Kapitel 15

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Die Kugel trifft die Wand, etwa fünf Meter entfernt von uns. Schnell stelle ich mich wieder an die Wand. Meine Hand gleitet heute schon zum zweiten Mal über die raue Betonwand. Ich spüre das fliessende Wasser. Meine ganze Konzentration richtet sich auf das Wasser. Dann ertönt ein lauter Knall und Betonstücke fliegen durch die Luft. Das Wasser richte ich sofort zu einer Wand auf. Dann wird sie zu Eis. "Was machen wir jetzt?" frage ich panisch. "Als erstes müssen wir uns von diesen Umhängen befreien, in diesen Dingern kann man nicht richtig kämpfen." Alle lassen ihre Umhänge fallen. Zum Vorschein kommen Sky, Coco, ein paar Leute, die ich nicht kenne und Jake. Moment! Fassungslos schaue ich ihn an. Dann beginne ich loszuschreien: "Ich dacht, du bist tot! Wo hast du dich die ganze Zeit rumgetrieben und ist es dir nicht in den Sinn gekommen, dich bei deiner kleinen Schwester zu melden?" Die Wut ist verraucht, hat dafür aber für Traurigkeit platzgemacht. Die Tränen laufen mir übers Gesicht und ich lasse mich auf meine Knie sinken. "Weisst du, wie es sich anfühlt, wenn man miterlebt, wie der eigene Bruder stirbt und er dann plötzlich Jahre später wieder auftaucht?" Noch immer knie ich auf dem Boden. Zwei Arme schlingen sich um mich und ziehen mich wieder auf meine Füsse. "Es tut mir verdammt Leid, dass ich mich nicht gemeldet habe, aber ich konnte euch nicht in Gefahr bringen, in dem ich wieder auftauche." Ein Knacksen erweckt meine Aufmerksamkeit. Ich schaue zur Eiswand und kann einige Risse erkennen. "Das Eis wird nicht mehr lange halten!" Wir stecken unsere Köpfe zusammen, um zu besprechen, was wir tun werden. Wieder knackt das Eis. Die Zeit rennt uns davon. Das dritte Knacken ist zuhören. Ich laufe schnell auf meinen Platz, der ganz vorne ist. Neben mir stehen Jake und Memoria, die es immer noch nicht glauben kann, dass Jake nicht tot ist. Konzentriert schliesse ich für wenige Sekunden meine Augen. "Noch einen Schuss", murmle ich.

Das Eis zersplittert. Schnell lasse ich das Eis wieder schmelzen und das Wasser fällt zu Boden. Zwanzig Meter entfernt steht der Psycho und grinst mich siegessicher an. "Feuer!", schreit er. Doch bevor jemand auf den Abzug drücken kann, sind die Pistolen, dank Jake, zu uns geflogen und ich habe sie in einer Eissäule eingefroren. Verwundert sehen unsere Gegenüber das Gebilde an. "Steht nicht dumm rum, macht etwas!", schreit der Psycho aufgebracht. Die Typen stürmen los, doch dann bleiben sie stehen und schauen verträumt durch die Luft. "Was soll das?", schreit der Psycho. "Wenn man es richtig haben will, muss man es immer selber machen." Er kommt auf uns zu. Hinter ihm tauchen zwei weitere von uns auf. Ich kenne sie beide jedoch nicht. Sie schleichen auf Dr. Mad zu, der sich jedoch schnell umdreht und mit etwas auf sie zielt. Die beiden fallen zu Boden und bleiben regungslos liegen.

"Ich kann ihm seine Waffe nicht abnehmen", flüstert Jake mir leise zu. Ich nicke. "Pass du auf, dass er Memoria nicht erwischt." "Und du? Was ist mit dir Hope?" "Ich kann auf mich selbst aufpassen", grinse ich. Ich weiss nicht, wie ich in so einer Situation grinsen kann.

Dr. Mad kommt weiter auf uns zu. Sein Blick schweift über uns sechs. Dann fixiert er jemanden aus der Gruppe. Dr. Mad nimmt ein Messer aus seiner Tasche. Schliesslich geht alles sehr schnell. Er zielt, schiesst, ich laufe in die Schusslinie, bin jedoch zu langsam und drehe mich blitzschnell um, nur um mit anzusehen, wie Sky zu Boden sinkt. Ich hetze zu ihr und setze mich auf den Boden. In ihrem Bauch steckt das Messer. Vorsichtig bette ich Skys Kopf in meinem Schoss. Ich blende alles um mich herum aus, denn es zählen nur noch Sky und ich. Sie sieht mich mit tränenerfüllten Augen an. "Hope", keucht sie. "Du bleibst bei mir, verstanden! Du hast mir versprochen, dass alles gut wird, also brich dein Versprechen nicht!", schreie ich sie an. Von meinem Kinn tropfen Tränen auf Skys Gesicht. "Hope", keucht sie wieder. "Psst", flüstere ich. Ich beuge mich nach unten und lege meine Stirn auf die von Sky. "Ich brauche dich, wie soll ich sonst ohne dich weiter machen?" Meine Sicht verschwimmt immer mehr. Eine stark zitternde Hand legt sich auf meine Wange. "Es tut mir leid", höre ich die ganz schwache Stimme meiner Freundin. Ihre Hand rutscht von meiner Wange zu Boden. Ich hebe meinen Kopf, streiche mit meinem Handrücken über meine Augen, um wieder freie Sicht zubekommen. Sky hat die Augen geschlossen. Mein Blick bleibt dann aber an dem Messer kleben, das immer noch in ihr steckt. Vorsichtig lege ich Skys Kopf auf den harten Boden. Ich krieche zu ihrem Bauch und lege eine Hand um den Griff des Messers. Ich hebe meinen Kopf kurz und sehe das Wasser, das unaufhörlich aus der Wand sprudelt. Aus der Pfütze löst sich ein Schwall und kommt auf mich zu. Das Wasser umgibt nun meine freie Hand. Mit einem Ruck ziehe ich das Messer aus Skys Bauch. Sie zieht schmerzerfüllt Luft ein und zuckt zusammen. Ich lege meine Hand auf die Wunde. Das Messer lasse ich fallen und lege die zweite Hand neben die erste. Das Wasser verteilt sich sofort unter meiner Hand. Meine Tränen vermischen sich mit dem Wasser, als sie mir vom Gesicht tropften. Das Wasser unter meinen Händen beginnt in einem wunderschönen blau zu leuchten. Verwirrt schaue ich auf meine Finger. Ich spüre ein leichtes ziehen an meinen Händen. Ich wende mein Gesicht zu Skys Kopf. Ihre Augen sind immer noch geschlossen. "Bitte", flüstere ich, "verlass mich nicht." Am Rand meines Sichtfeldes bemerke ich, dass das Leuchten wieder abgenommen hat und fast nicht mehr zusehen ist, bis es ganz erlischt. Ich hebe meine Hände und sehe, dass die Wunde sich verschlossen hat. Skys Bauch hebt sich nur ganz flach. Dann hebt er sich gar nicht mehr. "Nein", flüstere ich.

"NEIN!" Wutentbrannt stehe ich auf und laufe nach vorne. "Sie", schreie ich und deute anklagend auf den Psycho. Mir ist gar nicht aufgefallen, dass Coco und der andere Unbekannte ebenfalls auf dem Boden liegen und sich nicht regen. Nur noch Jake und Memoria stehen.

Der Psycho guckt zu mir. "Sie haben meine Freundin getötet! Dass werden Sie büssen!" Dr. Mad zieht wieder ein Messer und wirft es dieses Mal nach mir. Rechtzeitig wehre ich es mit einem Eisschild ab. Das Messer fällt mit dem geschmolzenen Eis zu Boden. "Seil oder Kette", schreie ich Jake zu. Er sieht nur verwirrt zu mir. Ich renne los, genau auf den Psycho zu, der schon sein nächstes Messer zieht. "Hope, pass...", höre ich es noch. Dann ist es still.

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