Ein trüber Morgen für Hogwarts

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Kapitel 21

Schnäbel von Raben kratzen an den Scheiben der Großen Halle, das Flattern ihrer Federn kaum zu hören. Alles war leise, als wäre man fast taub und könnte nur ahnen wie es sich um einen herum wohl anhören würde. Der Morgen war matt, nur spärlich brachen Sonnenstrahlen durch die graue Decke, die den Himmel umhüllte und sie einschloss, wie ein großer, grauer Käfig aus Luft. Es schwebte einfach schon in der Luft: Das Unheil, die Tragik, die Verdammnis war bereits greifbar, doch war es als veruche man Rauch zu fangen. Man konnte nichts sehen, verstand nicht was war oder wieso es war bis eine trockene Stimme die Mauern der Stille bröckeln ließ und ein spitzer Schrei sie schließlich völlig einriss.

Benommen setzte sich Max auf, ihm kam die Welt so viel blasser vor, der warme Sommertag gestern war nur noch ein Schatten in seiner Erinnerung, der nun den schweren Gedanken und der kalten Stimmung des hier und jetzt gewichen war. Er sah sich um, ließ seinen Blick durch die ganze Halle schweifen. 'Woher kam der Schrei?', fragte er sich in Gedanken. Ein Stück weiter saßen Lehrer um eine weinende Schülerin herum und flüsterten. 'Vermutlich ein Albtraum, nichts besonderes', dachte sich Max, doch würde er noch früh genug merken, wie falsch er gelegen hatte.

Bevor er aufstand warf er noch einen flüchtigen Blick auf Clara, die sich die ganze Nacht über wie Kind an ihn geklammert hatte und nun verloren und zusammengekauert neben ihm lag und sicherlich die Wärme seines Körpers vermisste. Mit langsamen Schritten fuhr er fort, ging zu den Lehrern. In seinem Kopf donnerte es aus weiter ferne.

Dumbledore bemerkte ihn als erstes und drehte sich rasch zu ihm um. "Du bist schon wach? Wir hatten gedacht du würdest länger schlafen. Ich nehme an es ist jetzt sowieso zu spät." Die Worte klangen trüb und einsam und genau so sah der Professor auch aus. "Was meinen sie?", fragte Max leise. "Miss Andrews hier drüben wollte ihre Freundin wecken, damit sie sich schon mal für's Frühstück fertig machen können. Sie hat alles versucht, aber sie ist einfach nicht augewacht. Außerdem ist sie furchtbar blass." Das war sie wirklich, ihre Haut war fahl und glich hellem Pergament. "Vierzehn andere Schüler sehen genau so aus und auch sie können wir einfach nicht wecken. Es ist... wie ein... Koma", sagte Dumbledore angestrengt.

Max riss langsam seine Augen auf. Sein Hirn war langsamer als sonst, irgendwie betäubt. Er unterhielt sich noch etwas mit Dumbledore, fragte nach Details. Sie waren alle noch am Leben, nur eben ohnmächtig. Keiner schaffte es sie aufzuwecken. Schließlich wurden sie auf fliegenden Tragen in den Krankenflügel gebracht, als würde Leichen durch die Gänge der Schule schweben, aber nicht wie die Geister, sondern mit schwarzen, eingefallenen Augen, Gesichter die allen Ausdruck verloren hatten und Körpern ruhig wie die Wasseroberfläche eines gefrorenen Sees, die unter dem dicken Eis schlummert.

Ängstlich ging er zurück zu seinem Schlafplatz. 'Was wenn sie nicht mehr aufwachen? Was wenn es morgen früh noch mehr Leute sind? Wie kann so etwas passieren?'. Solche und mehr Fragen spukten in seinem Kopf, als er achtsam die flauschige Decke hochhob und sich vorsichtig unter sie schob, bis er die warme Haut von Claras Füßen spürte, innehielt und die Decke wieder sinken ließ. Sofort hatte sie gemerkt, dass ihre Wärmflasche wieder neben ihr lag und so kuschelte sie sich an ihn und er dückte sie mit einem Arm an sich. Er sah den Hauch eines Lächelns auf ihren Lippen. "Schlaf ruhig noch weiter", flüsterte er ihr zu. Sie war tief am schlafen und hatte ihn wohl kaum gehört. Max sah den Lehrern hinterher, die die Halle durch die schwere Eichentür verließen, durch die nur wenige Augenblicke zuvor die betroffenen Schüler gebracht wurde. Gestern Abend waren die Ravenclaws als letztes in der Reihe gewesen und scheinbar hatte das etwas mit dem Koma der Schüler zu tun: Sie alle hatten weit außen gelegen, sie alle waren Ravenclaws.


Stunden später, am Nachmittag in irgendeinem verlassenen Unterrichtsraum


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