Kapitel 36

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Die Stille, die um uns herrschte war lauter, als alle Gespräche und die Musik, die in der ganzen Bar zu hören war. Kayla mied meinen Blick, so gut sie konnte. Die Zwillinge starten nur auf ihre Getränke und ich fühlte den Druck, der sich durch die ganze Situation auf mich gelegt hatte und mir dadurch die Luft zum atmen nahm. Irgendwie war es so, als stünde ich kurz vor einer Panikattacke. Der Raum schien mir mit einem mal viel kleiner und erdrückender vor. Es war nicht zum aushalten.
Was Kaden anging, er war der einzige, der erwartungsvoll in unsere Gesichter blickte und nur darauf wartete, bis einer von uns irgendetwas sagte. Nur tat es keiner und ich merkte, wie es ihm langsam wirklich auf die Nerven ging.
>>Ihr wisst schon, dass wir hier doch lange sitzen bleiben werden, bis dieser ganze Mist aus der Welt geschafft wurde?<< Ja, er klang wirklich genervt. Und er benutzte sogar die gleiche Methode, wie unser Vater damals, als Kaden und ich uns mal in die Haare gekriegt hatten. Er behielt uns so lange bei sich, bis wir miteinander gesprochen hatten - in unseren Fall hatten wir uns dadurch nur noch mehr gestritten, ehe wir uns dann vertragen hatten.
>>Was willst du hören?<<, meldete sich Kayla mit einem mal. >>Deine Schwester hat sich wie ein richtiges Miststück benommen. Mia und Mika arbeiten ununterbrochen und machen sich nicht mal die Mühe sich zu melden. Merkst du das nicht? Unsere Gruppe ist schon lange vorher auseinander gefallen. Du willst die Situation retten, aber da gibt es nichts zu retten. Kapiere es Kaden.<<
Es verletzte mich wirklich, dass sie so dachte. Ein Jahrzehnt waren wir unzertrennlich, hatten praktisch alles mögliche miteinander erlebt und nun schien tatsächlich alles zu bröckeln. Doch es war nur die Trauer, die uns voneinander fern hielt, der Verlust eines geliebten Freundes. Das hieß aber noch lange nicht, dass unsere jahrelange Freundschaft nun vollkommen zerstört war.

>>Hörst du dich da eigentlich reden? Nick wäre enttäuscht von dir.<<
Ein Stich durchfuhr meine Brust, als Kaden diese Worte aussprach. Seit seinem Tod hatte ich keinen von meinen Freunden über ihn sprechen gehört. Ich glaubte, dass jeder von ihnen dieses Thema vermied.
Aber ich musste zugeben, dass mein Bruder recht hatte. Wenn Nick hier wäre und uns nun sehen würde.. Er wäre enttäuscht von uns.
Kayla schlug mit den flachen Händen auf den Tisch und funkelte Kaden wütend an. >>Aber Nick ist nicht hier! Nick war der einige, der uns immer zusammen hielt, aber jetzt ist er nicht mehr da!<<
>>Es ist eure Freundschaft, die euch zusammenhält und nicht er. Du und Sel wart bereits Freunde bevor ihr Nick kennengelernt habt! Ja, sie hat in letzter Zeit einige Fehler gemacht, aber das haben wir alle, aber sie hat wenigstens begriffen, was sie falsch gemacht hat. Aber du handelst noch immer selbstsüchtig, du bleibst stur, obwohl es nicht einmal mehr nötig ist. Verdammt noch mal, Kayla, das leben geht weiter. Ja, es war eine Tragödie als Nick gestorben ist, aber gerade deshalb brauchen wir uns am meisten.<< Er sah zu den Zwillingen, die noch immer still auf ihre Gläser starrten. >>Ich weiß, dass ihr beide auch voller Trauer seid, doch sich von jeden anderen abzukapseln ist ein Riesenfehler. Nichts von alldem hätte Nick jemals gewollt. Er hatte gewollt, dass wir alle weiter machen, dass wir ihn in ehren halten, aber ihr tut seit Wochen nichts anderes, als darauf herumzutreten. Meine Schwester hat bereits begriffen, dass sie ihre Einstellung verändern muss. Jetzt seit ihr an der Reihe eure sture Einstellung wegzuwerfen. Es ist an der Zeit wieder so zu leben, wie Nick es sich für uns alle vorgestellt hätte.<<
Diese kleine Rede hatte wirklich gesessen. Die Zwillinge waren mit einem mal in sich gekehrt und sogar Kayla war verstummt. Ich sah sogar das glitzern in ihren Augen, als Tränen in diese aufstiegen.
In diesen Moment spurte ich, dass sich etwas in unserer Runde veränderte. Durch Kadens Worte wurde etwas ausgelöst. Etwas, was alle anderen an diesen Tisch zum nachdenken brachte.
In diesen Moment wusste ich, dass sich alles wieder normalisieren würde. Zwar mit der Zeit, doch das würde es.

**

Mein Gefühl sollte recht behalten. Die nächsten Tage war jegliche Situation zwischen meinen freunden und mir entschärft. Zwar war es zwischen Kayla und mir noch immer nicht so wie früher, doch sie sah mich nicht langer verachtend an.
Kadens Rede hatte jeden von uns zum nachdenken gebracht und es war gut so. Dennoch ließ ich ihr Raum und verzog mich über die Nächte zu Damien, auf dem ich übrigens noch immer sauer war, weil er mir den Plan, den er mit meinen Bruder geschmiedet hatte, verschwieg.
Es war seine Idee gewesen dieses treffen in der Bar zu arrangieren. Als ich geschlagen hatte, hatte er Karen angerufen und alles klar gemacht. Ohne mein Wissen, hatte er mich dorthin geschickt, auch wenn es im Nachhinein doch eine recht gute Idee war. Dennoch hatte er mich reingelegt.
>>Willst du auch einen Kaffee?<<
Seufzend kuschelte ich mich an Damiens Brust und nickte.
Am liebsten wäre ich im Bett geblieben, doch es war an der Zeit arbeiten zu gehen. Seit längeren gab ich wieder Unterricht. Meine Schüler hatten unter meinen Launen genug gelitten.
Die Trauerzeit war noch längst nicht vorbei, doch wie Kaden es gesagt hatte, das Leben ging nun mal irgendwie weiter.
>>Dafür musst du mich aber loslassen<<, lachte er leicht. Dieses mal schüttelte ich jedoch mit dem Kopf.
>>Ich will nicht.<<
>>Ich weiß, aber daran führt leider kein weg vorbei.<<
Wehleidig aufstöhnend rollte ich mich auf den Rücken, sodass er aufstehen konnte. Lächelnd sah er mich an, ehe er das Schlafzimmer verließ und in die Küche ging.
Einige Zeit blieb ich noch im Bett liegen, bis ich mich dann selbst aufrappelte und ins Badezimmer ging, um mich zu waschen.

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