37: Irrfahrt der Gefühle

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Joshua klammerte sich an mich. Jeder dieser kleinen, dünnen Finger bohrte sich durch den Stoff in meine Seite. Sein Gewicht zog mich zwar herunter, doch ich wusste seine Geste zu schätzen, immerhin versuchte er mir so Halt in dieser unsicheren Situation zu geben. Ich konnte jeden Halt gebrauchen, verstand ich doch nicht länger, was hier vor sich ging.

„Wogegen kann Ryan sich nicht wehren?", fragte mich der Kleine, aber ich schüttelte nur den Kopf, weil ich ebenso ahnungslos war wie er. „Soll ich ihn fragen?"

„Ihr habt nicht einmal ihm davon erzählt?", entgegnete Gareth ungläubig. Seine Ohren funktionierten gut, zu gut dafür, dass wir recht weit von ihm entfernt standen. „Wie alt ist er? Zehn?"

„Zwölf", erwiderte Ryan und deutete mit einer schnellen Handbewegung an, dass weder Joshua noch ich uns einmischen sollten. „Er ist noch nicht alt genug, um es zu verstehen."

„Das ist falsch und das weißt du auch. So entstehen neue Probleme. Selbst verschuldete Probleme." Der Alpha des Nordens hatte wieder seine arrogante Miene aufgesetzt und zögerte nicht, jeden anderen in seine Schranken zu weisen. „Du kannst sie jetzt beide aufklären oder ich werde es für dich übernehmen. Es ist wichtig, dass sie es verstehen, damit wir uns nicht noch mehr unnötige Gefahrenherde aufzwingen."

„Wir?"

„Ja, wir." Gareth schaute nur kurz zu mir herüber, aber es reichte aus, um mich vor Schreck beinahe aufspringen zu lassen. Joshua, der ähnlich reagierte, ließ mich plötzlich los und machte einige Schritte zurück in Richtung des Hauses. Ich konnte meinen Blick nicht von dem Alpha abwenden, spürte lediglich wie der Junge sich entfernte. „Sie hat mir deutlich gemacht, dass wir nicht allein gegen die Menschen kämpfen sollten. Letztendlich muss Arthur darüber entscheiden, aber ich habe ihren Ansatz, ihre Sichtweise auf die Dinge nachvollziehen können." Sein hoheitsvoller Blick richtete sich wieder auf Ryan. „Gibst du ihr nun eine Einweisung in Sachen Werwolf, oder nicht?"

Nun war es soweit, ich verstand wirklich gar nichts mehr. Ihre Andeutungen ergaben wenig Sinn. Ich wusste nur, dass es sich dabei anscheinend um etwas Bedeutendes, etwas Großes handeln musste, das sie ungern mit Außenstehenden teilten. Ähnlich wie ihre Verwandlung. Sicher war auch, dass es um eine Eigenschaft, eine Fähigkeit oder Fertigkeit ging, die nur Werwölfe besaßen. Weshalb machte es einen so bewegenden Unterschied, ob ich nun darüber Bescheid wusste oder nicht? Die Werwölfe waren und blieben für mich ein Rätsel.

Ryan schlenderte auf mich zu, wollte Zeit gewinnen und vermutlich seine Worte genau zurechtlegen, weil er im Reden schwingen nicht sonderlich geschickt war. Ich wollte ihm Platz machen, doch er riss mich hektisch an sich, hielt meinen Körper dicht an seinen. Seine Lippen streiften mein Haar und seine Hände fühlten sich warm an. Selbst durch den Stoff meines Pullovers spürte ich diese unverwechselbare Hitze, spürte jede noch so kleine Berührung und mein Puls raste.

Ich senkte den Blick. Diese Gefühle brannten sich in meine Seele ein und seine Augen – diese kühlen, blauen Augen – suchten forschend nach meinen. Als seine Finger meine Wange berührten, zuckte ich zusammen, aber er wich nicht zurück, sondern nahm mein Gesicht in seine Hände und zwang mich, ihn anzuschauen.

„Hör mir jetzt gut zu, denn ich werde mich nicht wiederholen", raunte er und ich erschauderte bei dieser rauen, tiefen Stimme.

Seine Ausstrahlung hatte sich geändert, nicht von jetzt auf gleich, aber so deutlich war es mir bisher nicht aufgefallen oder er hatte es mir noch nicht gezeigt. Ich konzentrierte mich darauf, gleichmäßig zu atmen und seinen Duft, der mich ummantelte, zu ignorieren. Dieser Blick von ihm machte mich wahnsinnig. So durchdringend und verführerisch, dass ich glaubte, ich stünde vor jemand anderem. Nein, kein anderer würde solche Gefühle und dieses Kribbeln in mir erzeugen können. Zaghaft ließ er mein Gesicht wieder los, doch ich betrachtete ihn weiter gespannt.

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