Nachdem die Jungs nach Hause gekommen waren, hat Hyunjin mich mit strahlenden Augen dazu überredet, mit ihm noch in die Stadt zu gehen. Er behauptete, er wolle noch ein paar Pullis kaufen und ich könnte ja mitkommen, damit er nicht so alleine ist.
Da ich keine weiteren Pläne für heute Abend habe, habe ich eingewilligt. Außerdem halte ich Hyunjin für eine relativ angenehme Gesellschaft.
„Fertig?", brüllt der Schwarzhaarige die Treppe hoch. Ich brülle nur ein zerstreutes „Ja!" zurück und eile aus dem Zimmer, meine weiße Winterjacke halb angezogen über der linken Schulter. Ich poltere die Treppe hinunter und stelle mich breit grinsend vor den größeren.
„Du siehst motiviert aus", kommentiert er schmunzelnd meinen Gesichtsausdruck und ich nicke.
„Es ist eben langweilig, den ganzen Tag hier zu hocken. Aber... darfst du überhaupt mit mir irgendwo hin gehen? Uns werden vermutlich Leute fotografieren und dann könnte das ganz schnell die Runde im Netz machen."
Hyunjin fährt sich seufzend durch die Haare und sucht mit den Augen die Decke ab, als gebe es dort irgendwas interessantes zu entdecken, dann richtet er seine rehbraunen Augen wieder auf mich. „Du hast schon recht", beginnt er. „Und deswegen trägst du auch deinen Mundschutz. Hier." Er reicht mir eine schwarze Maske mit dem Näschen eines Pandas darauf. „Abgesehen davon könntest du auch meine Managerin sein. Oder Make-Up Artist. Mach dir keine Sorgen, das ganze ist mit Herrn Park abgeklärt." Er schenkt mir wieder sein warmes, mattes Lächeln.
Ich nicke leicht abwesend. „Gut... Ich will nicht, dass du Ärger bekommst." Schnell schlüpfe ich in meine Turnschuhe und gehe dann mit ihm.
Zuerst durchstreifen wir nur ein wenig die Straßen Seouls. In dieser Stadt ist alles funkelnd hell erleuchtet, verschiedenste Farben aus den verschiedensten Ecken, überall Menschen, einer anders als der Andere. Autos rasen an uns vorbei, jeder scheint ganz schnell irgendwo hin zu müssen, selbst zu so später Stunde. Hier und da ein paar Handydisplays, Anzugträger, die sich ihr überteuertes iPhone ans Ohr halten und hektisch die Gegend analysieren, oder durch das Wirr Warr aus Straßenbahnen und Bussen versuchen, ein Taxi zu erwischen.
"Seoul ist wirklich beeindruckend", ist alles, was ich so wirklich hervorbekomme. Diese Stadt muss man auf sich wirken lassen, ihre Menschen, ihre variierenden Gerüche, die stetig wechselnde Atmosphäre, das Leben jedes einzelnen Menschen hier, dass sich wie ein Wollknäul mit denen der anderen verbindet und verheddert. Andere Gäste der Straßenbahn, Menschen, die Bus fahren. An der linken Ecke der nächsten Kreuzung verschüttet ein Mann seinen Starbucks Coffee auf den dunkelbraunen Wintermantel einer Frau, wieder zwei Leben, die sich verknüpfen. Ob sie heute Abend wutentbrannt nach Hause kommt, weil ein unachtsamer Passant ihren neuen Mantel ruiniert hat? Des Lächelns nach zu urteilen, dass sich auf ihren Lippen bildet, der abwinkenden Handbewegung, denke ich aber eher, dass sie im Kopf gerade sämtliche Optionen durchgeht, wie sie seine Nummer ergattern könnte. Ich muss unwillkürlich grinsen, als sie ihre Nummer auf den nun mit Kaffeeflecken übersäten Becher des Mannes schreibt und dabei grinst wie ein kleines Schulmädchen, dass gerade mit einer bestandenen Klausur nach Hause kommt.
"Alles in Ordnung?", ertönt auf einmal neben mir die Stimme von Hyunjin, dann schiebt sich der schwarze Haarschopf des Jungen vor mein Blickfeld.
"Wie, was?" Ich lächle leicht und schüttle den Kopf, um meine Gedanken zu ordnen.
"So fasziniert von einem Tollpatsch?" Hyunjin grinst verschmitzt, was ich allein durch das Funkeln in seinen Augen erkenne und läuft dann weiter neben mir her. "Wäre mir bestimmt nicht passiert", behauptet er dann, wobei sich ein Lächeln auf seine Lippen schleicht, die auch im grellen Licht noch so pink strahlen wie unter der gedämpften Glühbirne in der Küche der Jungs,
"Oh doch." Ich lache. "Genau so ein Kandidat wärst du."
Ich ernte ein empörtes Lachen. "Ich mache dir einen Vorschlag." Er bleibt abrupt stehen, was ich ihm automatisch gleich tue.
"Der da wäre?" Meine Augenbraue wandert in die Höhe.
"Wir gehen jetzt auch zu Starbucks und ich zeige dir, dass ich sehr wohl in der Lage dazu bin, meinen Kaffee nicht auf dir zu verschütten."
Ich setze ein gespielt entsetztes Gesicht auf. "Aber- was gehe ich denn da für ein Risiko ein?"
Wieder ein raues Lachen aus der Kehle des Rappers. "Wenn du gerne spielst, Kleines."
Sollte das gerade so verdammt heiß klingen, oder drehe ich durch?

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Dance With Me » Stray Kids
FanfictionHaruka ist ein ganz normales Mädchen. Jedenfalls bis zu ihrem sechzehnten Lebensjahr. Ihre Eltern lassen sich scheiden und Zuhause fliegen ordentlich die Fetzen. Sie wird zu ihrem Onkel geschickt, zu einem Mann, den sie noch nie in ihrem Leben geseh...