11. Leben

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Ben POV


Wie gerne hätte ich sie geküsst.

Ihr Anblick machte mich so schwach. Ich konnte immer nur an das schöne Gefühl denken, das ich hatte, als ich sie geküsst hatte. Dieser Moment zählte zu einem der wenig Glücklichen in meinem Leben.

Doch ich konnte es nicht tun. Nicht, weil meine Gefühle nachgelassen hätten. Ich konnte nach dieser Vision nicht so tun, als hätte ich sie nicht gerade umgebracht.

Was mich am meisten erschüttert hatte war, dass ich es gewollt hatte. Ich hatte in diesem Moment nicht über die Folgen nachgedacht. Die dunkle Seite hatte die helle Seite in mir in diesem Moment vernichtet. Es war auch nicht fair gewesen, sie war erschöpft und ich voller Kraft. Als wäre das nicht schon genug gewesen, hatte ich mich ihrer Kraft noch zusätzlich bedient. Ich war angeekelt von mir selbst.

Und ihre letzten Worte...

Er hätte sie nie umgebracht, wenn er diese Gewissheit über ihre Gefühle gehabt hätte. Insgeheim hatte er auch gehofft, sie würde sie jetzt sagen. Das hätte seine Entscheidung um einiges leichter gemacht. Dann müsste er jetzt nicht durch diese letzte Tür gehen. Nach dem, was er in den letzten beiden Visionen gesehen hatte, wollte er nicht dadurch gehen. Und doch musste er es. Rey hatte Recht gehabt, es blieb ihm nur noch wenig Zeit. Also drehte er sich zur letzten Tür und sie schien heller als alle beide davor. Sie erstrahlte in einem warmen Gold, und ich hob die Hand, um nicht allzu sehr geblendet zu werden. Es zeigte den Schriftzug: Leben.

Fasziniert von der Schönheit der letzten Tür, verschwanden all meine Zweifel. Ehrfürchtig öffnete ich sie und tritt hindurch.

Kaum war ich hindurchgetreten, machte sich ein warmes und zufriedenes Gefühl in mir breit. Als ob dieser Ort schon darauf gewartet hatte, dass ich kam, um mich freundlich zu empfangen. Warmes Licht strömte durch ein dichtes Blätterdach. Ich stand auf einem kleinen Weg, säuberlich bepflastert mit schokoladenbraunem Ebenholz, was den Weg natürlich erschienen ließ. Ich konnte mich nicht erinnern schon einmal auf so einem schönen Planeten gewesen zu sein.

In der Ferne sah ich einen Marktplatz mit vielen kleinen bunten Ständen. Dahinter ein großes Gebäude mit einem Kuppeldach, das in der Sonne glitzerte. Zu meiner rechten war ein paar Meter vom Weg entfernt ein großer See mit türkisblauem Wasser. Auf der anderen Seite erhoben sich mächtige Berge, die mit Grün bewachsen waren. Alles strahlte einfach Frieden aus. Ich hätte ewig so dastehen können. Hier fühlte ich mich geborgen. Schließlich weckte das Getümmel vom Marktplatz meine Neugier und ich folgte dem Weg dorthin. Als ich mich in Bewegung setzte, bemerkte ich dass sich meine Kleidung verändert hatte. Ich trug nicht mehr mein schwarzes Outfit, sondern eine lockere cremefarbene Tunika und eine bequeme gewobene Baumwollhose. Die Kleidung verwirrte mich zwar, doch es war etwas abwechslungsreich und bequem, also ließ ich es dabei.

Ich folgte also dem Weg und je näher ich kam, desto größer wurde der Duft von frisch gebackenem Brot, frischen Früchten und Blumen. Der Weg verwandelte sich vom Holz zu einem hellen Terracottabelag. Das Getümmel wurde lauter, die Händler priesen ihre Waren an. Ich lief an den Ständen vorbei und blieb schließlich vor einem mit Backwaren beladenen Stand stehen. „Ah! Hallo, Ben! Wie schön dich zu sehen! Du warst aber schon lange nicht mehr bei mir! Bist du wohl diesmal mit einkaufen dran, was? Viel zu tun?", begrüßte mich der Verkäufer freundlich, während er die frischen Brötchen und Brote auf den Regalen verteilte. Die vielen Informationen überraschten mich, doch ich wollte nicht merkwürdig rüberkommen. Anscheinend kannte er mich und erwartete, dass ich etwas kaufte. Er schien mich wohl zu verwechseln. Er hätte sich vor mir fürchten sollen, schließlich war ich doch Kylo Ren! ...Oder etwa doch nicht? Wenn meine Überlegungen richtig waren, müsste das hier die Parallelzukunft sein, wenn ich mich für die helle Seite entscheiden würde. Interessant. Die Leute würden mich also nicht einsperren. Aber, dass sie so freundlich wären, hätte ich niemals erwartet.

„Oh, tut mir leid, ja, viel zu tun.", antwortete ich schnell, um zumindest irgendeine Antwort zu geben. Ich tastete meine neue Kleidung ab, auf der Suche nach Geld. Letztlich fand ich einen kleinen Lederbeutel, der an meiner Hose befestigt war und kramte das Geld hervor. „Das Übliche, bitte.", sagte ich, in der Hoffnung der Mann wüsste, was ich meinte. „Natürlich! Hier, bitteschön!" Der Mann überreichte mir eine Papiertüte mit einem Laib Brot, zwei Brötchen und einem Muffin. „Der Muffin geht aufs Haus! Ist für deine Frau! Die braucht bestimmt was Süßes! Sag ihr liebe Grüße von mir!", sagte der Verkäufer fröhlich und ich gab ihm das Geld. „Vielen Dank, sie wird sich bestimmt freuen!", antwortete ich, winkte ihm freundlich zum Abschied und ging dann weg. Sofort nachdem ich mich umgedreht hatte runzelte ich die Stirn. Wo kam das denn auf einmal her? Ich konnte ja tatsächlich freundlich sein. Die höfliche und herzliche Art des Verkäufers war aber auch ansteckend gewesen. Und was hatte er da gesagt? Ich hatte eine Frau? Dann hatte ich ja auch sicher ein Haus, wo ich jetzt hinmusste...

Plötzlich blitze eine Erinnerung an mein Haus auf. Und der Weg, den ich gehen musste, um dorthin zu gelangen. Aber das konnte doch gar nicht sein. Ich war doch das erste Mal hier. Verwirrt lief ich den Weg entlang, den mir meine Intuition vorgeschlagen hatte. Wer wohl meine Frau war? Natürlich hatte ich einen ganz besonderen Wunsch, wer es sein sollte, doch das hier sollte doch eine Zukunft darstellen und nicht meine Träume. Warum war dann alles so perfekt? Warum wurde ich belohnt für all das Schreckliche, was ich in der Vergangenheit getan hatte?

Die Sonne ging hinter dem See unter und verwandelte den Himmel in ein Spiel aus orangenen und purpurnen Farben. Eine laue Brise kam aus Richtung See und rundete damit den Sommerabend perfekt ab. Das alles war viel zu schön, um wahr zu sein.


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