63. Wanderne Bibliothek

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„Wofür bin ich zu spät? Und wieso wurde ich erwartet?", fragte ich das seltsame Mädchen vor mir, dass keine Probleme dabei hatte den Stapel Bücher auf ihren Kopf zu balancieren während sie vor mir durch die Gegend wuselte und scheinbar etwas suchte.
„Stimmt das weißt du ja noch gar nicht", meinte sie nebenbei als sie einen Blumentopf anhob um darunter die Bücher durchzugehen.
„Vielleicht bist du dann doch zu früh?", grübelte sie und musterte mich kurz, bevor sie mit den Schultern zuckte. „Nun ja aber du bist hier, was bedeutet es ist so weit. Ich sollte mich vorstellen, oder?" Tacheus, dieses Mädchen verwirrte mich. War ich jetzt zu spät oder zu früh? Und wofür überhaupt? Es war soweit?
„Ja ich glaube das wäre gut", murmelte ich. Immerhin wüsste ich dann wie dieses seltsame Mädchen hieß.

„Hi, ich bin Laura, Sternentänzer", sagte das Mädchen, das nun unerwarteterweise vor mir stand und mir freudig ihre Hand hinstreckte. Sie wartete gar nicht auf meine Reaktion, sondern schnappte sich einfach meine linke Hand und schüttelte sie. „Freut mich deine Bekanntschaft zu machen Felix. Die Sterne haben dich schon seit langem angekündigt. Dich endlich kennen zu lernen, bedeutet es ist schon sehr viel Zeit vergangen oder?" Fragend blickte sie mich an.
„Äh keine Ahnung", antwortete ich perplex.
„Hmm...hmm..hmm", summte sie während sie einen nachdenklichen Blick im Gesicht hatte.
„Kennst du Timothy? Ist er immer noch so ein süßer Babyfuchs?"
Timothy ein Babyfuchs? Eher nicht. Wie alt musste dieses Mädchen sein, dass gerade mal aussieht als wäre es sechszehn? Müsste sie nicht mindestens wie eine alte Vettel aussehen? Schon gar nicht sollte jemand der so alt ist in der Lage sein so viel Energie auszustrahlen. Laura hatte komplett glatte Haut, lockige braune Haare und ebenso braune Augen. Die einzigen Falten in ihrem Gesicht waren Lachfalten.
„Wenn wir von dem gleichen Timothy reden...", begann ich vorsichtig und betrachtete die Reaktionen des Mädchens, welches mich nur äußerst neugierig anblickte. ,,.... dann ist dieser ganz sicher kein Baby mehr. Ich würde ihn auch nicht als Kleinkind bezeichnen, eher als jemanden der ungefähr auf dem Altersstand ist wie ich." Timothy hatte zwar gesagt er sei hundertundacht Jahre alt, aber er hatte auch gesagt, dass die Aceus anders alterten und dass er umgerechnet ungefähr achtzehn war.

„Wirklich, oh weh wie die Zeit vergeht. Jetzt ist es offiziell, Pebbles, ich bin eine richtig alte Schachtel, aber du genauso", sagte Laura, jedoch nicht zu mir, sondern zu dem noch immer mit Büchern überfüllten Pferd, welches anscheinend Pebbles hieß. Es war ja auch völlig normal das ein Pferd in einer Bibliothek steht und dass man sich mit diesem unterhält ist schließlich nur höflich......oder so? Vielleicht war es ja ein Aceus wie Timothy?
,,Kennst du Timothy wirklich aus der Zeit als er noch ein Baby war? Denn das würde bedeuten, dass du älter als hundertundacht sein müsstest"
,,Das bin ich. Ich bin hundertsechsundzwanzig. Als Timothy ein Baby war, war ich genau achtzehn Jahre alt.", meinte sie.
,, Aber.... aber wie ist das möglich?" Sie war doch eindeutig ein Mensch oder nicht? Kein Mensch lebte so lange! Geschweige denn sah dabei noch so jung aus!
,,Es ist die wandernde Bibliothek. Die Zeit vergeht hier anders. Man altert hier anders. Manchmal glaube ich man wird hier sogar langsam jünger und nicht älter. Jedenfalls lebe ich schon hier seit ich damals von dem König von Lotha gehängt werden sollte. Seitdem war ich die meiste allein hier, nur hin und wieder kam ein Suchender nach Wissen und jedes Mal habe ich es als meine Aufgabe gesehen zu helfen. Inzwischen sehe ich mich als die Bibliothekarin an, denn ich weiß wo ich jedes Buch finden kann oder zumindest ungefähr den Ort an dem ich danach suchen muss...."

