Kapitel 8 - Der Fremde

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„Ihr seid also aus dem Norden. Was macht ihr soweit im Süden? Eigentlich kommen die Männer aus dem Norden nicht hierher! Sie hassen uns und unsere Einstellung!"

Ulara saß am Kopf einer großen Tafel. Norwin saß neben ihr und Fjolnir gegenüber von ihm. Ansonsten saßen nur Frauen am Tisch und die Männer bedienten sie.

Norwin fand das unnatürlich, aber er hielt sich zurück. Er war nur Gast und selbst er wusste, dass er sich nicht zu weit hinauswagen durfte.

Deswegen log er lieber und machte gute Miene zum bösen Spiel. Er lächelte nichtssagend und beugte sich leicht zu Ulara vor.

„Wir suchen unsere Schwester."

Ulara lächelte ebenfalls so gleichgültig, dass es Norwin schauerte. Man konnte nicht sagen, ob sie ihm glaubte oder nicht.

„Ist sie denn in Gefahr?"

Norwin sah zu Fjolnir, der sich sichtlich unwohl fühlte.

Auch Ulara schien das zu bemerken, aber sie sagte nichts, sondern lächelte seinen Bruder an. Dieses Lächeln war anders.Nicht so gleichgültig, sondern eher verständnisvoll und barmherzig. Als ob sie sich lieber mit dem Schwachkopf unterhalten würde, als mit ihm, den Älteren.er begann zu reden, nur um ihre Aufmerksamkeit wieder auf sich zu lenken. Fjolnir würde nur alles kaputt machen. 

„Ich weiß es nicht, ob sie in Gefahr ist. Sie hat sich mit einem Kerl eingelassen, der ihr gefährlich werden könnte. Wir wollen sie nur beschützen!"

Ulara nickte und seufzte dann.

„Wie viele Brüder seid ihr denn?"

Norwin brachte diese Frage völlig aus dem Konzept.

„Wir sind fünf Brüder.", antwortete er verwirrt.

Einer der anderen Frauen verzog das Gesicht.

„Und nur ihr sucht nach eurer Schwester? Sind die anderen nicht deiner Meinung, dass sie in Gefahr ist?"

Norwin knurrte innerlich.

Wieso richtete sie überhaupt das Wort an ihn? Zu Hause hätte sie schon eine Strafe zu erwarten, weil sie ungefragt sich in das Gespräch mit eingemischt hatte.

„Mein ältester Bruder hat mittlerweile sein eigenes Weib!"

Ulara hob eine Augenbraue.

„Also interessiert er sich nicht mehr für seine Schwester? Das ist doch sehr seltsam! Vor allem, weil ihr euch solche Sorgen macht."

Norwin sah wieder zu Fjolnir, der immer unruhiger auf seinem Sitzt hin und her rutschte.

Und nun richtete sich Ulara auch noch direkt an Fjolnir. Als ob er wirklich etwas zu sagen hätte.

„Und du bist auch der Meinung, dass sie in Gefahr ist?"

Fjolnir senkte den Kopf.

„Ich denke nicht! Sie hat es so weit geschafft..."

Tumult brach aus, als einer der Männer mit den Rucksäcken von ihnen in die Halle kam.

„Sie lügen, meine Priesterin! Ich habe ein Papier gefunden. Die Zeilen, die ich dort lesen musste, sind beschämend!"

Norwin lief es eiskalt den Rücken hinunter.

Verdammter Mist!

Sein Dorfältester hatte ihm eine Art Pamphlet mitgegeben, dass Norwin sich immer daran erinnerte, warum er Greta finden und wieder zurückbringen musste.

„Barén! Das ist eine schwere Anschuldigung gegen unsere Gäste."

Der Kerl, der sie noch vor ein paar Stunden freundlich begrüßt hatte, fletschte die Zähne und übergab ihr das Papier.

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