Für einen Moment schien die Zeit inne zu halten und zu warten. Alles war eingefroren in der Bewegung. Selbst der Wind schien den Atem anzuhalten. Wir befanden uns vor dem Eingang eines Hauses, welches mir sehr bekannt vorkam. Es war unser Haus. Das Haus in dem meine Familie und ich wohnten, nur wirkte es wie aus einer anderen Zeit. Es hatte die gleiche hellgrüne Wandfarbe, dieselben abgetretenen alten Stufen, die zur Haustür führten, ja sogar der grimmig blickende Gartenzwerg, den ich als ich klein war Billy getauft hatte, stand an derselben Stelle. Doch vor dem Haus stand ein großer kräftiger Ahornbaum, den ich mein ganzes Leben lang noch nie gesehen hatte und darunter saß eine alte Dame, die in der Bewegung erstarrt, lächelnd zu uns hinüberwinkte. Bei dem Anblick der Dame regte sich irgendwas in meinen Hinterkopf, aber ich bekam es nicht zu fassen. Das Lächeln mit den vielen Lachfalten, die wachen grünen Augen, das hellblonde Haar, das ihr in langen Locken den Rücken herunterfiel, ihre Körperhaltung, selbst das weiße Kleid, das sie trug. Sie wirkte so unglaublich vertraut und doch...... kannte ich sie nicht.
„Wo sind wir?", riss mich Mos Stimme aus meinen Gedanken und erinnerte mich daran, dass ich nicht alleine hier war. „Bei mir zuhause", murmelte ich und sah ihn von der Seite an.
,,TIMOTHY?!",rief ich aus, als ich realisierte das kein Junge, sondern ein Fuchs neben mir stand.
„Wer denn sonst? Ich habe doch gesagt, dass du mich in einer anderen Gestalt kennst, da dachte ich du kommst sicher von selbst darauf, aber anscheinend habe ich mich geirrt. Dir muss man wirklich immer alles haarklein erzählen?!", fauchte er irritiert. „Tut mir leid, wenn ich sowas nicht gewohnt bin. Mein Leben war nicht so verdammt kompliziert, wo Füchse mit mir reden und dann noch nicht einmal immer ein Fuchs sind!", gab ich sauer zurück und verschränkte meine Arme.„Wen haben wir denn da?" Erschrocken drehten wir uns beide zu der Dame hin, die auf einmal vor uns stand. „Wie heißt du denn?", fragte sie freundlich. Ich öffnete schon den Mund um ihr zu antworten, als mir jemand anderes zuvorkam. „Nyota", sagte der Jemand. Nyota war hier! Sofort drehte ich mich um und blickte in dunkelblaue Augen und taumelte vor Überraschung zwei Schritte zurück, sodass ich mit der Dame zusammenstoßen hätte müssen. Stattdessen glitt ich durch sie hindurch wie ein Geist und brachte kein Wort mehr heraus. Ich konnte einfach nur stumm den Jungen betrachteten, der mich im Gegensatz wahrscheinlich gar nicht wahrnehmen konnte. Trotzdem konnte ich nicht anders als ihn anzustarren. Selbst Timothy schien zu merken, dass etwas nicht stimmte und blieb still.
Der Junge hatte verwuscheltes schwarzes Haar, das ihm teilweise über die Augen fiel und diese Augen! Sie waren so kalt und hart, voller Hass. Neben ihm stand ein großer Mann, der in einem schwarzen Anzug gekleidet war. Wie eine Statue stand er da und ließ Nyota nicht eine Sekunde aus seinen silbernen Augen. Davon ließ sich die Dame allerdings nicht abschrecken. „Wie alt bist du denn", fragte sie sanft und streckte ihre Hand aus um dem Jungen durch seine schwarzen leicht lockigen Haare streichen. Doch dieser stoppte sie mitten in der Bewegung. „Ich beantworte deine Fragen, aber Fass mich nicht an", sagte er kühl und drohend. Dann ließ er sie los, als hätte er sich an ihr verbrannt und trat von ihr weg. „Ich bin Neun", sagte er anschließend und sah weg.
„Ah ja. Bring ihn rein", sagte die Dame gepresst mit traurigen Augen an den Mann gewandt, welcher den Jungen sanft an den Schultern packte, um ihn vor sich her zu schieben. Der Junge jedoch machte sich los und rannte ohne ein Wort durch die offene Haustür. „Wartet", sagte die Dame, als der Mann dem Jungen schon hinterherlaufen wollte. Ein schmerzhafter Ausdruck huschte über sein Gesicht. „Lasst ihn. Er scheint Ruhe zu brauchen und vor allem Liebe. Kein Junge sollte so verloren aussehen unter all dem Hass, den er nach außen zeigt. Erzählt mir wer er ist und weshalb du ihn zu mir bringst ", verlangte die Dame.
