„Und, bist du bereit?" Ich spürte wie Sophie meine Hand drückte. Ich schüttelte den Kopf und merkte, wie die Übelkeit in mir aufstieg. Es durfte doch jetzt nicht alles zu Ende sein. Es ging alles viel zu schnell. „Gate 2". Sie zeigte auf ein Schild mit der Aufschrift und zog mich in Richtung des Pfeils. Sie hakte sich bei mir unter, anscheinend hatte sie gemerkt, dass ich zitterte und mir schwindelig war vor Aufregung. Ich hörte die hallenden Schritte überall um mich herum. Der Flughafen war voll mit Menschen in den U.S. Army-Anzügen. Ich war so von meinen Schmerzen und meiner Aufregung abgelenkt, dass ich gar nicht mehr darauf achtete, wo wir hingingen. Sophie schien es aber zu wissen. Sie ging nämlich strikt geradeaus. Ich spürte, wie der Fußboden unter mir anfing leicht zu beben und ich konnte nur mit Mühe das Gleichgewicht halten. „Alles okay mit dir? Du siehst ziemlich blass aus!", hörte ich Sophies Stimme durch die hallenden Schritte hindurch sagen. Ich schüttelte leicht den Kopf. Ich wollte was sagen, aber es kam nichts aus mir raus. Ich weiß nicht, wie lange wir schon gegangen waren, aber irgendwann entdeckte ich zwei Säulen und dazwischen standen Christopher Hamlin, Kathleen Hamlin, Janice Hamlin und Brock. Er hatte seine Uniform an und vor ihm Stand seine kleine Tasche. Ich schluckte und krallte meine Finger in Sophies Arm. „Amber!", hörte ich Brock rufen und im nächsten Moment war er bei mir. „Was hat sie denn?", fragte Kathleen, als auch sie bei mir stand. Sophie zuckte mit den Schultern. „Anscheinend ist ihr schwindelig", Brock legte seinen Arm um mich und führte mich zu den Wartestühlen, die gegenüber den zwei weißen Säulen standen. Sobald ich den Stuhl hinter meinen beiden Beinen spürte, setzte ich mich hin. Ich atmete einmal tief ein und dann aus. So langsam wurde alles um mich herum klarer und ich lächelte meinen Freund an. Wie lange würde der Einsatz dauern? 10 Monate? Ein Jahr? Oder vielleicht kam er gar nicht mehr zurück. Mein Lächeln erlosch sofort aus meinem Gesicht und mein Herz wurde schwer. Wie sollte ich das bloß schaffen? Brock nahm meine Hand und zog mich zu seinem Rucksack, weg von der Menschenmasse. Er nahm meine beiden Hände und schaute mir in die Augen. Tief. Ich hätte mich lange in seinen eisblauen Augen verlieren können. Eine Ewigkeit. Er sagte nichts. In den Lautsprechern des Flughafens Knackte es und dann ertönte eine Frauenstimme. „Für alle Passagiere der US Army, Sie können jetzt einchecken, der Flug geht in 15 Minuten." Nein! Neeeiin! Ich drehte mich um. Die Menschenmasse war verschwunden. Sie waren alle vor uns am Check-In-Schalter. Sophie, Brocks Eltern und seine Schwester kamen auf uns zu. „Na, dann heißt es Abschied nehmen", sagte seine Mutter mit einem Seufzer. Sophie nahm Brock kurz in den Arm, löste sich aber schnell und gab ihm ein High Five. „Stell keine Dummheiten an und versuche, nicht zu verrecken!", sagte sie und zwinkerte. Brock grinste. „Werde ich machen!" „Mein kleines Baby, du hast deinen ersten Einsatz, ach das geht alles viel zu schnell", seufzte seine Mom und umarmte ihn. Der Vater tat das ebenfalls. „Pass auf dich auf, mein Sohn!", sagte er. „Tschüss großer Bruder", sagte die kleine Janice. Ich spürte wie mein Magen schmerzte und mein Herz gegen den Herzschmerz rebellierte. Meine Tränen flossen bereits. Brock drehte sich zu mir um. „Ich will nicht, dass du gehst!", schluchzte ich. Brock nickte. Aber er wollte gehen und seinem Land dienen. Er strich mir mit seinen Fingern die Tränen aus dem Gesicht. Ich umarmte ihn. „Versprich mir, dass du auf dich aufpasst!", sagte ich und griff nach seine Hand. Brock schaute mich an. „Versprochen!", sagte er. „Und versprich du mir, dass du auch auf dich aufpasst." Ich lächelte schwach und drückte seine Hand. „Versprochen." Ich spürte meine Tränen warm über mein Gesicht laufen und starrte auf den Boden. Ich wollte nicht, dass er geht, wollte keine Person verlieren die mir nahestand. „Hey!" Brock hob mein Kinn ein wenig an. „Alles wird gut, bestimmt!" Seine sanfte Stimme hatte irgendetwas tröstliches. Er nahm eine meiner Haarsträhnen und strich sie mir hinters Ohr. Mein Herz klopfte. Als er hinter meinem Ohr ankam, hielt er inne. Er schaute mir in die Augen und für einen kleinen Moment war alles um mich herum verschwunden. Es gab nur noch uns zwei. In seinem Blick entdeckte ich Liebe und Trauer. Seine schönen blauen Augen. Ich spürte, wie sich unsere Nasenspitzen berührten. Ich spürte seine Wärme. In meinem ganzen Körper spürte ich nun das Kribbeln. Dann berührten seine Lippen meine. Meine Arme schlang ich um seinen Nacken und seine Hände hielten meine Taille fest. Ich wollte diesen Moment für immer festhalten. Ich wollte dieses Gefühl für immer behalten. Doch irgendwann wurde ich auf den Boden der Tatsachen zurückgezogen und es meldete sich wieder die Realität. Brock musste los. Ich öffnete die Augen im selben Moment wie er. Wahrscheinlich hatte er dasselbe gedacht. Langsam lösten wir uns. Brock nahm seinen Rucksack. Er umarmte mich noch ein letztes Mal. Ich wollte ihn nicht mehr loslassen, doch er löste sich schnell von mir. „Ich liebe dich!", sagte er und drückte mir einen flüchtigen Kuss auf den Mund. „Ich dich auch!", hauchte ich. Ab diesem Moment fühlte ich mich wie betäubt. Das einzige was ich spürte, waren meine Tränen. Brock bewegte sich zum Check-In-Schalter. Bevor er seine Karte zeigte, drehte er sich ein letztes Mal zu uns um und winkte uns zu. Meine Arme waren zu schwer, um sie heben zu können. Als er sich umdrehte und im Flugzeug verschwand, wurde mein Körper schwer wie Blei. Ich war mir sicher, dass heute der schlimmste Tag meines Lebens werden würde, aber da hatte ich mich getäuscht.
DU LIEST GERADE
Neun Monate ohne dich
Teen FictionEr kämpft für sie- Sie kämpft mit sich Amber Shivers lebt das normale Leben einer 16 Jährigen. Bis der Junge, den sie liebt, als Soldat nach Afghanistan in den Krieg zieht und ihr ein riesiges Abschiedsgeschenk hinterlässt. Ein Baby. Brock kann nich...