„Du solltest gehängt werden? Wieso?!", unterbrach ich sie. Ich konnte mir nicht vorstellen, dass man so etwas mit einem Sternentänzer hatte machen wollen. Sternentänzer waren doch so selten und wichtig. Wie konnte es dann dazu gekommen sein, dass Laura gehängt werden sollte?
„Ich habe eine Weissagung gemacht, die der damalige König James Crown sehr persönlich genommen hat. Sagen wir so, er hat sich angegriffen gefühlt und ein Angriff auf den König wurde zu seiner Regierungszeit auch bei Sternentänzern mit dem Tod geahndet", meinte sie und schüttelte den Kopf. „Dabei kann ein Sterntänzer nicht mal etwas für seine Weissagungen.", murmelte sie. „Aber es hat mir eigentlich mein Glück im Leben beschert. Nur wegen diesem Vorfall bin ich an einen solch wundervollen Ort gelangt und habe jedes Buch, das es in der Weltgeschichte gab, durchgelesen, denn jeder jemals geschriebene Text landet hier. Man könnte sagen dies ist ein Ort der Erinnerung. Es gibt hier sogar noch Geschichten aus der Zeit vor den Aceus, vor der Seelenenergie, eine Zeit in der es Länder wie Amerika und Deutschland gab, welche sogar durch so viel Wasser getrennt waren, dass man durch den Himmel hatte fliegen müssen", schwärmte Laura während sie von diesen wunderlichen Dingen redete. Was war bitte ein Deutschland?
„Das klingt alles nicht sehr glaubhaft", sagte ich und schaute mich nach einem Ausgang um. Vielleicht könnte ich einfach wieder gehen. Leider konnte ich nirgends eine Tür entdecken. Selbst aus der Richtung, aus der ich gekommen war, befand sich kein Ausgang mehr.
„Aber nur weil du keines der Bücher selbst gelesen hast", widersprach mir Laura. „Wenn du das getan hättest, dann würdest du anders denken. In einem Buch befindet sich sogar eine Anleitung darüber wie diese Flugzeuge gebaut worden sind und es wird erklärt warum man damit fliegen kann. Es ist wirklich sehr sehr interessant", versicherte sie mir und wollte mir eine Reihe von Büchern in die Hand drücken.

„Äh lass uns lieber darüber reden, warum es keinen Ausgang aus dieser Bibliothek zu geben scheint..."
„Ach das ist logisch. Was meinst du warum es die wandernde Bibliothek heißt? Natürlich weil die Bibliothek andauernd ihren Standort wechselt....das heißt es entsteht immer woanders ein Eingang beziehungsweise Ausgang."
„Nicht dein Ernst?! Und wie soll ich jetzt zurückkommen?"
„Geduld wirst du haben müssen. Wie gesagt die Zeit vergeht hier anders. Also vermutlich wirst du wenn du wieder gehst, eventuell eine Stunde weg gewesen sein, obwohl du vielleicht Tage hier gewesen bist.."
„Tage.....", wiederholte ich fassungslos. ,,Willst du damit sagen, dass ich hier mehrere Tage bleiben muss, bevor sich wieder eine Tür zur Akademie öffnet.
„So ungefähr....Ich meine wenn du Glück hast, sind es nur zwei oder drei Tage. Also hab dich nicht so und lass uns endlich über die wichtigen Dinge reden. Felix, die Weissagung von damals war schon immer auch für dich bestimmt gewesen. Du musst sie hören..."

Der hinterm Rotem Fluche thront
Die Aceus und die Welt bedroht
Sich leichtfertig jedes Leben nimmt
Dessen Tat nicht in der Zeit verinnt

Der hinter der echten Wahrheit steht
Sich an keinem Verbrechen vergeht
Sich versteckt in Schnee und Eis
Sie beschützen muss um jeden Preis

Dem einem soll gegeben sein
Der tödliche verheerende rote Schein
Der andere weiß es nicht
Doch in ihm schimmert blaues Licht

Ein Kampf entbrannte
Rot all seine Kraft aufwandte
Und Blau aus dem Land verbannte
Hinter ihm den Tod nach ihm entsandte

Doch Blau unauffindbar verschwand
Und wie die Zeit verann
Die Erinnerung an die Wahrheit im Sand versank
Bis neues Blau auf Rache sann

Ein neuer Kampf steht an

Twin SoulWo Geschichten leben. Entdecke jetzt