Kapitel 12

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"Da bist du ja", murrt Felix, als ich das Zimmer betrete. Ich runzle die Stirn und lasse die Tüte neben mir auf den Boden sinken. Felix sieht mich mit einem genervten Blick an, der fröhliche und manchmal grenzüberschreitende Junge wirkt auf einmal ziemlich angepisst.

"Nimm die Tüte da weg, jemand könnte stolpern", sagt er schnippisch. "Und außerdem, was ist da überhaupt drinnen?"

"Hat da jemand seine Tage?" Ich verdrehe die Augen, stelle die Tüte in meine Reisetasche und lasse mich aufs Bett fallen. Es nervt mich, das Felix schlechte Laune hat. Er ist einer dieser Menschen, die ihre Stimmung auf einen selbst übertragen können. Ist er glücklich, bist du ebenso glücklich. Ist er sauer, würdest du die ganze Welt umlegen, weil du mindestens genauso sauer bist.

"Jetzt rede nicht so einen Mist, Haruka", knurrt er und zieht sein Shirt aus, bevor er es mit einer abwertenden Handbewegung auf den Boden feuert. Sein makelloser Rücken sticht mir deutlich ins Auge. Seine Wirbelsäule zeichnet sich leicht dort ab, seine Haut ist fast schneeweiß, seine Schulterblätter stehen hervor, doch gerade noch so, dass es gut aussieht.

Ich schlucke und sehe schnell auf meine Socken. Eine ist grau, eine ist schwarz.

Felix wühlt seine Kleiderstange nach einem Pullover durch und reißt dabei die Kleiderbügel von rechts nach links, was ein furchtbares quietschendes Geräusch an der Metallstange auslöst.

"Und mach deine Tasche gefälligst ganz zu, ich will diesen String da nicht sehen", keift er. Diese Bemerkung reißt mich aus der Tätigkeit, wie ein geprügelter Hund meine Socken anzustarren.

String? Ich besitze keinen String! Nicht einen! Wo könnte der- Marie.

Meine beste Freundin. Als ich ihr mitgeteilt habe, dass ich nach Korea fliege, um der Scheidung meiner Eltern aus dem Weg zu gehen, hat sich ein breites Grinsen auf ihren Lippen gebildet, gefolgt von einem: "Das ist ja super!"
Dann hat sie angefangen, darüber zu reden, dass ich dort ja die große Liebe finden könne und heiraten könne und dann ein Buch darüber schreiben sollte. Ich habe nur die Augen verdreht und ihr klipp und klar gesagt, dass ich wichtigere Probleme habe, als irgendwelche dämlichen Jungs, die mir das Leben schwer machen und mir nur noch mehr Schmerzen bereiten. Vielsagend hat sie gegrinst. "Du wirst schon noch sehen, ich sorge dafür, dass du gut aussiehst."
Eigentlich dachte ich, dass sie dann mit mir meine Garderobe für die Reise auswählen will, aber so war es nicht. 1 Tag vor meiner Abreise flog sie über die Ferien mit ihrer Mutter (ihre Eltern sind ebenfalls geschieden) nach Griechenland.

Also hat sie mir einen String eingepackt?!

"Das... ist nicht meiner", rechtfertige ich mich vor Felix.

"Du musst gar nicht so tun", murrt dieser. "Vermutlich hast du den extra raushängen lassen."

"Jetzt hör aber auf!" Ich springe auf. Ich habe angefangen, englisch zu sprechen, wie immer, wenn ich mich aufrege. "Hör zu, ich habe KEINE AHNUNG, warum du so schlecht drauf bist. Ich will es auch gar nicht mehr wissen, die Chance hast du vertan! Ich werde jetzt gehen und komme nachher irgendwann wieder, wenn DU hoffentlich aufgehört hast, dich wie ein pubertierendes, ekelhaftes, kindisches Monster zu verhalten!" Wütend schnappe ich mir mein Portmonee, dass ich gestern Abend auf dem Nachtschränkchen habe liegen lassen und rausche aus dem Zimmer. Ich poltere die Treppen hinunter und ziehe mir unten meine schwarzen Boots an, dann ziehe ich meine Jacke über und verlasse das Haus. Ich bin der Meinung, das Chan mir noch irgendwas hinterhergerufen hat. Aber das interessiert mich in meiner Wut nicht.

Dance With Me » Stray KidsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt