Kapitel 1

6.8K 334 22
                                    

Jeder hörte ihr zu, unserer Ältesten. Auch wenn viele von uns die Geschichte unserer Entstehung schon kannte, so zog sie uns dennoch immer wieder in dem Bann. Vor vielleicht 14 Jahren hörte ich diese Geschichte zum ersten Mal, genauso wie die Kleinen, die sie heute erzählt bekamen.

„Wynola, wir brauchen noch ein paar Teller", rief mir Ivonne zu, die gerade mit anderen Frauen aus dem Rudel dabei war hier draußen auf der Wiese den Tisch zu decken und riss mich dabei aus meinen Gedanken.

„Ich hole noch ein paar, Iv!", antwortete ich ihr und lief zurück in das Rudelhaus und in die Küche. Der Sohn unseres Alphas hatte seine Mate gefunden und daher sollte heute Abend gefeiert werden und jeder freute sich für ihn. Mich eingeschlossen. Xavier hatte es verdient seine Mate zu treffen. Nur wird es noch etwas dauern, bis er die Position seines Vaters übernehmen wird. Er ist gerade mal 17 Jahre alt und sofern es seinen Vater noch gut geht, wird dieser wohl noch einige Jahre das Rudel führen. Meistens gibt der Alpha seinen Stellung dann an seinem Sohn weiter, wenn er denkt, dass es der richtige Zeitpunkt ist. Wir Werwölfe altern langsamer als Menschen. Sehr, sehr viel langsamer. Unser Rudel ist ein sehr junges Rudel, daher ist unser Alpha auch 'erst' um die 100 Jahre alt. Sein Vater ist bei einem Kampf gegen einen gegnerischen Rudel umgekommen.

Es gibt keine Regel, wann man seinen Mate findet. Ab der ersten Verwandlung, die meistens in dem Alter von 5 Jahren eintritt, kann man ihn treffen. Das heißt manche finden seinen Mate schon mit 7 Jahren, oder eben erst mit 45 Jahren. Daher machte ich mir mit meinen 20 Jahren keine Sorgen. Ich hatte schließlich noch genug Zeit.

Aus dem Regal holte ich die letzten 10 Teller und betrachtete fasziniert das Muster an ihrem Rand. Meine hellbraunen Augen und meine dunklen Haare spiegelten sich im Porzellan. Ein Lächeln umspielte meine Lippen und mein Spiegelbild tat es mir gleich.

Die Haare hatte ich von meiner Mutter geerbt, die Augen von meinem Vater.

Da ich meine Haare zu einem Zopf geflochten hatte, konnte man eine kleine Sonne hinter meinem rechten Ohr sehen. Viele hier in dem Rudel waren die Kinder der Sonne, doch es gab auch einige, die der Göttin Luna abstammten, was uns aber egal war. Wir sahen uns als Eins.

„Wy! Wo bleibst du?", hörte ich Ivonne von weiten rufen, weshalb ich mich von meinem Spiegelbild löste. Dann mal an die Arbeit.

Als ich wieder bei den anderen war, deckte ich mit ihnen den Tisch fertig. Anschließend dekorierten wir die Tische mit Blumen und Kerzen.

„Das waren jetzt um die 300 Teller! Das ist doch echt verrückt wie viel wir gedeckt haben", staunte Iv. „Zum Glück findet Xavier nur eine Mate", grinste ich und auch Ivonne fing an zu grinsen. „Ja, da muss ich euch recht geben", hörten wir die Stimme von Xaviers Mate. Ups.

„Hallo ihr Zwei. Danke, dass ihr auch helft", bedankte sie sich mit einem warmen Lächeln. „Wie heißt ihr beide denn? Ich bin Samira", fragte sie uns. „Ich heiße Ivonne und das hier ist Wynola", stelle Ivonne uns beide vor. „Dann danke, Ivonne und Wynola!", lächelte sie und verabschiedete sich von uns Beiden, um sich auch bei den anderen zu Bedanken.

„Wow, ich habe mit unserer zukünftigen Luna gesprochen!", kreischte Iv leise und strahlte mich an. „Herzlichen Glückwunsche", lachte ich und zog sie mit mir. „Wir müssen uns nur noch fertigmachen und dann gibts heute Abend leckeres Essen", liefen wir Beide in Richtung unseres Zimmers.

Wir wohnten mit anderen zusammen im Rudelhaus, da wir beide unsere Eltern verloren haben. Ivonnes Eltern sind bei der Verteidigung unseres Rudelreviers von Rouges getötet worden und meine Eltern, naja, keine Ahnung was mit meinen Eltern ist. Meine Eltern waren nicht oft daheim, da sie immer Aufträge von unserem Alpha hatten und eines Tages kamen sie nicht mehr zurück. Irgendwann hat unser Alpha sie als tot erklärt. Natürlich habe ich das nicht einfach so hingenommen. Ich habe sie gesucht, doch als mein Alpha das bemerkte, wollte er dass ich das unterlasse und das tat ich schließlich auch. Sie wären zu mir zurückgekommen, wenn nicht irgendetwas passiert wäre. Letztendlich wurde ich vom Rudel aufgezogen. Das Rudel war meine neue Familie, die meine Eltern aber nie ersetzten konnten.

Atem des HerzenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt