40. Der blaue Schlafanzug

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Knurrend drehte das Wesen seinen eulenartigen Kopf zu uns, als es sich unserer Anwesenheit gewahr wurde. Es hatte einen langen katzenähnlichen Körperbau mit breiten Bärentatzen und sein ganzer Körper war mit blauen Federn bedeckt. Hinter ihm schweifte ein zweigeteilter Schwanz mit kristallenen scharfen Spitzen hin und her.

Heulend richtete es sich auf die Hinterpfoten auf und es wurde deutlich, dass es mindestens dreimal so groß war wie ich, wenn nicht größer. Kreischend stellte es die Federn auf, welche sich zusätzlich in scharfe Spitzen verwandelten. Dann sprang das Wesen mit kurzen kräftigen Sprüngen auf uns zu. Wunderschön wäre es anzusehen gewesen, hätten seine Augen nicht in einem fiesen mörderischen Rot geleuchtet.

Bei uns angekommen, hakte es mit seinem Schnabel nach mir, dem ich auswich, indem ich mich gerade noch rechtzeitig zur Seite warf. Trotzdem riss mir der Schnabel ein Loch in mein übergestreiftes Hemd, worunter nun mein blauer Schlafanzug aufblitzte. Das Wesen konnte blau anscheinend nicht leiden, obwohl es selbst blaue Federn besaß. Jedenfalls wirkte das Blau, wie ein Magnet auf das Wesen. Es schenkte mir seine ganze Aufmerksamkeit, jagte mich quer über die Lichtung und hakte immer wieder nach der Stelle, durch die der blaue Stoff meines Schlafanzugs zu sehen war.

Ein Schrei von der linken Seite ließ mich und das Wesen herumfahren. Dort stand Michael und hielt als heroische Waffe, einen großartigen, phänomenalen....äh...Stock und stach damit nach dem Wesen. Dies lenkte ziemlich erfolgreich seine Aufmerksamkeit von meinem tollen Schlafanzug auf Michael, machte es aber auch echt wütend.

Es holte zum Schlag mit seiner großen Tatze aus, stoppte jedoch plötzlich mitten in der Luft. Horchend legte es den Kopf schief und wandte mit gelb flackernden Augen seinen Kopf zu Mo, der irgendwie traurig einige Meter entfernt stand.
„Eve?", flüsterte er.
Ein weiteres Flackern.
„Werde nicht zu dem, was der Rote Fluch mit dir machen will", flehte Mo und ging vorsichtig auf das Wesen Eve zu.
Kurz wurden die roten Augen zu einem klaren Gelb, bevor sie sich trübten. Rot, dunkler und glühender als zuvor machte sich breit und mit einem Schrei rannte das Wesen auf Mo zu.

Trauer blitzte durch Mos Augen, welche sich darauf verhärteten.
„Du bist nicht mehr Eve. Nicht mehr das Jeiru das ich kannte. Der rote Fluch hat dich geholt. Ich werde dich von deiner Last erlösen wie ich es auch bei Elaramir hätte tun sollen", sagte Mo gequält und schloss seine Augen, während das Wesen sich auf ihn stürzte.

Mo erzitterte.
Seine Beine dehnten sich in die Länge, seine Wirbelsäule begann sich durchzubiegen, das rote kurze Haar breitete sich aus, verformte sich und nahm die Form von Federn an. Zum ersten Mal erlebte ich, wie er sich verwandelte. Staunend konnte ich nur zusehen, wie er sich in dasselbe Wesen verwandelte, dass ihn angriff. In ein Jeiru.

Die beiden krachten so hart ineinander, dass die Erde unter uns bebte. Verbissen rammte Mo das andere Jeiru in die Schulter und brachte es damit ins Stolpern. Dieses schaffte es sich zu fangen und ließ seine Stachelfedern direkt vor Mos Eulengesicht vorbeizischen, doch Mo wich gekonnt aus. So ging das eine Weile hin und her. Das Jeiru griff an, Mo wich aus, dann startete Mo einen Gegenangriff und das Jeiru wich aus. Sie wirkten ebenbürtig.

„Sollten wir ihm helfen?", fragte Michael mich und hielt seinen Stock hoch.
„Ich könnte es wieder piksen und es damit kurz ablenken"
„Super Idee, Michael, mische dich in einen Kampf von zwei Wesen ein, die dich ohne es zu bemerken zertreten könnten. Mit dem Stock müsstest du viel zu nah heran, aber ich habe eine Idee", murmelte ich und zog mein schwarzes Hemd, dass ich mir achtlos übergezogen hatte, aus.
„Äh ich denke das ist jetzt nicht der richtige Zeitpunkt, um sich auszuziehen", kommentierte Michael mein Tun und sah mich an als wären mir zwei Hörner oder so auf der Stirn gewachsen. Ich ignorierte ihn und streifte auch meine Jeans aus. Wenn ich richtig lag und das Wesen auf die Farbe Blau wie ein Stier auf die Farbe Rot reagierte, dann würde es auf jeden Fall für einen kurzen Moment abgelenkt sein. Also los, wer hat eine lebende Zielscheibe bestellt?

Twin SoulWo Geschichten leben. Entdecke jetzt