Kapitel 8

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"Kann ich bitte dein Fahrrad haben?" Ich gucke Sky bettelnd an. "Nein. Du musst nach Hause gehen und deines holen. Früher oder später musst du sowieso nach Hause. Du kannst nicht den Rest deines Lebens hier verbringen", schimpft sie. "Ich würde eh nicht hier bleiben. Irgendwann würde ich ausziehen, sobald ich genug Geld und einen guten Job habe", gebe ich zurück.

Es ist Samstagmorgen und ich muss ein Fahrrad haben. Aber nach Hause will ich nicht, da ich immer noch sauer auf meinen Dad bin.

Nochmal gucke ich Sky mit meinem Hundeblick an. "Nein! Du kannst mich noch lange mit diesem Blick anschauen. Ich gebe dir mein Fahrrad trotzdem nicht!", ruft Skylar laut und wirft ihre Hände in die Luft. "Geh nach Hause und hole dir deins!" Ich schüttle wild meinen Kopf. "Ich will nicht!" "Du bist stur!" "Ich weiss!", grinse ich. "Wenn du dein Fahrrad nicht holst verpasst du dein Date", grinst Sky mich noch breiter an als ich sie. Wissend, dass ich diesen Kampf verloren habe, packe ich meinen Kram zusammen. "Hier." Sky wirft mir mein Handy zu, das ich zum Glück auffange. Ich schultere meine Taschen und verlasse Skys Zimmer. Im Flur ziehe ich meine Schuhe und Jacke an. Bevor ich verschwinden kann, umarmt mich Sky noch mal ganz fest. "Bis Montag." "Bis Montag", antworte ich. Dann verlasse ich das Haus und mache mich auf, um nach Hause zu gehen.

Ich schleiche die Treppe hoch und in mein Zimmer. Die Tasche landet auf dem Bett und ich stehe wieder auf dem Flur. Ich gehe davon aus, dass meine Eltern noch schlafen, da es so ruhig ist. Denkste. "Hope, ich weiss genau, das du auf der Treppe stehst", kommt es leise aus der Küche.

Wie hat sie das mitbekommen?

Keine Ahnung. Woher soll ich das wissen?

Es ist deine Mutter, nicht meine.

Ich verdrehe nur die Augen und gehe in die Küche. Dort sitzt meine Mum auf einem Stuhl mit einer Tasse Tee in der Hand. "Schön, dass du dich auch mal blicken lässt. Wo warst du?" "Bei Sky", nuschle ich. "Und wo willst du jetzt hin?" "Weg", antworte ich knapp. "Darauf wäre ich nicht gekommen, wenn du es nicht gesagt hättest. Ich will aber wissen, wohin du gehst!" "Ich weiss es nicht!" Ich fliehe aus der Küche und dann aus dem Haus. Ich krame den Zettel aus meiner Hosentasche, den Leon mir gegeben hat. Er wohnt ganz in der Nähe.

Nach einigen Abbiegungen stehe ich vor seinem Haus. Schnell schreite ich durch das Tor und laufe dem Weg entlang bis zum Eingang. Ich drücke kurz auf den Klingelknopf. Nach einem Augenblick wird die Tür aufgerissen, Leon rennt raus und knallt die Tür hinter sich zu. Dann packt er mein Handgelenk und zieht mich zurück zur Strasse. Verwirrt und überfordert starre ich ihn an. "Hey", lacht er. Ich hebe nur meine Hand. "Wollen wir los?" "Ja", sage ich. Leon holt sein Fahrrad aus der Garage, während ich auf meines aufsteige und den Helm anziehe. Leon taucht neben mir auf, einen Korb auf seinem Packträger. Leon lächelt mich an, schwingt sich auf sein Rad und fährt los. Ich beeile mich, ihm hinterher zu kommen. Leon biegt hinter seinem Haus auf einen Kieselweg ein. Ich fahre noch etwas schneller, um neben ihn zu kommen. "Also, wo geht‘s hin?" Leon schaut zu mir rüber und grinst: "Du bist so neugierig. Warte doch erst einmal ab. Ausserdem sag ich dir gar nichts!" Ich nehme meine Hand vom Lenker und boxe Leon kurz auf die Schulter. Nicht gerade meine beste Idee.

Plötzlich fliege ich durch die Luft und lande auf Knien und Händen auf dem Boden.

Haha, du bist voll auf die Schnauze gefallen, lacht mich die Stimme aus.

Du bist ja so lustig. Meine Antwort trieft nur so vor Sarkasmus.

Hahahahahahahaha!

KLAPPE!

