Die zwei Wochen bis zum Tag der Abreise waren wie im Flug vergangen und auch die Flügel hatte ich brav dort gelassen, wo sie waren. Obwohl die Neugierde unheimlich groß war.
Mein Koffer ist klein, ungewohnt klein für mich. Ich werfe noch einen letzten prüfenden Blick auf die Liste, keine Zahnbürste, kaum Shirts, kein Handy. Meine Mutter kommt in den Flur, in ihrer Hand ein kleines Täschchen mit Verpflegung. „Danke", Ich umarme sie. Mein Vater kommt hinzu, ich verabschiede mich von meinen Eltern, dann klingelte an der Tür. Ein älterer, freundlich aussehender Herr steht vor der Türe.
An die Fahrt zum Flughafen kann ich mich noch sehr genau erinnern. Ich war furchtbar aufgeregt und wir hatten kaum geredet.
Als der Flughafen in Sicht kommt, fällt mir wieder ein, dass sich immer noch nicht weiß, wohin es geht. Ich frage den Herrn, doch er wirft nur einen kurzen Blick zu mir, dann antwortet er: „Wirst du gleichsehen, wenn wir am Flughafen sind." Sechs Stunden später und einen Zwischenstopp in Amsterdam kann man bereits leichte Hügel sehen. Kurze Zeit später erscheint das Anschnall-Zeichen.
Nach dem wir gelandet sind verabschiedet sich der Herr. Nun stehe ich vor dem Flughafen, wo ich auf einen warten soll, der mich hier abgeholt. „Hey, na? Gut in Schottland gelandet?" Fynn steht vor mir, und ich lächle ihn zur Begrüßung an: „Ja. Es war Wolkenfrei, so dass ich beim Fliegen freie Sicht hatte und die Landschaft ansehen konnte. Wieso eigentlich genau Schottland?" „Sicher, dass du mal aus dem Fenster geschaut hast als du geflogen bist?", stellt er als Gegenfrage. „Ja?" „Hier ist es hügelig, aber nicht steil und zudem recht leer. Außerdem besitzen wir Feranyer hier ein recht großes Stück Land."
Ein alt wirkendes verziertes Tor zeigt den Eingang. Wir fahren noch ein ganzes Stück mit dem Auto, bis wir zu Haus gelangen, dessen Fassade aus Feuersteinen ist, typisch schottisch. „Sie erwarten sich schon drinnen. Ich denke wir sehen uns sicher später." Mit diesen Worten geht Fynn und lässt mich alleine vor dem Gebäude stehen.
Ich trete ein, und prompt läuft eine Frau auf mich zu. „Guten Tag, du musst Caitlin sein." Etwas schüchtern nicke ich. „Du darfst dir jetzt erst mal deine Sachen aussuchen, jedoch sind bestimmte Dinge extra zu bezahlen."Sie führt mich in einen großen Raum. „Du bekommst ein bestimmtes Handy, extra gesichert, damit keine falschen Dinge in der Öffentlichkeit landen." Wir laufen ein Stück weiter zu einer Vitrine, das Handy hat sie in einen Wagen gelegt, den sie neben sich herschiebt. „So, hier sind die Esmerynen. Erst mit ihnen wird es möglich die Kräfte länger auszuüben. Für jeden einzelnen Feranyo wird genau eins angefertigt. Du ziehst jetzt erst einmal dieses Shirt an, dann bekommst du dein Esmeryn und dann versuchen wir erst einmal mit den Flügeln. Hier ist es üblich, immer mit offenen Flügeln herumzulaufen, so sieht man wer Feranyo ist, wer normal. Du wirst dich schnell daran gewöhnen."
Sie drückt mir das Shirt in die Hand, dann deutet sie zur Umkleide. Ich betrachte das Shirt. Von vorne sieht es ganz normal aus. Hinten, hat es zwei Öffnungen, welche wenn man es normal anzieht von Stoff abgedeckt sind. Als ich aus Umkleide komme, hält die Frau schon eins von diesen Armbändern, welches auch Fynn eines besitzt, in der Hand.
Das für mich bestimmte hat ein graues Lederband, die silberne Verzierung ist nicht nur rechteckig, sondern etwas zierlicher. Ich stehe vor dem Spiegel und auf den dritten Versuch gelingt es mir, meine Flügel erscheinen zu lassen. Sie sind inzwischen 40 cm groß. Ich staune, wie sie in so kurzer Zeit so schnell gewachsen sind. Es klappt diesmal auch, dass die Flügel bleiben, sie verschwinden nicht. Die Frau vermisst sie genau, notiert sich etwas, dann meint sie: „Ich denke er in elf Tagen bist du Flug bereit. So, das T-Shirt passt von der Größe?", ich nicke. Sehr gesprächig bin ich Fremden gegenüber nicht.
Sie führt mich zu einem Regal mit hunderten von Shirts, Pullis und Jacken. „Hier kannst du dir alles nehmen, was dir gefällt. Sie sind allesamt 'Flügelgerecht'." Es gibt alle möglichen Farben, Formen und Motive. Ich suche mir acht Shirts, die relativ neutral sind, zwei Pullis, ein blaues Kleid und zwei Jacken aus, eine schwarze Lederjacke, eines Sweatshirt-Jacke. „Es tut mir leid, dass ich es nicht gesagt habe, aber du darfst keine Lederjacken tragen." Sie blickt entschuldigend, während ich sie zurücklege und mir stattdessen eine andere aussuche.
Nachdem ich noch verschiedene andere Dinge bekommen habe verlassen wir das Gebäude und sie führt mich zu meinem Zimmer, welches in einem recht großen Haus ist. „Dieser Bereich ist für dich." Sie deutet einmal in dem großen modern eingerichteten Zimmer herum und zeigt schließlich noch zu meinem eigenen großen Bad. „Du kannst jetzt in Ruhe ankommen und auspacken. Einen Plan mit deinem Programm bekommst du später zugeteilt. Für heute hast du erst einmal frei. Du kannst dich in dem ganzen Gelände frei bewegen. Bis dann." Mit diesen Worten geht sie.
Mein Gepäck wurde schon aufs Zimmer gebracht. Ich laufe ein wenig in dem Raum herum. Ich frage mich, woher sie das ganze Geld hierfür nehmen. Neben dem Bad, habe ich noch einen begehbaren Schrank und großen Fernseher. Vor dem Fenster, welches bis zum Fußboden reicht, jedoch keinen Balkon hat, steht, wie mir erklärt wurde, mein persönlicher 'Briefkasten'. Auf gut deutsch gesagt ein gebogener Stab, an dessen Fuß eine Metall-Feder befestigt ist, so dass wenn die Fledermaus sich an den mit Leder besetzten Ring am oberen Ende des Bogens setzt das kleine Glöckchen am Ende läutet. Zudem erscheint ein Symbol auf meinem Esmeryn. Eine eigene Fledermaus habe ich noch nicht, habe aber die Gelegenheit mir eine bei der Poststation zu borgen oder selbst eine zu kaufen.
An meiner Zimmertüre hängt ein Haus-Plan. Ich bin in dem Haus von Fynn, zusammen mit 10 anderen. Darauf stehen die Namen der anderen, leider gibt es außer mir nur zwei weitere Mädchen. Was ich jedoch nicht verstehe sind die Buchstaben, die hinter den Namen stehen. Hinter fünf von ihnen ist ein S, hinter zweien ein A, hinter einem ein Zeichen, welches ich nicht kenne und hinter mir und einem weiteren ein L. Wie mir erklärt wurde gibt es außer Fynns Haus nur 2 weitere Häuser, die Einteilung in Gruppen habe wohl nicht viel zu bedeuten. Ich wende mich von dem Plan ab, und überlege, was ich nun machen soll, denn wie mir gesagt wurde, habe ich den Rest des Tages frei.

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Feranyo
Fantasy„Ich schätze, du hast in den vergangenen Wochen schon ein paar besondere Dinge bemerkt." Ich nicke. „Wieso musstest du mich denn so erschrecken? Hätte doch auch einfach ein Brief kommen können." „Geht schon, aber wir sind ja keine Zauberer, auße...