VIII

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»Hast du Lust, heute Mittag oder Abend essen zu gehen?« Fragend sah Ben mich an, während ich meine Klamotten zusammen suchte. »Ehm. Ja, klar, gerne. Gibt's was zu feiern?« »Na ja, also, das Krankenhaus ist jetzt ja nicht für seine Delikatessen bekannt und ich dachte, du hättest gerne mal wieder was richtig gutes zum Essen. Und meine Kochkünste sind jetzt nicht so Bombe. Da dachte ich mir, ich lade dich ein. Ich wollte nicht, dass du gleich wieder anfängst zu kochen. Außerdem wolltest du ja Dates mit mir«, erklärte Ben schmunzelnd. Grinsend ging ich auf ihn zu. »Ich würde sehr gerne mit dir Essen gehen, aber du musst nicht immer alles bezahlen. Tu mir den Gefallen und lass mich dich einladen. Sonst überlege ich es mir anders.« Mit diesen Worten umarmte ich Ben. »Du würdest ein ›nein‹ ja sowieso nicht akzeptieren. Danke mein Schatz. Aber das nächste Mal zahle ich.« Machte Ben mir lachend klar. Zufrieden gab ich Ben einen Kuss, zog mich fertig um und griff nach dem Frühstückstablett um es aufzuräumen. Ben kam sofort auf mich zu, worauf ich ihn mit einem »wage es ja nicht, mein Freund. Das werde ich ja gerade so schaffen«, mahnend ansah. Ben begann sofort zu lachen. »Beruhig' dich süße, ich wollte nur die Schüssel etwas zur Seite schieben, damit dein Teller- und Tassen-Stapel keine Reise auf den Boden macht. Ich weiß, dass du das kannst und willst, Leyla. Aber mir wäre es recht, wenn du bei Anstrengungen, seien sie noch so klein, deinen Sauerstoffschlauch nutzt. Kannst du dich auf den Kompromiss einlassen?« Bittend sah Ben mich nun an. »Wenn du so freundlich wärst und die Flasche hinter mir her schiebst, ich habe beide Hände voll.«, überlegte ich. Ben nickte zustimmend und fädelte mir den Schlauch um die Ohren und an die Nase und nahm anschließend den Griff der Flasche. »Ich bin ganz schön aufgeregt, was Dr. Ahrend sagen wird, wenn wir ihn dann Anrufen. Wenn er uns ein Kind möglich machen könnte, hätten wir wirklich etwas zu feiern.« Ich stellte das Tablett in der Küche ab und legte meine Hand an Bens Wange. »Sollen wir ihn gleich anrufen? Dann haben wir es hinter uns.« Ben nickte nur und holte das Telefon aus seinem Wohnzimmer. »Niklas, hey«, meldete ich mich, nachdem er sich mit seinem Namen gemeldet hatte. »Leyla? Ist alles okay? Gehts dir gut«, meinte dieser sofort panisch. »Atmen Niklas, Atmen. Wenn es mir nicht gut ginge, wären wir schon längst bei dir oder meinst du ehrlich, Ben würde erstmal nur anrufen?« Ich lachte ins Telefon. »Ich, beziehungsweise wir rufen an, weil wir eine Frage an dich haben und das schnell klären müssen.« Ich ließ Niklas eine kurze Pause und sah Ben glücklich in die Augen, bevor ich fortfuhr: »Ben und Ich. Na ja, also.« »Wir wünschen uns eine Familie«, warf Ben ein, auf dessen Schoß ich gerade saß. »Genau. Also. Wäre es möglich, dass ihr mir vor der Therapie Eizellen entnehmt? Ich hätte so gerne ein leibliches Kind mit Ben und du weißt ja, wie die Chancen danach stehen würden. Die Frage war eigentlich, ob du das Verantworten kannst, bei meinem aktuellen Zustand und meinen Werten.« Gespannt saßen wir auf dem Sofa und warteten auf eine Antwort. »Warte«, kam es schließlich nur von Niklas. Langsam wurde auch ich nervöser. Sanft strich Ben mir über den Arm, als Niklas Stimme erneut erklang: »Ich muss kurz deine Akte holen. Gott, die könnten hier am Counter aber auch mal wieder aufräumen. Ah, da. Also wenn sich deine Werte nicht verschlechtert haben, können wir das machen. Heute kann ich dich leider nirgends mehr rein schieben. Kommt doch später mal vorbei, dann nehme ich dir Blut ab und wir besprechen alles weitere.« Hoffnungsvoll sah ich Ben an. »Danke Niklas. Aber ich komme nur zur Blutentnahme. Denk gar nicht daran, mich länger bei euch zu behalten!« Ich begann zu lachen. »Keine Angst, die Suites sind alle ausgebucht. Ich habe heute keine OP mehr, kommt einfach, wenn es euch passt.« Mit einem »Okay, bis dann«, verabschiedeten wir uns. Glücklich drehte ich mich zu Ben um und fiel ihm um den Hals. »Wenn das klappt, Ben, ich bin die glücklichste Frau der Welt!« Ben begann sofort mich intensiv und voller liebe zu küssen. »Wollen wir gleich ins JTK und danach dann essen gehen?«, voller Tatendrang sah ich Ben an. Dieser erhob mich mit sich, küsste mich leidenschaftlich und ließ mich anschließend wieder am Boden ab. »Ich suche nur schnell meinen Schlüssel«, rief Ben und stolperte in die Küche und danach ins Schlafzimmer. »Dein Schlüssel hängt hier vorne«, rief ich lachend in die Wohnung. Mit einem »Oh. Da hab ich ihn gestern hingehängt. Stimmt«, sah Ben mich verlegen an. Lachend legte ich meine Hände auf seine Brust. »Was wäre ich nur ohne dich Chaoten. Du bist ja aufgeregter als ich.« Ohne etwas zu erwidern, schnappte Ben meine Flasche und ging mit mir aus der Wohnung. Entschlossen nahm ich Ben die Schlüssel ab und setzte mich hinters Steuer. »Du bist mir zu hibbelig, da fahre ich lieber selbst«, erklärte ich Ben, der mich verwirrt ansah, dann aber am Beifahrersitz Platz nahm. »Hey, das wird schon«, beruhigend legte ich meine Hand auf seine und streichelte kurz darüber. Ben nickte langsam und entspannte sich allmählich, weshalb ich nun auch losfuhr. Im JTK gingen wir sofort in Niklas Büro, der zum Glück da war und auch schon alles vorbereitet hatte. »Hallo ihr beiden. Leyla, ich würde dir gleich Blut abnehmen und es untersuchen lassen, dann können wir in der Zwischenzeit alles theoretische klären. Wäre das okay für dich?« Bestätigend setzte ich mich an seinen Schreibtisch und zog meinen Ärmel etwas nach hinten. Ben brachte das Blut und Labor und wollte es selbst untersuchen. »Leyla, wie gehts dir?« Fragte mich Niklas, als Ben den Raum verlassen hatte. »Gut. Niklas, Ben macht mich so glücklich und gibt sich so viel Mühe, es könnte nicht besser sein.« Zufrieden sah Niklas mich an. »Man merkt richtig, wie gut er dir tut. Glückwunsch auch zu eurer Verlobung. Dass du dich mal so schnell fest binden würdest, hätten wir wohl beide nicht gedacht. Aber ich finde, ihr habt die richtige Entscheidung getroffen. Wenn man euch sieht und erlebt könnte man meinen, ihr wärt schon seit Jahren verheiratet, sogvertraut und liebevoll geht ihr miteinander um.« Niklas nahm mich fest in den Arm und setzte sich anschließend an seinen PC. »Ich schaue mal eben, ob wir schon die ersten Werte haben ... ah ja, da sind sie. Leyla, was hat dein Ben denn mit dir gemacht?« Niklas sah von seinem Bildschirm hoch, da betrat Ben gerade den Raum. Geschockt von Niklas Aussage griff ich sofort nach Bens Hand, als dieser sich setzte. »Jetzt sag schon. Sind sie so schlecht? Niklas ich habe mich wirklich geschont. Und Ben hat auch aufgepasst, dass ich mich nicht übernehme.« Verängstigt sah ich Niklas an. »Im Gegenteil, Leyla. Deine Werte haben sich sehr verbessert. Das ist ungewöhnlich für Patienten, die nach so langer Zeit im Krankenhaus wieder nach Hause dürfen. Hier, sieh selbst.« Niklas drehte mir den Bildschirm entgegen, sodass ich meine Werte selbst sehen konnte. »Heißt das ...?« »Das heißt, dass wir dir morgen Eizellen entnehmen werden. Herr Ahlbeck, kommen Sie zurecht oder soll ich den Eingriff nochmal genau mit Ihnen durchgehen? Ansonsten würde ich euch nur das grobe erklären und dass restliche klären bezüglich Uhrzeit und allem«, verkündete Niklas. Noch immer in Schockstarre saß ich neben Ben, der mich nun aus meinem Stuhl hob und mich fest umarmte. »Leyla, wir werden ein Baby bekommen. Du und ich. Wir werden eine Familie gründen können.« Mit Tränen in den Augen fiel ich Ben um den Hals und küsste ihn anschließend stürmisch. Niklas hatten wir in dem Moment völlig vergessen. Als wir uns voneinander lösten, hatte Niklas sich auf seinen Sessel gesetzt und bat uns das Sofa an. Glücklich setzten wir uns. Ben hatte seinen Arm um meine Taille gelegt und meine Hand ruhte auf seinem Oberschenkel. »So, ihr Turteltauben. Bleibt ruhig so sitzen, ich will die junge Liebe nicht stören«, meinte Niklas, als ich gerade etwas von Ben wegrutschen wollte. »An sich muss ich euch den Eingriff ja nicht erklären. Leyla ich fände es gut, wenn du morgen gegen 18:00 Uhr kommst, vorher ist bei uns immer eine OP. Am besten versuchst du dann heute ab 20:00 Uhr nur noch von Luft und Liebe zu leben«, zwinkerte er, worauf Ben und ich uns kurz angrinsten. »Ich glaube, das bekommen wir hin, Dr. Ahrend«, lächelte Ben in meine Richtung. »Niklas. Sag Niklas. Jetzt, wo ihr verlobt seid, ist das Gesieze doch affig. Leyla ...«, wand er sich dann wieder an mich, »wir würden den Eingriff in Vollnarkose machen. Dr. Moreau würde mit Frau Berger dann gleich deinen Port legen. Ich würde dich danach gerne über Nacht hier behalten und am nächsten Tag früh mit der Therapie beginnen. Je nachdem wie die Wundheilung verläuft und wie du die Medikamente verträgst, könntest du dann Montagabend oder am Dienstagmorgen nach Hause und kommst dann Donnerstag wieder fürs Medikament. Anfangs würde ich es dir gerne nur zwei Mal die Woche und hier in der Klinik geben. Wenn wir wissen, wie und mit welchen Nebenwirkungen dein Körper reagiert, kann Ben dir das Medikament auch zu Hause und dreimal die Woche geben und du kommst nur noch für die Bluttests vorbei.« Zufrieden stimmte ich zu, bedankte mich bei Niklas und verließ anschließend mit Ben das Klinikum.

Abrupt blieb ich auf der Wiese vorm JTK stehen. Ben sah mich verwundert an. Ohne jegliche Vorwarnung fiel ich Ben um den Hals. Er war so überrascht, dass er erst mal ein paar Schritte nach Hinten machen musste, um wieder ins Gleichgewicht zu kommen. Lachend schloss Ben seine Arme um mich, hob mich sanft an und küsste mich lange und zärtlich. »Ich kann immer noch nicht glauben, dass ich die Chance bekomme Vater zu werden. Und dann auch noch mit dir als Mutter. Leyla, ich bin gerade der glücklichste Mensch, wirklich.« Mit Tränen in den Augen sah ich Ben an. »Und Ben, hast du meine Werte gesehen? Ich hätte nie gedacht, dass ich eine so große Chance bekomme zu leben. Mit dir zu leben. Diese Gewissheit, dass du bei mir bleibst und mich wirklich liebst, das ist alles so neu für mich.« Fragend sah Ben mich an. »Ich weiß, was du dir jetzt denkst:. Ja ich habe Navid damals geheiratet aber trotz unserer Ehe ha er mir nie das Gefühl gegeben, die einzige für ihn zu sein. Er hat mich zuvor schon mehr als einmal betrogen, aber ich redete mir ein, dass ihn unsere Ehe und Zoe davon abhalten würden. Ich war damals so naiv und dachte, er würde sich ändern. Na ja, irgendwann habe ich mich dann damit abgefunden, dass er während meinen Nachtschichten nicht den Babysitter gespielt hat, sondern sich mit anderen Frauen vergnügte. Er hatte mir eingeredet, dass ich selbst schuld bin. Das, was er in der Klinik zu mir sagte, war nichts gegen das, was er mir vorwarf, wenn ich ihn mit seinen Frauengeschichten konfrontierte. Irgendwann habe ich begonnen ihm zu glauben, darum habe ich auch nie irgendwem etwas davon zu erzählen. Nicht der wollte damals die Scheidung, weil ich nie Zeit für ihn hatte. Ich wollte sie, weil ich daran kaputt ging, mich so schlecht zu fühlen. Seit du da bist, lerne ich immer mehr, wie sich Liebe anfühlt. Wie es ist, wirklich geliebt zu werden. Ben, ich liebe dich und ich danke dir wirklich für alles. Für alles, was du bisher getan hast und für alles, was noch kommen wird. Danke.« Geschockt sah Ben mich an. »Wie kann ein Mann es wagen, dich so zu benutzen und dir solches Leid zuzufügen? Leyla, ich könnte und würde dich niemals betrügen. Dafür liebe und schätze ich dich viel zu sehr. Diese dunklen Gedanken darfst du von nun an für immer aus deinem Leben verbannen. Und genau so diesen Menschen. All das gehört ab jetzt der Vergangenheit an. Ich werde für immer an deiner Seite stehen, und zwar nur an deiner. Niemals werde ich es zulassen, dass dir jemand Leid zufügt. Und jetzt setzen wir wieder unser Lächeln auf und zeigen der Welt, dass wir die glücklichsten Menschen auf diesem Planeten sind!«

Bens Worte zeigten mir einmal mehr, was für ein Glück ich doch mit ihm habe. »Du bedeutest mir so unglaublich viel, danke Ben«, mit diesen Worten legte ich meinen Arm um ihn und so machten wir uns auf den Weg zu einem kleinen Restaurant in der Stadt.

Don't make me leaveWo Geschichten leben. Entdecke jetzt