigt.", legte mein Vater eine kurze Pause ein.
Was? Eine Träne verließ meine Augen.
"Er entschuldigte sich zig Mal bei ihr, doch was bringt ihm diese Entschuldigung? Sie taten so, als ob nichts wäre. Doch sie wurde schwanger von meinem Opa. Das wusste man, weil ihr Mann meinte, sie sind sich  seit mehreren Monaten körperlich nicht nah gekommen. Alles führte zu einem Chaos. Anfangs blieb sie still, doch im Nachhinein gab sie auf und gab den Namen meines Opas ihrem Vater. Er fand ihn und verprügelte ihn. Doch das reichte nicht aus. Er wollte mehr. Er wünschte ihm den Tod. Er wurde umgebracht. Die schwangere Frau musste gegen ihren Willen abtreiben. Ihr Vater sah sie als eine Schande und konnte damit nicht leben. Jeder beeinflusste ihn. Sie lästerten hinter ihr her und man organisierte eine Familienversammlung. Man schlussfolgerte, dass sie ebenfalls umgebracht werden muss und man erschoss sie. Doch unsere Familie sah das nicht ein. Er hatte ihr was Schlimmes angetan, doch durch eine zweite Ehe würde man das verdecken können. Dann hätte er einfach zwei Frauen. Somit wollte unsere Familie sich von der Familie Çetin rächen. Sie wollten einen männlichen Familienangehörigen umbringen, da sie sich dachten, dass eine Frau einen Mann nicht gleichstellt. Wenn wir einen Mann verlieren, müssen sie es auch tun. Da meine Großmutter als eine Witwe zurückblieb, brachten sie den Mann von Hayriye um. Das ist die Schwester von dem Vater, der unseren Opa getötet hat.
Die Familien kamen damit nicht zurecht und wollten jemanden aus unserer Familie umbringen, doch nach einem weiteren Mord sah man an, dass das nichts brachte. Die Familienoberhäupte versammelten sich und man kam zu einem Entschluss: Zwischen den Kinder beider Familien darf nichts laufen und die Familin werden bis ans Ende dieser Welt verfeindet bleiben."

1736 Wörter

Was denkt ihr über die Situation der Familien?
Könnt ihr den Hass nachvollziehen?
Werden die Beiden es trotzdem schaffen?

Veröffentlicht: 14.08.2017

Verbotene Liebe Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt