Kapitel 34

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Es hatte lange gedauert, bis ich zu einer Entscheidung gekommen war. Und es hatte mich eine menge Überwindungskraft gekostet, um über meinen eigenen Schatten zu springen. Doch obwohl ich mich am liebsten erneut zurückgezogen hätte, durfte ich es länger nicht tun. Damiens Ultimatum hatte mir letztendlich doch die Augen geöffnet und ich begriff, dass ich diesen Mann einfach nicht gehen lassen durfte. Er war das wirklich einzig richtig gute in meinem Leben. Bei ihm fühlte ich mich anders. Bei ihm brauchte ich nicht nach meinem nächsten Kick zu suchen, denn er war mein nächster Kick. Das war er bereits von Anfang an. Also riss ich mich endlich zusammen und stand mit hämmernden Herzen vor Damiens Tür.
In letzter Zeit hatte ich so einiges falsch gemacht, hatte Leute um mich vor den Kopf gestoßen und war nicht gerade nett zu ihnen. Aber ich wollte wenigstens jetzt alles richtig machen, indem ich mit meiner bröckelnden Beziehung begann.
Zu meinem Glück, hatte mich einer der Bewohner in das Gebäude gelassen, als er dieses gerade verlassen wollte. So konnte mich Damien nicht bereits unten vor der Eingangstür abwimmeln.
Ich hob langsam meine Hand und drückte auf den Knopf der Klingel. Augenblicklich spannte ich mich an und hielt die Luft an. Mir wurde übel und ich wollte eigentlich schnell wieder abhauen, doch ich zwang mich dazu vor dieser Tür zu verharren und zu warten. Und es dauerte eine gefühlte Ewigkeit, bis diese geöffnet wurde. Damien schien nicht überrascht von meinem Besuch zu sein, andererseits sah er auch nicht erfreut darüber aus. Sein Gesichtsausdruck wirkte kontrolliert und auch distanziert. Ich musste zugeben, dass ich ihn so nicht gerne sah, aber damit musste ich mich nun mal abfinden, denn er hatte von mir bereits schlimmeres mitansehen müssen. Dennoch verspürte ich diesen Kloß in meinem Hals, welcher immer größer wurde, je länger ich ihn ansah.
Bedrückt sah ich zu Boden und biss mir fest auf die Unterlippe, um meine aufkommenden Tränen wieder zu unterdrücken.
>>Ich weiß, dass ich mich wie die letzte Vollidiotin benommen habe<<, sagte ich leise und merkte selbst, wie meine Stimme dabei zu zittern begann. >>Es tut mir so leid.<<
Damit war das mit den Tränen unterdrücken nicht mehr möglich und sie überwältigten mich, sodass mir auch noch ein Schluchzen entkommen war. Ich sah ihn noch immer nicht an und kniff die Augen zusammen. Die unerträgliche Stille, die zwischen uns herrschte, machte mich nach und nach fertig.
Damien antwortete nichts und ich wusste nicht, was nun in seinem Kopf vorging. Aber als er mit einem mal seine Arme um mich schloss und mich sanft an seinen Körper drückte, keuchte ich überrascht auf und krallte mich eine Sekunde später an sein Shirt fest.
>>Bitte, hilf mir<<, flehte ich ihn schluchzend an. Ich musste es schaffen wieder zu mir selbst zu finden. Durch das ganze nachdenken, sah ich ein, dass ich Hilfe brauchte, jedoch nicht von irgendwelchen Psychologen, sondern von den Menschen, die mir am meisten bedeuteten.
>>Das ist alles was ich hören wollte<<, flüsterte Damien mit einem mal und fuhr mir trösten über den Hinterkopf. Bei seinen Worten schluchzte ich erneut auf und klammerte mich noch mehr an ihn fest, ehe er mich in seine Wohnung hineinbrachte.

Es war das erste mal seit Tagen, dass ich mit jemanden sprach. Über meine Gefühle, Gedanken und über alles, was mich quälte. Alles, was ich in der letzten Zeit in mir aufgestaut hatte, sprudelte nun aus mir heraus. Ich redete, wie ein Wasserfall über meine Alpträume, die schlaflosen Nächte, den Schmerz, während Damien nur neben mir saß und mir aufmerksam zuhörte. Er musste nicht einmal etwas sagen. Alles was er tun musste, war bei mir zu sein, während ich alles herausließ.
Und nachdem auch alles raus war, musste ich zugeben, dass ich mich plötzlich viel leichter fühlte. Die ungeheure Last, die auf meiner Brust lag und mir die Luft zum Atem raubte, war schlagartig verschwunden, sodass ich endlich tief aufatmen konnte. Doch auch, wenn diese Last nun weg war, das ungeheuer schlechte Gewissen belastete mich noch immer, sodass ich auf meine Hände hinunterblickte, die ich immer wieder zusammendrückte.
>>Es tut mir leid.. Alles was ich an dem Tag zu dir gesagt habe. Ich wusste, wie sehr du darunter zu leiden hast und trotzdem habe ich noch einen draufgesetzt. Es war nicht fair von mir.<<
>>Obwohl ich weiß, dass du an diesen Tag selbst gelitten hast, war es das wirklich nicht.<<
Tja, das war knallhart, aber es war nun mal die Wahrheit und die konnte ich ihm nun wirklich nicht übel nehmen.
Ich spürte wieder die Tränen aufkamen und hätte mir in dem Moment selbst eine verpassen können. Dafür, dass ich so emotional war.
Als er nichts mehr sagte, fühlte ich mich nur noch schlechter und wischte mir die nassen Stellen unter meinen Augen weg, aber die Tränen hörten einfach nicht auf zu fließen.
>>Damien ich will dich nicht verlieren. Noch nie habe ich mich bei einem Mann so lebendig gefühlt, wie bei dir. Ich wollte es mir lange Zeit nicht eingestehen, aber ich brauche dich in meinem Leben. Und... Und wenn du auch noch weg bist, dann... dann weiß ich nicht, wie ich überhaupt noch weiter machen kann.<< So sehr hatte ich mich noch nie jemanden geöffnet, aber es fühlte sich gut an. Nach so langer Zeit konnte ich endlich die Worte aussprechen, die mir wirklich am Herzen lagen und das ohne mich zu fürchten.
Als sich seine Hand vorsichtig auf meine legte, sah ich zum ersten mal zu ihm mit verheulten Augen auf. In seinem Ausdruck tauchte eine Verletzlichkeit auf, je länger er mich ansah.
>>Das was ich auf dem Feld gesagt habe ist die Wahrheit. Ich liebe dich wirklich. Aber als ich dich dort gesehen und beobachtet habe, wie sich dein Fallschirm nicht öffnete, hatte ich Angst. Ich hatte solche Angst um dich gehabt, dass es mich beinahe umgebracht hat.<<
Ich sah ihn mit großen Augen an und bemerkte nicht einmal, wie meine Tränen versiegten. Mit so viel Offenheit seinerseits hätte ich wirklich nicht gerechnet. Doch es brachte mein Herz zum rasen.
>>Ich will diese Angst nicht noch einmal verspüren.<<
Sofort schüttelte ich den Kopf und drehte ich auf der Couch zu ihm. >>Das wirst du nicht. Ich verspreche dir, dass ich sowas nie wieder tun werde. Es war dumm von mir, das habe ich jetzt verstanden.<< Ich wusste, dass ich mich in diesen Moment, wie ein weinerliches Kind anhörte. Ich flehte ihn gerade an mich nicht zu verlassen, aber was hätte ich denn sonst tun sollen? Ich konnte nun mal nicht ohne ihn und um Damien nicht zu verlieren, würde ich mich wirklich wie der letzte Volltrottel benehmen, und das ohne zu zögern.
Er aber lächelte traurig und schüttelte den Kopf. >>Dieser ganze Sport gehört zu seinem Leben. Das ist es, was dich aus macht und ich werde dich nicht darum bitten für mich damit aufzuhören.<<
Panik ergriff mich und ich klammerte mich an seine Hand, als wäre er mein letzter Rettungsanker. >>Du musst mich um nichts bitten. Ich tue es freiwillig. Ich brauche diesen ganzen Mist nicht, wenn ich dich bei mir habe.<<
>>Ich werde es nicht von dir verlangen und das weißt du.<< Er blieb stur, doch ich tat es auch. Ich war die sturste Person auf diesen Planeten und er würde nicht gegen mich gewinnen, das ließ ich nicht zu.
>>Das musst du auch nicht tun, denn für die Person, die ich liebe, würde ich alles aufgeben.<< Augenblicklich spürte ich, wie sich seine Hand unter meiner verkrampfte. Doch in seinen Augen konnte ich etwas aufblitzen sehen. Freude, Glück, Liebe. Da war so viel Gefühl in dem strahlenden Blau zu sehen, dass es mich überwältigte.

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