Kapitel 4 - Brüder

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Der Kerl hatte ihn reingelegt.

Norwin fluchte laut und schlug den Spaten in den Schnee.

Er hatte vier Tage gebraucht, um dieses Grab zu finden. Natürlich hatte er den Leichnam ausgegraben. Aber es war nicht Greta gewesen. Es war irgendein alter Mann, der wohl bei der Jagd zurückgelassen wurde und dann jämmerlich erfroren war.

Warum hatte dieser Einsiedler ihn hereingelegt?

Norwin trat die Leiche wieder in das Loch.

Verdammt!

Ihm hätte auffallen müssen, dass da etwas nicht in Ordnung war.

Der Kerl war zu jung um ein Einsiedler zu sein. Gut, das war nicht das Ausschlaggebende gewesen. Dass er Norwin so schnell loswerden wollte, war seltsam gewesen. Und Norwin waren die zwei Schlitten aufgefallen, die in dem kleinen Schuppen standen. Beide relativ neu. Einer hatte sich noch nicht einmal verfärbt, das Holz sah so aus, als ob es frisch geschlagen worden wäre. Und die Hütte war erstaunlich leer gewesen. So als ob der Kerl bald fortgehen wollte.

Wieder fluchte Norwin. Greta war dort gewesen. Sie hatte den Kerl um ihre Finger gewickelt und er beschützte sie aus irgendeinem Grund.

Er war Greta so nahe gewesen und sie war ihm wieder entwischt. Wahrscheinlich hatte sie dem Kerl eine Lüge erzählt. Anders konnte er es sich nicht erklären, warum ein Mann eine Frau schützen sollte. Vor dem eigenen Bruder auch noch.

Norwin schaute in den schiefergrauen Himmel.

Vier Tage würde er brauchen, bis er wieder bei der Hütte war. Aber das würde ihm wahrscheinlich nichts bringen. Sie waren wohl schon weg. Und es hatte zu schneien begonnen. Spuren würde er also keine mehr finden.

Wieder fluchte er.

Greta war seine Schwester. Er hatte zu bestimmen, wie ihr Leben weitergehen sollte. Und nicht ein dahergelaufener Kerl, der in der Wildnis hauste und sie beschützte. Greta war Thorstan versprochen und das wusste sie. Wieder ein Ereignis, dass die Familie in den Schmutz zog.

Dafür würde sie büßen.

Das schwor sich Norwin.




Fjolnir schmiss seine verschmutzte Jacke mitten in den Raum.

Dag hob ihn am Genick und drückte sein Gesicht nach unten.

„Kannst du mir verraten, was das soll?", fragte er leise.

Fjolnir versuchte sich zu befreien, aber gegen seinen älteren Bruder kam er einfach nicht an.

„Lass mich los, Dag. Deine Frau soll das wegmachen. Wozu ist sie denn da?"

Dag gab ihm einen Rempler und Fjolnir flog mit dem Gesicht voraus auf die Jacke.

„Freya wird bestimmt nicht deinen Dreck wegmachen. Es reicht, dass du und Norwin Greta so schäbig behandelt habt. Aber mit meiner Frau macht ihr das nicht!"

Fjolnir murrte, hob dann aber die Jacke auf.

„Wenn Norwin hier wäre..."

Dag schnaubte.

„Dann würdet ihr euch auch ordentlich benehmen!"

Kal lachte leise.

„So wie es immer hätte sein sollen. Du musst Respekt lernen, Kleiner!"

Fjolnir schnaubte.

„Doch nicht vor einem Weib! Die sind dazu da, um uns zu dienen und um uns Söhne zu gebären!"

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