„Ihr seid ja schon da!", schreie ich und renne auf meine Eltern zu, als ich sie am Tor des Geländes sehe. „Hallo mein Schatz, na, wie geht es dir?", fragt meine Mutter als ich sie erreicht habe. Ich erzähle ihnen von den vergangenen vier Wochen. Meine Flügel sind eingeklappt, so lautete die Anweisung von Fynn, für das erste Treffen meiner Eltern im Camp.
Etwa nach einer Stunde reden und über die Wiesen laufen verschwinde ich in der Umkleide von der Flughalle und trete nach kurzer Zeit mit meinen Flügeln und einigen Protektoren wieder heraus. Ein wenig schüchtern gehe ich auf meine Eltern zu. Sie haben mich noch nie mit Flügeln gesehen.
Meine Eltern sagen kein Wort. Ich versuche ihren Gesichtsausdruck zu deuten, ist es Stolz? Als mir die Situation allmählich unangenehm wird, bricht mein Vater zum Glück das Schweigen. „Wir haben fast 17 Jahre auf diesen Moment gewartet." Ich schaue ihn verdutzt an. „Ja", ich kann hören, dass die Stimme meiner Mutter ein wenig bruchhaft ist. „Etwa nachdem ich ein halbes Jahr mit dir Schwanger war bekamen wir Besuch von einem der fünf Obersten, der uns alles erklärte, auch dass es ihnen besonders wichtig war, dass du nichts davon erfährst bis du es selbst herausfindest. Und jetzt lass uns nicht noch länger warten." Sie schaut mich auffordernd an und ich fliege los.
Erst zur nächsten Plattform, dann ein paar Tricks, die ich im letzten Flugtraining neu erlernt hatte. Als ich gerade zur kleinen Pause auf einer anderen Plattform landen möchte sehe ich Clay auf dieser, er sitzt in einem Sitzsack mit einem Buch in der Hand. Da er mich nicht bemerkt zu haben scheint, entscheide ich mich anders und lande neben meinen Eltern.
Sie lächeln mich stolz an und Fynn kommt in die Halle. „Guten Tag, gut dass ich Sie treffe. Es gibt noch ein paar Formalitäten zu klären und sie möchten bestimmt noch ein paar Dinge über ihre Tochter und vor allem auch ihre Fortschritte erfahren. Wie wäre es, wenn sie kurz auf einen Tee zu mir ins Haus kommen?" Meine Eltern drehen sich kurz zu mir um, doch ich nicke ihnen nur ermunternd zu und sage: „Wir treffen uns dann wieder hier oder", bevor sie gehen.
Ich fühle mich ein wenig unwohl, denn ich habe das Gefühl, meinen Eltern nicht mehr wirklich nahe stehen zu können. Diese vier Wochen, die nebenbei die längste Zeit sind, die ich je von zu Hause weg gewesen war, scheinen etwas verändert zu haben, mich verändert zu haben, mein Leben. Die Welt in der ich bisher gelebt hatte passt nicht mehr zu mir.
Bald werde ich auf ein Internat gehen, zumindest so etwas in der Art und all meine Freunde und mein bisheriges Leben hinter mir zu lassen.
Jonas betritt die Halle geht auf mich zu. „Hey, ich soll dir das hier geben." In seiner Hand hält er einen Brief. Ich nehme ihn entgegen und öffne ihn.
Guten Tag,
wir möchten nur kurz mitteilen, dass Samira Habicht unseren Anforderungen entspricht und die Schule ebenfalls besuchen wird.
Mit freundlichen Grüßen
Die Obersten
Unter dem Zettel stehen fünf sehr verschiedene Unterschriften. Es braucht kurz eine Weile, bis ich die Worte in dem Brief verstehe und ich schaue auf: „Samira wird mit mir zur Schule gehen! Mit uns allen!" Jonas der Samira nicht kennt schaut etwas verdutzt. Ich springe ein paarmal auf der Stelle, dann falle ich ihm mit einem Freudenschrei um den Hals. Hierzu muss man wissen, dass Samira seit 6 Jahren meine beste Freundin ist und ich eine dauerhafte Trennung von ihr vermutlich nicht überstanden hätte. Mein Körper, voller Adrenalin und Glückshormonen, lächle ich Jonas vor Freude über die Nachricht an, und wir küssen uns.
Nach einem kurzen Moment der Vollkommenheit lösen wir uns und ich blicke in die verunsicherten Augen von Jonas. Ich kann nicht sagen, von wem von uns beiden der Impuls ausging, doch ich wende meinen Blick ab. „Es tut mir leid", murmeln wir gleichzeitig, dann gehe ich ohne ein weiteres Wort und ohne mich noch einmal umzusehen in die Umkleide.
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Feranyo
Fantasy„Ich schätze, du hast in den vergangenen Wochen schon ein paar besondere Dinge bemerkt." Ich nicke. „Wieso musstest du mich denn so erschrecken? Hätte doch auch einfach ein Brief kommen können." „Geht schon, aber wir sind ja keine Zauberer, auße...