Unterwürfig kniete sich der Mann vor sie hin. „Ihr müsst mir helfen, Gedankenweberin. Er muss vergessen, sonst hat er keine Chance. Er hat so viel Schlechtes gesehen und am eigenen Leib erlebt. Er glaubt mir nicht mal mehr das ich es gut meine..." Er brach ab. Zitternd holte er kurz Luft. "Wir mussten seinen Bruder zurücklassen.", krächzte er als bekäme er keine Luft und sah zu Boden. „Angefleht hat er uns, nicht ihn, sondern seinen Bruder zu retten, aber wir konnten das nicht. Es war unsere Aufgabe ihn zu beschützen und selbst das wäre uns beinahe misslungen.", sagte er traurig und schüttelte seinen Kopf. „Nur dank meines besten Freundes haben Nyota und ich es geschafft. Er hat dafür sein Leben gegeben und ich würde das auch. Versteht ihr Gedankenweberin?!" Der Mann war den Tränen nahe. Er sah miserabel aus. Kaputt. „Ihr müsst dafür sorgen das es ihm gut geht! Ihr müsst!", flehte der Mann, dessen Wangen nun echte Tränen benetzten. „Bitte", sagte er gebrochen.
„Mein Herr. Ich weiß nicht woher du diesen Namen von mir weißt und ich fühle mit dir um deinen Freund, aber ich habe mir geschworen niemanden mehr vergessen zu lassen. Die Person verliert seine Identität. Versteht ihr. Manche erholen sich niemals mehr davon. Deshalb bitte, ich bin nicht mehr die Gedankenweberin. Nur eine normale alte Frau, die sich daran erfreut bald eine Enkelin zu haben", sagte sie sanft lächelnd.
Verzweifelt warf sich der Mann an ihr schlichtes weißes Kleid. „Bitte ihr müsst ihm helfen. Er....kann nicht einmal......mehr lächeln", schniefte der Mann. „Er hatte so ein schönes unbesorgtes Lächeln. Doch es ist weg!"Betroffen kniete sich die Dame zu dem Mann hinunter. „Ist das was er gesehen hat wirklich schlimmer, als seine Identität zu verlieren und nochmal neu anfangen zu müssen", flüsterte die Dame leise und nachdenklich. „Wenn es bedeutet das er ohne Furcht und Schmerz leben könnte. Das er mit Liebe umgeben sein könnte, das er wieder lächeln könnte...."
„Er würde auch dich vergessen. Wäre das in Ordnung?", flüsterte die Dame und strich vorsichtig die Tränen des Mannes weg.
„Ich will nur das es ihm gut geht. Er ist alles was geblieben ist", sagte er schluckend und entzog sich ihrer Hand. „Werdet ihr mir helfen", fragte er mit fester Stimme und Hoffnung in den Augen. Seufzend stand die Dame auf. „Ja das werde ich, aber wenn er so in Gefahr ist, dann sollten wir zu seinem Schutz vielleicht drinnen weiterreden"Damit verschwanden auch sie in dem Haus. Nur Timothy und ich blieben zurück. Noch immer konnte ich mich nicht rühren. Mein Kopf fühlte sich an als würde er in tausend Teile zerfallen. Den Jungen den ich gesehen hatte. Als ich in seine Augen gesehen hatte, da...... Nyota. Er war.....er war....
IchOk eigentlich sollte dieses Kapitel anders enden, aber ich finde diesen Kliffhangar einfach zu gut. ^^'
Ich hoffe das Kapitel hat euch gefallen.
Jetzt wisst ihr auch, warum Felix sich nicht mehr an seine Kindheit erinnern kann.
Und soviel ist wahrscheinlich eh deutlich geworden. Es war keine schöne Kindheit.
Alles Liebe
Eure Marienkaefer4
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Twin Soul
FantasyTonaufnahme Beginn/ Gehen wir davon aus, dass jeder Mensch eine Seele,eine Soul, besitzt. Der normale Mensch jedenfalls. Einige wenige unter uns sind aber nicht normal. Man nennt uns Twin Souls. Wir sind Seelen, die zweimal geboren wurden und jewe...