Myrax

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Myrax beobachtete aufmerksam die Atemzüge des Gerufenen, der noch immer vor ihm in der Wiese lag. Ein Gerufener des Wassers! Seit Jahren reiste Myrax durch das Weite Tal, traf die außerordentlichsten Gerufenen, Gerufene der Musik, der Heilkunst, ja, einmal war ihm sogar eine Gerufene des Stickens untergekommen, und doch hatte er erst einmal in seinem Leben einen Gerufenen der Elemente getroffen. Ein alter Mann war es gewesen, der schon über hundert Lebensjahre gemeistert hatte, ohne dass sein Ruf zur Sprache gekommen wäre. Myrax hatte ihn getestet und tatsächlich, der Mann wurde vom Feuer gerufen.

Obwohl Myrax selbst damals noch jung und schnell zu beeindrucken gewesen war, hatte er die Enttäuschung über den Gerufenen des Feuers kaum verbergen können, dessen Ruf so schwach gewesen war, dass es kaum reichte, um eine Kerze zu entflammen.

Dies konnte man vor dem Gerufenen, dessen Fähigkeiten er mit eigenen Augen bezeugen konnte, nicht behaupten. Seine Macht übertraf die eines durchschnittlichen Gerufenen um ein Vielfaches. Immerhin hatte er eine Fratze ganz ohne fremde Hilfe zu Fall gebracht. Keine Handlung, die für eine ausgeprägte Intelligenz sprach, das musste sich Myrax eingestehen, dafür für sein natürlich angeborenes Talent im Umgang mit seinem Ruf.

Myrax hatte schon auf den ersten Blick erkannt, dass der Gerufene niemals eine Ausbildung genossen hatte. Er wusste, wie er seinem Ruf Zugang zu seinen Kräften verschaffen konnte, aber das war es dann auch schon. Ohne Myrax' Einschreiten hätte das Wasser dem törichten Jungen jegliche Energie entzogen, bis von ihm nicht mehr übriggeblieben wäre als eine leblose Hülle. Ein unkontrollierter Ruf konnte nicht nur dem Gerufenen, sondern auch seinem Umfeld beträchtlichen Schaden zufügen.

Wenn er genauer darüber nachdachte, glich es einem Wunder, dass der Gerufene sich noch nicht selbst umgebracht hatte. So ungebremst wie seine Kraft aus ihm gesprudelt war, wäre es nicht weiter verwunderlich gewesen, wenn er nicht mal sein fünftes Lebensjahr hinter sich gebracht hätte, bevor er zu einem Opfer seines Rufes geworden wäre. Ein Schicksal, das zu viele Gerufene heimsuchte.

Myrax ließ seinen sechsten Sinn, den er seinem Ruf für die Heilmagie zu verdanken hatte, den Verwundeten untersuchen. Er schüttelte den Kopf. Ein wahrlich törichter Junge, der von Glück sprechen konnte, dass gerade ein Heiler zur Hand war. Anderenfalls hätte er die unzähligen Verletzungen keinesfalls überstanden.

Vorsichtig ließ Myrax seinen Ruf die kritischsten Verletzungen behandeln. Jedoch nur langsam. Einen Körper zu schnell zur Heilung zu zwingen, konnte noch größere Schäden anrichten als die, die man zu beheben versuchte. Außerdem sollten Dinge wie Knochenbrüche, Sehnenrisse oder ähnlichen bei Bewusstsein des Patienten geheilt werden. Nur dann konnte ein Heiler schnell genug eingreifen, falls sich etwas nicht so zusammensetzte, wie es sollte. Die Verbindung von Heilern und Patienten war einfach nicht stark genug, wenn der Patient bewusstlos war.

Myrax blieb nichts anderes übrig, als die Vitalfunktionen des Gerufenen zu überwachen und darauf zu hoffen, dass er bald aus seinem Schönheitsschlaf erwachte. 

Die GerufenenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt