Es war gegen Mittag, als Serenity das Gefühl hatte, dass etwas nicht stimmte und unvermittelt stehen blieb.
„Was ist?", fragte Sunray.
„Hast du das gehört?"
„Ich höre nur wie mein Magen knurrt", sagte Sunray und sein Magen stimmte ihm lauthals zu.
Serenity entspannte sich. Es war nur Sunray's leerer Bauch. Und sie hatte schon einen Schreck gekriegt.
„Sag deinem Bauch, er soll still sein", tadelte sie ihn.
„Deinen kann ich aber auch bis hier hören", hielt Sunray dagegen.
Es stimmte. Beide hatten unsäglichen Hunger. Sie sollten besser schnell etwas zu essen auftreiben. Sunray schlurfte schon die ganze Zeit mehr als das er ging und stolperte über seinen eigenen Hufe und fiel auf die Nase.
„Aua."
„Du Heukopf", sagte sie Kopfschüttelnd. Während Sunray sich murrend wieder aufrappelte, wehte ein merkwürdiger Geruch in Serenity's Nase. „Sei still", zischte sie und presste Sunrays Kiefer aufeinander.
„Ftimmt waf nift?", fragte Sunray.
„Genau", raunte Serenity und sah sich vorsichtig um. Kein Laut war zu hören. Nichts, als ob der Wald mit einem Mal gespannt den Atem anhalten würde. „Und dieser Geruch."
„Stimmt. Es stinkt irgendwie. Was ist das?"
„Timberwölfe", hauchte sie.
„Meinst du echt?"
Sunray hatte schon von den gefährlichen Timberwölfen gehört, den Raubtieren die es auch in Equestria gab. Wölfe aus Holz und Moos, Ästen und Blättern waren sie. Man konnte sie zerschlagen, zerschmettern, aber angeblich setzten sie sich immer wieder zusammen und waren unschlagbare Jäger.
In diesem Moment brachen die Timberwölfe durch das Unterholz, ein halbes dutzend und Sunray und Serenity taten das einzige das ihnen einfiel: sie duckten sich auf den Boden. Doch anstatt sich auf sie zu werfen sprangen die Timberwölfe einfach über die beiden weg und rannten weiter, verschwanden einfach im Unterholz, ohne die beiden auch nur eines Blickes zu würdigen.
„Was war das denn?", fragte Sunray verwundert.
Doch eine Antwort erhielt er nicht. Tausende von Vögeln rauschten als unförmige Schatten aufgeregt zwitschernd an ihnen vorbei und in den Himmel hinauf. Das Flattern der Vögel verhallte im Wald und einige Federn segelten zu Boden.
„Und was war das?", fragte Sunray. Er sah zu Serenity. Ihr Gesicht glich einer kreideweißen Maske und ihre Augen waren starr auf etwas hinter Sunray gerichtet. Sunray drehte sich um und sah auf einem Baum einen merkwürdigen großen schwarzen Vogel sitzen, der mit drei roten Augen auf sie hinuntersah. Und er war nicht allein. Ein ganzer Schwarm gleicher schwarzer Vögel mit den gleichen roten Augenpaaren starrte sie an. Sunray's Blick rutschte zu einem anderen Baum. Dort saßen sie auch. Und genauso war es bei dem nächsten Baum und bei dem danach auch.
„Was wollen die?", fragte Sunray leise. Er ahnte wovor die Vögel und die Timberwölfe gerade geflohen waren.
„Wir sollten hier ganz schnell weg", raunte Serenity zurück.
Sie sahen kurz zu den Vögeln hoch, die ihren Blick mit schief gelegten Köpfen erwiderten, dann rannten sie los. Hinter sich hörten sie einen Schrei und das Klatschen und Schlagen großer Flügelpaare. Kreischend setzte der Schwarm ihnen nach.
„Was sind das für Viecher?", rief Sunray über den Lärm der Vögel Serenity zu.
„Ich weiß es nicht", antwortete Serenity. „Aber..."
„Aber was?"
„Sie erinnern mich an den Grauen Hengst!"
Sunray hätte sie gern gefragt, wie sie das meinte, aber im selben Moment schrammten zwei harte Krallenfüße über seinen Kopf. „AU!"
Sie waren nicht nur hinter ihnen, sondern auch vor ihnen wirbelten sie umher, kreischend und flatternd. Ein Vogel schoss mit aufgerissenem Schnabel auf Sunray zu, der sich gerade noch wegducken konnte.
Sie stolperten über Wurzeln und Steine, sprangen über umgestürzte Bäume aber den Schwarm konnten sie nicht abhängen.
Er hörte Serenity schreien. Zwei der Vögel zerrten an ihrer Mähne. Sunray trat einen weg, den anderen traf Serenitys Huf.
„Ich kann nicht mehr." Keuchend sank sie zu Boden. Sie war völlig kraftlos. Sie konnte nicht mehr laufen, sie konnte nicht mehr zaubern. Hätte sie etwas gegessen oder ein wenig mehr geschlafen dann vielleicht... aber so nicht. Irgendwie mussten sie einen Ausweg finden.
Die Vögel kreisten um sie her, wie ein schwarzer Wirbelsturm, aus dem immer wieder einige ausbrachen und mit ihren Krallen und Schnäbeln über Sunray und Serenity hinwegfuhren.
Sunray tat sein bestes die heranstürzenden Vögel weg zu treten, aber es waren einfach zu viele. Er stellte sich über Serenity, die ihre Hufe über den Kopf legte, so konnten die Vögel wenigstens sie nicht erreichen.
Durch den Wirbel aus Gefieder konnte Serenity plötzlich etwas erkennen.
Sie sprang auf und rief: „Dorthin!"
Ohne zu zögern folgte Sunray ihr. Sie sprangen durch die Mauer aus Vögeln, wobei sie sich tiefe Kratzer und Schnitte zuzogen, und rannten aus dem Schutz der Bäume auf eine große, flache Wiese. Obwohl Sunray der Kopf schwirrte, die Ohren rauschten, er kaum noch atmen konnte und seine Beine ihn kaum noch zu tragen vermochten, konnte er nicht anders als innerlich zu staunen; in der Mitte der Wiese stand ein gewaltiger Baum, wie Sunray ihn noch nie gesehen hatte. Seine Wurzeln zeichneten Wellenmuster unter die Erde, sein knotiger Stamm war so dick, dass Zehn Hengste nicht gereicht hätten um ihn zu umschließen und seine Äste ragten fast bis zum Waldrand.
Sunray folgte Serenity, die mehrere Schritte vor ihm lief. Etwas traf Sunray am Kopf, einer der Vögel hatte ihn erwischt und gleichzeitig stolperte er über eine der Wurzeln, die den Boden so uneben machten. Sunray stürzte der Länge nach auf die Erde. Als er den Kopf hob, sah er hinter Serenity zwei der Vögel, die ihre Krallen nach ihr ausstreckten, gerade als sie den Baumstamm erreichte und Sunray ihr eine Warnung zuschreien wollte, doch dann war sie schon weg. Sie war Buchstäblich von der Erde verschluckt worden.
Sunray wusste nicht, was das bedeutete, doch ehe er sich aufrichten konnte, griffen ihn fünf oder sechs Vögel an. Er hörte Serenity's Stimme: „Duck' dich!"
Er schlug die Hufe über dem Kopf zusammen. Sunray hörte ein lautes Rauschen und Knarzen und merkte, wie etwas gewaltiges über ihn hinweg sauste und dabei die Vögel von ihm wegschlug. Sunray sprang auf die Hufe und rannte durch einen Vorhang aus schwarzen Federn und roten Augen, trotzdem versuchte er geradeaus zu laufen, dorthin wo Serenity verschwunden war.
„Hierher! Hierher", hörte er ihre Stimme rufen. Dann hatte er plötzlich keinen Boden mehr unter den Füßen und fiel in eine Wurzelhöhle auf Serenity.
Sunray sah an Serenity vorbei, durch die Öffnung der Höhle, die gerade mal so tief war, dass er gut seinen Kopf herausstrecken konnte. Über der Öffnung jagten die Vögel vorbei. Sie umkreisten den Baum, wütend kreischend und schimpfend.
Anscheinend wagten sie sich nicht näher heran, denn in der Wurzelhöhle gab es für Sunray und Serenity keine Chance zu entkommen.
„Was machen wir jetzt?", fragte Sunray.
„Keine Sorge", meinte Serenity mit einem zuversichtlichen Lächeln im Gesicht das Sunray nicht verstand. „Es ist gleich vorbei."
„Was meinst du?", wollte Sunray fragen, doch dann hörte er etwas. Etwas, das die kreischenden Stimmen der Vögel übertönte. Ein Rascheln und Knacken und Knistern und Knattern. Der Boden vibrierte und zitterte, Staub rieselte von den Höhlenwänden. Dann ein Ächzen, gefolgt von einem Knarzen das klang wie das stöhnen eines Alten, der seine Knochen durchstreckte. Darauf hörte Sunray ein lautes Rascheln wie schon zuvor, als er am Boden gelegen hatte, vermischt mit dem Aufschrei mehrerer Vögel, die von etwas getroffen wurden.
„Was ist da los?"
Serenity antwortete nicht. Sunray stand da, sah was sich oben abspielte und ihm entfuhr ein Aufschrei. Der Baum war kraftvoll und stark. Serenity hatte aus gutem Grund ihn als Zuflucht gewählt. Wenn es einen sicheren Platz in diesem Wald geben sollte, dann war er bei diesem Baum. Er war Alt, uralt. Seine Wurzeln hatten schon in dieser Erde getrieben, als der Wald selbst noch nicht einmal gekeimt war. Dieser Baum war der Vater des Waldes und er konnte es nicht ausstehen, wenn jemand in ihm Unruhe stiftete. Bedrohlich mit den Blättern raschelnd bewegte sich der Baumvater. Sein Stamm drehte sich in die eine, dann in die andere Richtung, als wolle er sich umschauen. Wie wild begann er mit seinen mächtigen Ästen um sich zu schlagen, wie jemand der versucht einen lästigen Fliegenschwarm loszuwerden. Der Baum versetzte den Vögeln wütende Schläge, die sie einfach zu Boden warfen.
Eine ganze Reihe der Vögel wurde von einem besonders dicken Ast einfach in die Luft geschleudert. Mit Müh und Not entkam ein Vogel dem Angriff einer der schweren und langsamen Äste, wurde dafür aber von einem der dünneren und peitschenden erwischt. Schnell flogen die Vögel außer Reichweite der Äste. Sie wussten nicht wie sie sich gegen so einen Gegner wehren sollten, der einen nach dem anderen von ihnen einfach zu Boden drosch, rauschend und brausend durch den Schwarm mähte und jedes Mal eine Vielzahl von ihnen in den Tod riss.
Sie umkreisten den Baum, suchten nach einer Lücke, aber kaum kam einer der Vögel näher heran, Zack!, traf ihn ein Ast oder ein Zweig oder ein Büschel blättriger Astgabeln. Einige versuchten es von oben. Sie stiegen hoch in die Luft, sodass sie über dem Baum schwebten, dann stürzten sie nieder, mit voller Geschwindigkeit in die Krone des Baumes hinein. Und das war ein Fehler, denn dort wurden sie kurzerhand mit ein paar peitschenden Asthieben vermöbelt und wieder aus der Baumkrone hinausgeworfen.
Die übrigen Vögel sahen nur noch eine einzige Möglichkeit. Eigentlich war es eher eine blanke Verzweiflungstat. Sie rotteten sich alle zu einem großen Knäuel zusammen, umrundeten noch einmal den Baum und fanden wonach sie suchten. Die Wurzelhöhle in der Sunray und Serenity steckten. Als großer Vogelballen stürzten sie auf sie zu. Wenn sie es einzeln nicht schafften, dann vielleicht alle zusammen. Aber es klappte nicht. Der Baumvater holte mit seiner Krone aus und zerschlug den Vogelballen, sowie er in Reichweite war. Sunray hob schützend einen Huf vor die Augen, als Blätter, Federn und Staub durch die Luft wirbelten.
Danach war alles vorbei. Die wenigen Vögel die überlebt hatten, machten sich mit schweren Flügelschlägen davon, der Staub senkte sich und der Baumvater raschelte den Vögeln noch ein letztes Mal bedrohlich hinterher.
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Sunray - Das Geheimnis der Sternstadt (My Little Pony Fanfiction)
AdventureNicht genug, dass Sunray als Pegasus viel zu kurze Flügel hat, nein, er gehört auch noch zu der Sorte Pony, die das Unglück scheinbar magisch anziehen. Aber das hätte er sich niemals träumen lassen: Ein katastrophaler Museumsbesuch, dunkle Mächte, g...