Kapitel 34

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Die Verhandlung wird nach ungefähr einer halben Stunde ziemlich eintönig. Meine Mutter erzwingt sich falsche Tränen und erklärt mit einer dramatischen, verheulten Stimme, was mein Vater ihr wohl alles schon angetan hat. Doch all das ist nicht wahr, denn dafür kenne ich meinen Vater zu gut.

Ich wurde vom Richter persönlich vor der heutigen Verhandlung aufgefordert, dieses Mal doch bitte nicht aufzuspringen und meiner Mutter fast den Kopf abzureißen. Doch als er mich darum gebeten hat,  hat er dieses wissende Lächeln auf den Lippen getragen, zwar bei weitem nicht so schön wie Chan, doch es war das Gleiche.

"Kann ich vielleicht auch einmal etwas sagen?", fragt mein Vater schließlich, nach einer endlosen Rede meiner Mutter über die täglichen Misshandlungen, ein dramatischer Teil ihres Alltags. Mein Vater hingegen strahlt aus seinen braunen Augen noch immer diese endlose Ruhe aus, obwohl seine sich ständig gegenseitig knetenden Finger das Gegenteil verraten. 

"Ich habe meine Frau niemals geschlagen", sagt er ganz ruhig und sachlich. Wie kann er nur so gelassen sein? Ich hätte dieses Monster angeschrien vor Wut. Doch das kommt wohl nicht besonders gut in einem Gericht.

"Das hast du sehr wohl!", keift sie. 

Ach, aber sie darf keifen? Achso, sie ist ja die arme, misshandelte Frau, das arme, arme Ding.

"Euer Ehren, ich bitte darum, Beweisstück 33E vorlegen zu dürfen", sagt dann der Anwalt meines Vaters mit seiner monotonen Stimme. Dieser Typ sieht schon so sehr nach Büro aus. Der Anzug sitzt perfekt, ebenso wie die Haare und die Haut sieht ebenmäßig und perfekt aus.

"Stattgegeben", willigt der alte Richter ein.

Vorne leuchtet die Leinwand auf und zeigt ein abspielbereites Video. Der Anwalt meines Vaters richtet sich an die Staatsanwaltschaft.

"Miss Monroe gab an, ihr Ex-Mann habe sie das Letzte mal vor vier Tagen geschlagen, das würde den 07. Januar betreffen. Miss Monroe gab außerdem an, es sei abends gewesen. Zu dieser Zeit, so sagte mein Mandant bereits aus, habe er allerdings bis spät in die Nacht an einem Projekt für seine Arbeit gearbeitet. Mit dieser Videoaufzeichnung können wir dies belegen."

Die Geschworenen nicken und der Anwalt spielt das Video im Schnelldurchlauf ab. In weißer Schrift ist unten das Datum und die Uhrzeit zu lesen. Nach 5 Minuten endet das Video und es beweist ganz klar: Mein Vater ist nur einmal aufgestanden und kam 2 Minute später mit einem Glas Wasser wieder. Nicht genug Zeit, um die von meiner Mutter beschriebenen schweren Misshandlungen auszuführen.

Kurz herrscht Stille. Dann meldet sich die Staatsanwältin zu Wort, ihr beißend roter Lippenstift sieht unglaublich hässlich auf ihren schmalen Lippen aus.

"Das beweist nichts, es könnte gefälscht sein."

Und dann passiert es. 

Die riesigen Flügeltüren am Ende des Saals stoßen auf. 

Herein kommt ein großer Mann mit bräunlicher Haut. Er trägt eine große, dunkle Sonnenbrille, seine kurzen, schwarzen Haare sind nach oben gestylt. Er trägt einen grauen Anzug mit einem weißen Hemd und einer blau-schwarzen Krawatte. Links und rechts, ein weniger weiter hinten von ihm- zwei Bodyguards in schwarzen Anzügen, ebenfalls mit Sonnenbrille und am Ohr deutlich verkabelt. Wie FBI Agenten in Hollywood-Filmen.

Der Mann setzt die Sonnenbrille ab und sieht die bereits aufmerksam gewordenen Geschworenen an. 

Ich bin aufgesprungen, mal wieder, ohne es zu merken. "Onkel Jinyoung?", frage ich irritiert durch den ganzen Saal. Auch meine Eltern machen große Augen.

"Guten Tag." Mein Onkel spricht nun englisch.

"Ich komme gerade vom Jugendamt." Er hält ein weißes Blatt Papier in die Höhe. 

"Das hier ist das vorübergehende Sorgerecht für meine Nichte Park Haruka. Ich möchte sie nun gerne mitnehmen."


Dance With Me » Stray KidsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt