Kapitel 3

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Die ganze Zeit über habe ich kein Wort mit Hyuk gewechselt. Ich war viel zu sehr damit beschäftigt, Seoul zu bestaunen. Es ist Frühjahr, die Cherry Blossoms sehen wunderschön aus. So etwas bekomme ich in Deutschland nicht zu sehen.

Auch die Leute, an denen wir vorbeifahren, sind eine Attraktion für sich. Hier sieht jeder anders aus, der eine hat schwarze, der andere braune, der andere blonde Haare. Jeder trägt eine andere Farbe am Körper. Gigantische Gebäude ragen neben uns empor und auch, wenn ich nicht wie ein kleines Kind mit großen Augen aus dem Fenster gaffe, bin ich doch ziemlich fasziniert und gefesselt von dieser Stadt.

Trotzdem habe ich meine "Wohnsituation" noch immer im Hinterkopf. Ich frage mich, ob das überhaupt gut gehen kann. Vielleicht sind die Jungs ja auch arrogant. Zu selbstsicher. Ich weiß es nicht. Aber gerade bin ich viel zu gefesselt von Seoul, als dass ich mir weiter darüber Gedanken machen könnte oder wollte.

Wir halten vor einem eher rundlichen Gebäude, über der breiten Tür hängt ein schwarzes Schild mit weißer Aufschrift. JYP. Der Name meines Onkels. Jinyoung Park.

Zweiviertel des Gebäudes werden durch knallig bunte Werbungen für einzelne Musikgruppen auf Flatscreens eingenommen, während auf dem restlichen Viertel einzelne, rechteckige Fenster zu sehen sind.

Hyuk steigt aus. "Na komm", sagt er zu mir. Nachdem wir so lange nicht gesprochen haben, kommt mir seine Stimme schon wieder so fremd vor.

Vor dem Gebäude steht eine Meute von Mädchen, die wie bekloppt herumkreischen. Hyuk reicht mir einen Mundschutz in den Wagen, bevor ich überhaupt aussteigen kann.

"Nimm den." Er befestigt ihn hinter meinen Ohren und sieht mich ernst an. Dann öffnet er das Handschuhfach des Geländewagens und zieht eine Cap hervor, auf der eine 7 abgebildet ist. Diese setzt er mir auf und zieht die Kappe tief in mein Gesicht.

"Erste Lektion. Von nun an läufst du draußen nur noch so herum. Verstanden?" Er sieht mich durchdringend an und ich nicke schnell. Na, das fängt ja schon super an.

"Komm." Hyuk öffnet mir die Tür und ich steige aus, sofort steigt der Lautstärkepegel der kreischenden Menge noch mehr an. Halten die mich für eine Berühmtheit oder so? Kann schon sein, schließlich steige ich aus einem sehr teuer aussehenden Geländewagen, mit einem Typen, der aussieht wie ein Chauffeur und mit Cap im Gesicht und Mundschutz. Also liegt das im Bereich des Möglichen.

Hyuk nimmt mich sanft am Arm und geht mit mir in das Gebäude. Wir laufen einen kleinen Flur entlang, der mit einem hellbraunen Laminat ausgelegt ist, die Wände sind weiß gestrichen und kleine Lampen, die in einem rötlichen Licht schimmern, sind an der Decke angebracht. Links und rechts an den Wänden hängen überall Fotos von irgendwelchen Leuten, ich denke mal, Jinyoungs Schützlingen.

"Kann ich die jetzt abnehmen?", frage ich Hyuk und tippe mit dem Finger an meine Kappe. Er nickt nur und ich nehme beides ab.

"Sag mal, diese Mädchen... Haben sie gedacht..."

"Dass du ein Idol bist? Ich denke ja." Ohne weiteres geht er weiter. Wir passieren eine braune Tür und stehen nun in einer Art Lobby, ein schlichter, weißer Raum, in gelbem Licht gehalten. In den Ecken stehen ein paar weiße Sessel und zwei Sofas, in der Mitte steht eine Rezeption. Hyuk steuert mit mir diese an und lächelt die Frau, die hinter einem Computer sitzt, freundlich an.

"Hallo, Jieun", begrüßt er sie. Die Koreanerin sieht auf, ihr Blick huscht zu mir. Sie trägt blutroten Lippenstift, ihr Make-Up sitzt genauso perfekt, wie ihre Haare und sie trägt eine weiße Bluse.

"Hyuk? So spät in der Nacht? Mit Besuch?", fragt sie misstrauisch und zieht eine Augenbraue in die Höhe.

"Das ist Jinyoungs Nichte", schnaubt er. "Hast du schon wieder vergessen, dass sie heute kommt? Was bist du eigentlich für eine Assistentin?" Er sieht sie genervt an.

"Eine Assistentin, die in der Lobby arbeitet", zischt sie zurück. "Und nein, ich habe sie nicht vergessen, sie sieht nur nicht aus wie-" Sie stoppt und errötet. "Verzeihung."

"Schon gut", sage ich. "Ich sehe nicht asiatisch aus. Das ist mir klar. Ich bin ja auch nur seine Nichte. Ich bin übrigens Haruka." Ich zwinge mir ein Lächeln auf die Lippen, was Jieun ebenfalls tut.

"Jieun. Wenn du irgend etwas brauchst, kannst du mich gerne ansprechen. Ich habe gehört, du kommst bei einer anderen Gruppe unter?"

"Ja, mein Onkel erwähnte aber nicht den Namen."

Jieun sieht meinen Begleiter an. "Hyuk?"

"Keine Ahnung. Ich fahre euch alle nur hin und her, keine Ahnung, wie die Bands alle heißen."

"Mein Onkel sagte, es ist eine Boygroup." Jieun sieht wieder mich an und auf ihrer Stirn bildet sich die kleine 'Nachdenk-Falte', die meine Mom auch hat. "Und weiter?"

"Es sind neun Leute."

"Noch mehr?"

"Er sagte, sie sind noch sehr jung. Zwischen 16 und 21."

"Das dürften dann wir sein!", ertönt auf einmal eine fremde Stimme am anderen Ende des Flures. Hyuk und ich fahren herum, Jieun fixiert nun die beiden Personen, die gerade durch eine Tür, so weiß wie die Farbe der Wand, gekommen sind.

"Sie gehört zu uns, Jinyoung hat uns schon bescheid gesagt", erklärt ein Junge, dessen Haare hellbraun und scheinbar auch eine Spur pink sind. Neben ihm steht ein scwharzhaariger Junge mit (und das soll keine Beleidigung sein) sehr voluminösen Lippen. Jedenfalls habe ich sowas selten in Deutschland bei einem Jungen gesehen.

"Na komm." Der mit den braunen Haaren lächelt mich an, Hyuk nickt mir zu und ich gehe dann zu den beiden Jungs.

"Ich bringe dir dann dein Gepäck. Dorm 21, Richtig?"

"Richtig", antwortet der Schwarzhaarige. Hyuk verschwindet wieder und für Jieun scheint das Thema ebenfalls erledigt zu sein, denn sie hat sich schon wieder ihrem Computer gewidmet.

"Komm", sagt der Schwarzhaarige und wir drei verschwinden gemeinsam durch die Tür, durch die die beiden gekommen waren. Eine geraume Zeit laufen wir durch Flure, Räume und scheinbar leere Bars (ich glaube, dass es Bars sind), bis wir schließlich an einem schwarzen Tor ankommen. Der Braunhaarige öffnet es und wir gehen hinaus in die Nacht. Das hier scheint der Hintereingang zu sein, denn neben den ganzen Mülltonnen und Containern, die hier stehen, parkt ein anderer Geländewagen. Der Braunhaarige geht schon vor, während der Schwarzhaarige noch immer neben mir her läuft, wovor ich ihm schon unendlich dankbar bin. Dann fühle ich mich nicht so allein.

"Ich habe mich noch gar nicht vorgestellt, wie unfreundlich", bemerkt er. "Ich bin Hyunjin. Und du?"

"Ich bin Haruka." Ich lächle.

"Ich würde wirklich gerne sagen, dass ich Ähnlichkeit zwischen Jinyoung und dir sehe, aber..." Er kratzt sich verlegen am Nacken.

"Ist schon gut. Ist seltsam, einen asiatischen Namen zu haben und nicht danach auszusehen. Ich bin an sowas gewöhnt." Ich lache leicht, was Hyunjin erwidert. Er sieht sehr attraktiv aus, aber vermutlich ist das bei den Idols hier Standard.

Wir steigen hinten in den Wagen ein. "Wollt ihr euch nicht auch mal vorstellen?", fragt er den Fahrer und den Braunhaarigen tadelnd, nachdem wir losgefahren sind. Dem Braunhaarigen schlägt er sogar leicht in den Nacken.

"Oh stimmt, tut mir leid." Der Braunhaarige dreht den Kopf zu uns, sodass er mich ansehen kann. "Ich bin Jisung."

"Haruka."

Ich sehe die Verwirrung in seinem Blick. Und Hyunjin scheinbar auch. "Ja, sie ist keine Asiatin, obwohl sie Haruka heißt", sagt er. "Ich finde sie trotzdem hübsch", murmelt er und blickt aus dem Fenster. Ich mache große Augen, beherrsche mich aber gleich wieder, während Jisung den Fahrer grinsend anstupst.

"Lass das, Jisung", sagt dieser abwesend. "Ich muss mich konzentrieren."

"Unser Channie muss sich auf die Fahrprüfung vorbereiten", erklärt mir Jisung.

"Chan geht auch. Hallo, Haruka." Durch den Rückspiegel wirft er mir einen lächelnden Blick zu.

"Wir fahren jetzt zu unserem Dorm. Da werden auch deine Sachen hingebracht. Und dann lernst du den Rest von uns kennen."

Dance With Me » Stray KidsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt