15. Das, in dem Bill schlafwandelt

172 2 0
                                    

*15.Kapitel*

„Na dann ciao und noch viel Spaß im Urlaub!" Dann schloss sich das Chatfenster. Seufzend klappte ich meinen Laptop zu und legte ihn neben mein Bett. Es tat gut mal wieder mit Caro zu sprechen. Wir waren fast eine halbe Stunde bei Bill gewesen, bis ,das Arschloch' gekommen war und ich mir Caro das Zimmer verlassen hatte.

Tom war anscheinend bei Bill geblieben, denn ich hörte die Zwei diskutieren. Über was sie sprachen, konnte ich leider nicht verstehen.
Ich rieb mir die Augen. Irgendwie war ich total müde, auch wenn wir heute eigentlich nicht viel getan hatten. Gähnend lief ich über den Flur zum Badezimmer. Mit müdem Gesichtsausdruck musterte ich mich im Spiegel: Meine Wimperntusche war verwischt und meine Haare ganz lockig und noch ein wenig feucht. In Zeitlupe nahm ich meine Zahnbürste aus dem Becher, verteilte Zahnpasta darauf und fing an meine Zähne zu putzen. Dann bürstete ich mir noch einmal durch die Haare und ging zurück in mein Zimmer. Total erschöpft fiel ich aufs Bett.

Ich war schon halb eingeschlafen, als es an der Tür klopfte. „Ist offen..." Die Tür öffnete sich und Tom stand in der Tür. Ich hatte mit jedem gerechnet, aber nicht mit ihm. „Tom?" Mit einem Mal war ich hellwach.

„Ähm... Darf ich?" Er deutete auf mein Bett.
„Ja klar." Etwas verwirrt sah ich ihn an und setzte mich auf. „Seit wann spricht der werte Herr denn wieder mit mir?"
„Ja also..." Er setzte sich auf die Bettkante und spielte mit seinen Fingern herum. „Tut mir leid deswegen... Ehrlich... Ich hatte halt schlechte Laune und... ach scheiße!" Betreten sah er mich an, vermied aber mir direkt in die Augen zu schauen. Ich wusste, dass es einen anderen Grund als nur schlechte Laune gab. Welchen, wusste ich aber leider auch nicht. An diesem Punkt hätte ich ihn zur Rede stellen können, aber hätte er es mir sagen wollen, hätte er das schon gemacht. Außerdem, wer konnte diesen Augen schon widerstehen?
„Ist okay." Versöhnlich lächelte ich ihn an, da ich sah, dass es ihm wirklich leid tat. „Hältst du mich wirklich für ein Arschloch?" Tom kratzte sich am Kopf. Allein dafür hätte ich ihn knutschen können...
„Nein."

Ich schlang meine Arme um seinen Hals und zog ihn in eine Umarmung. Im ersten Moment wollte ich mich schon wieder lösen, doch als ich merkte, dass er nichts dagegen unternahm, seine Arme um meinen Körper schlang und mich an sich drückte, schloss ich meine Augen und genoss einfach seine Nähe.
Langsam und nach einer halben Ewigkeit lösten wir uns. Seine Hand fuhr meine Seite entlang und ich ließ meine Hände langsam über seine Arme streifen. Unsere Blicke trafen sich. Wie in Zeitlupe näherten sich unsere Gesichter. Sollte ich es riskieren?

Doch es sollte wohl nicht sein. „Komm her, Essen! Jaa, gleich hab' ich dich! Du brauchst gar nicht wegzulaufen!" Bill kam durch die Tür spaziert und rannte wie ein Verrückter im Zimmer umher. Wir fuhren auseinander.
„Bill was machst du da?!"
„Nein! Wo hast du dich versteckt?! Ich weiß, dass du da bist! Komm her!" Jetzt tat er so, als wolle er Hühner mit Körnern locken.
„Geht es dir gut?!" Doch er schien keine Notiz von uns zu nehmen. Warum rannte der Kerl nach Essen rufend durch mein Zimmer?!
„Was hat der?" Tom sah mich an. Ich zuckte nur mit den Schultern.
„Hat er schon geschlafen?"
„Essen bleib' stehen!"
„Eigentlich schon..." Verwirrt drehte er sich zu Bill, der gerade damit beschäftigt war in meinem Schreibtisch herumzuwühlen.
„Er schlafwandelt...", stellte ich mit einem Augenrollen fest. „Hat dein Bruder noch andere Angewohnheiten, von denen ich wissen sollte?"
„Ehm.. manchmal führt er Selbstgespräche...aber sonst..."
„Okay..." Mit hochgezogener Augenbraue beobachtete ich Bill.
„Und was machen wir jetzt?" Etwas überfordert sah Tom mich an.
„Abwarten. Schlafwandler darf man unter keinen Umständen aufwecken."
„Auch nicht, wenn er mich mit 'ner Knarre bedrohen würde?"
„Siehst du hier irgendwo eine Knarre?!"
„War ja nur 'ne Frage..."
„Sag mir doch wo du dich versteckst!"
„Warte mal..." Ich stand auf und stellte mich in die Tür.
„Hier gibt's Essen, Bill. Komm her."

