Kapitel 6 - Eindrücke

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Einar grub mehrere Gräber, während Greta auf einem Stein hockte, ihre Knie umschlungen und sich selbst vor und zurück wiegte.

„Ich weiß, dass der Anblick schlimm ist. Aber wir müssen jederzeit mit so etwas rechnen!", versuchte er sie zu beruhigen.

Sie schniefte leise vor sich hin, nickte dann aber.

Es war der erste gute Tag seit langem. Sogar die Sonne schien und der Eisregen hatte endlich einmal aufgehört. 

Greta hatte wieder mit dem Frühstück auf ihn gewartet und wollte danach die nächsten Häuser erkunden. Einar war froh, dass sie wirklich ohne Angst los lief, als ob alles ein großes Abenteuer und keine Flucht für sie wäre. Sie wirkte fröhlich und nicht mehr so verängstigt wie das vorher der Fall gewesen war.

Das erste Haus war in etwa so gewesen, wie das, was sie nun bewohnten. Am dritten Haus hatten sie einen kleinen Silo gefunden. Getreide war darin gewesen. Bestimmt war es schon sehr alt, aber durch das Eis sehr gut konserviert. Greta hatte es im zweiten Haus ausgebreitet und dort den Ofen angemacht. Sie hoffte, sie konnte von dem Getreide noch etwas retten.

Einar hatte dort auch einen Wagen gefunden, der viel mehr Sachen tragen konnte, als die Schlitten. Er hatte beschlossen, dass er den Wagen und einen Schlitten mitnehmen würde. Den anderen Schlitten würden sie hierlassen.

Voller Vorfreude war Greta in das nächste Haus gerannt, bevor Einar sie aufhalten konnte.

Sie hatte geschrien und er war ihr hinterhergerannt. Sie war in dem Wohnraum gestanden und hatte nicht aufgehört zu schreien. Vor ihr lagen Skelette. Es waren vier. Zwei in ihrer Größe und zwei kleinere. Man konnte erahnen, dass es sich hier um eine Familie gehandelt hatte.

Er hatte sie in seine Arme genommen und nach draußen getragen.

Immer wieder hatte er ihr über den Rücken gestreichelt und ihr beruhigende Worte gesagt. Doch es hatte lange gedauert, bis sie sich ein wenig beruhigt hatte.

Irgendwann hatte sie gebeten, ob er Gräber ausheben konnte.

Es war Schwerstarbeit, da der Boden immer noch gefroren war. Am Anfang hatte sie mitgeholfen, aber immer wieder hatte sie angefangen zu weinen, bis er sie auf diesen Stein gesetzt und alleine weiter gemacht  hatte.

„Ich bin bald fertig damit. Wenn du sie nicht noch einmal sehen willst, dann solltest du weggehen!"

Sie nickte und entfernte sich.

Er holte die Skelette und legte jedes in ein Grab. Dann schaufelte er alles wieder zu.

„Greta! Ich bin fertig."

Seltsamerweise kam sie von dem Haus, in dem die beiden die Skelette gefunden hatten.

„Der Vater hieß John! Die Mutter Anne und die Kinder John Junior und Elisabeth!"

Einar hob eine Augenbraue.

„Du hast nach den Namen gesucht?"

Sie nickte.

„Ja. Ich...ich weiß, es ist wahrscheinlich dumm...aber...aber..."

Sie holte Bretter aus dem Haus. Es waren wohl einmal Schranktüren oder so etwas Ähnliches gewesen. Sie hatte alle beschriftet.

Wortlos nahm Einar ihr die Bretter ab und rammte sie in die Erde, die nun gelockert war.

„Es ist nicht dumm. Es zeigt, dass wir sie ehren!"

Er legte ihr einen Arm um die Schulter.

„Es war wohl ein anstrengender Tag. Oder? Ich denke, wir machen Schluss für heute und ich werde morgen alleine losgehen."

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