"Alles in Ordnung Hope?" Leon holt mich aus meinem Streit mit meiner Stimme zurück. Ich setzte mich auf. "Na toll. Die Hose ist hin." In meiner Hose hat es zwei grosse Löcher. Ausserdem läuft Blut aus meinen Knien. Meine Hände sind ebenfalls rot. "Das sieht gar nicht gut aus! Ich muss dich zu einem Arzt bringen!" Leon tickt fast aus. Ich hole tief Luft und versuche ihn dann zu beruhigen: "Mir geht‘s gut. Aber hast du vielleicht Wasser dabei?" Leon verneint. "Aber es gibt hier in der Nähe einen Bach." Ich nicke. "Kannst du mich hinbringen?" Leon nickt und hilft mir dann aufzustehen. "Was ist mit den Rädern?" "Ich hole sie nachher." Leon stütz mich und wir laufen oder humpeln zum Bach. Ich lasse mich gerade vor dem Wasser nieder. "Gehst du jetzt die Fahrräder holen?" Leon lächelt und verschwindet dann durchs Gebüsch.

Ich strecke meine Hand aus und eine Wasserkugel steigt aus dem Bach empor. Sie schwebt auf mich zu. Ich halte meine Hände in die Kugel und es beginnt leicht zu schimmern. Ein Seufzen entfährt meinen Lippen. Ich spüre, wie die Wunde sich schliesst. Nach wenigen Sekunden ist die Verletzung verschwunden. Ich lasse aus der einen Kugel zwei machen. Durch eine weitere Handbewegung bewegt sich das Wasser auf meine Knie. Es leuchtet wieder. Nur wird dieser Heilungsprozess von einem Rascheln hinter mir unterbrochen. Sofort lasse ich das Wasser in den Bach zurück und drehe meinen Kopf nach hinten, um zu sehen, was das Rascheln verursacht hat.

Leon kommt mit den Fahrrädern zurück. "Wollen wir hier bleiben?", fragt Leon mich, nachdem er die Räder hingestellt hat und zu mir gekommen ist. "Ja. Hier ist es sehr schön." Verwundert schaut Leon auf meine Hände. "Die Wunden... Sie sind weg!" Ich schaue auf meine Hände. Shit! "Ähm,... ich hatte an den Händen nur Blut", stammle ich.

Gelogen!

Halt dein übergrossen Mundwerk! Ich muss mich konzentrieren oder willst du, dass wir auffliegen?

Ausnahmsweise ist es still. "Da war aber ganz sicher was!", beteuert Leon. Ich schüttle energisch den Kopf. "Nein. Das war von meinen Knien!"Ich bestärke die Aussage, in dem ich auf meine Knie deute, aus denen immer noch ein bisschen Blut fliesst. Leon steht auf und läuft zu seinem Fahrrad. Er nimmt den Korb vom Packträger und stellt ihn neben mir auf den Boden. Neugierig schaue ich hinein. Jedoch sehe ich nur auf eine karierte Decke. Diese nimmt Leon raus und breitet sie auf dem Boden aus. Er kommt zu mir und zieht mich auf die Beine. Dann humple ich zur Decke und lasse mich darauf wieder nieder. Leon nimmt zwei Teller aus dem Korb. So tischt er das ganze Essen auf, welches er mitgenommen hat. Ich nehme mir ein Sandwich mit Salami und beginne langsam zu kauen, während ich auf das Wasser starre. "Es ist beruhigend, nicht wahr?" Leon reisst mich aus meinen Gedanken. Ich schaue zu ihm. "Ja. Ich fühle mich immer gut, wenn Wasser in der Nähe ist", erwidere ich.

Wir sind noch einige Stunden dort gesessen, haben gegessen, gelacht oder einfach geredet. Dann sind wir zurück gefahren und Leon hat mich noch zu sich nach Hause eingeladen. Jetzt sitze ich auf der Couch im Wohnzimmer. Seine Mum sitzt mir gegenüber und mustert mich. Leon ist kurz in die Küche gegangen um etwas zu trinken zu holen. "Du bist also die Freundin meines Sohnes?", fragt seine Mutter. Ich nicke leicht. Dann beginnt sie zu strahlen. "Endlich", lacht sie. "Ich bin Stacie." "Hope." Etwas verwirrt gebe ich Stacie die Hand. Sie schüttelt sie und verlässt dann den Raum. Leon kommt kurz darauf zurück und reicht mir ein Glas mit Leitungswasser. "Danke."

"Ich muss nach Hause." Ich sitze auf einem Stuhl in Leons Zimmer. Dieser nickt und steht auf, worauf ich das Zimmer verlasse und in den Flur gehe. Ich ziehe mir die Schuhe und Jacke an. An der Tür gibt mir Leon noch einen Kuss und flüstert: "Bis Montag." "Bis Montag."

SkrixWo Geschichten leben. Entdecke jetzt