Tom sah mir skeptisch zu, hielt aber den Mund. Bill hörte auf zu wühlen und sah auf, wie ein Tier, das Beute witterte. Es funktionierte wirklich... Erst langsam, dann immer schneller kam er auf mich zugelaufen. Ich lief den Flur entlang, die Treppe hinunter, Bill und Tom hinterher. Erst jetzt fiel mir ein, dass es besser gewesen wäre ihn direkt wieder ins Bett zu bringen. Aber ich war mir nicht sicher, ob er die Treppen auch wieder hochkommen würde, wenn er selbst in wachem Zustand die ein oder andere Stufe übersah. „Was soll ich jetzt machen?" Während ich um den Esszimmertisch und die Couch lief, sah ich etwas ratlos zu Tom, der das Ganze von der Treppe aus beobachtete.

„Keine Ahnung. Das war deine Idee."
„Nee war klar..." Irgendwie hatte ich das Gefühl Bill würde immer schneller. „Was ist denn mit dem los? Warum ist er auf einmal so schnell?" Tom zuckte nur mit den Schultern. Verwirrt und ein bisschen verzweifelt sah ich ihn an. Etwas zu lange, wie sich herausstellte. Ich stolperte über einen Stuhl, den ich übersehen hatte und fiel ihn. „Autsch!" Von der Treppe hörte ich ein Lachen. „Hör auf zu Lachen!" Ich drehte mich um und sah Bill, der über mir hing.
„Jetzt hab ich dich, Essen. Du gehörst mir!"
„Geh runter von mir!" Fluchend versuchte ich ihn von mir herunter zu schieben. Ohne Erfolg. So leicht wie er aussah, war er nicht. In der nächsten Sekunde spürte ich einen stechenden Schmerz in meinem Arm. „Au! Der hat mich gebissen!" Mit schmerzverzerrtem Gesicht sah ich zu Tom, der sich vor Lachen krümmte. „Hilf mir lieber!"
„Da hinten ist Essen! Bei Onkel Tommi!", rief ich und deutete auf Tom, als dieser keine Reaktion zeigte.
Und tatsächlich. Bill ließ von mir ab und ging auf Tom zu.

„Bist du bescheuert?!" Jetzt war er es, der von Bill verfolgt durch das Wohnzimmer lief. Es sah ziemlich bescheuert aus. „Wacht er wohl auf, wenn er irgendwo gegen rennt?"
„Keine Ahnung. Wieso?"
„Mach die Küchentür auf." Ich rappelte mich auf und öffnete die Tür. Tom lief hindurch, in Richtung Kühlschrank. Kurz bevor er ihn erreicht hatte, nahm er eine Kurve, die Bill in seinem Zustand natürlich nicht mehr schaffte, dagegen krachte und davor liegen blieb.
„Ah... Die nächste Beule... Musste das sein?" Ich beugte mich über Bill und sah Tom an.
„Hattest du 'ne bessere Idee?"
„Nee."

„Komm, wir tragen ihn hoch in sein Bett." Er nahm Bills Oberkörper und ich seine Beine. Zusammen schleppten wir ihn durchs Wohnzimmer, die Treppe hoch, in sein Zimmer. „Der Junge macht nur Ärger!" Tom stemmte die Hände in die Hüfte und schüttelte den Kopf. Dann verließen wir sein Zimmer. „Na dann... Gute Nacht..." Sein Lächeln brachte Eisberge zum Schmelzen.
„Ja, dir auch..."
----------------------------------------------------------------------------------------------

Geschwisterliebe Tokio Hotel Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt