Ich schob den Kinderwagen vor mir her und beobachtete, wie Bernard vor uns herlief. Heute hatte ich mich dazu bereit erklärt, mit ihm Gassi zu gehen, schließlich musste ich mich auch mehr bewegen. Der Schwangerschaftsbauch ging nicht von alleine weg. Ein Signalton meines Handys benachrichtigte mich, dass ich eine neue E-Mail bekommen hatte. Ich blieb am Straßenrand stehen und pfiff Bernard heran. Der lief zu mir und setzte sich dann neben mich. Ich griff nach meinem Handy und öffnete die Mail, die ich bekommen hatte.
Hallo, mein Name ist Maya und ich wollte meine Erfahrungen zum Thema Teen-Schwangerschaften teilen. Ich bin jetzt 17 und wurde mit 16 schwanger. Der Vater meines Kindes war eine Klassenstufe über mir. Wir waren schon 3 Jahre lang zusammen. Mir ging es ein paar Wochen lang nicht so gut und ich hatte von Anfang an das Gefühl, dass ich schwanger war. Mein Freund war richtig verständnisvoll, nachdem ich ihm davon erzählt hatte. Wir haben dann zusammen einen Schwangerschaftstest gekauft und mein Freund war dabei, als ich den Test durchgeführt habe. Der Test war positiv und für mich brach eine Welt zusammen. Ich meine, ich war erst 16 und hatte keine Ahnung von Babys. Das einzige, woran ich bisher gedacht hatte, war die Schule und die Universität. Es hat zwei Wochen gedauert, bis ich den Mut gefunden habe, meinen Eltern davon zu erzählen. Sie waren stinksauer und redeten nur von Abtreibung oder Adoption. Ich wusste aber von Anfang an, dass Abtreibung keine Option für mich war. Da war ein lebendiger Mensch in mir drin, den konnte ich doch nicht einfach umbringen. Ich entschied mich letzten Endes, das Baby zu behalten. Davor wollte ich unbedingt Physik studieren, aber nun musste ich meine Pläne komplett ändern. Ich verließ die Schule und die meisten meiner Freunde brachen den Kontakt zu mir ab. Im vierten Monat meiner Schwangerschaft verließ mich dann mein Freund. Er wollte nichts mehr mit mir oder dem Baby zu tun haben. Ich war so sauer auf mich, auf das Baby, auf die ganze Welt. Ich meine, ich hatte niemanden mehr außer meinen meckernden Eltern. Vor drei Monaten ist meine wundervolle Tochter Emilia Olivia geboren worden und ich kann mir mein Leben ohne sie nicht mehr vorstellen. Sie ist alles für mich und ich möchte nichts mehr an meiner Vergangenheit ändern. Ich hoffe, ich konnte mit meinem Bericht helfen. Ich finde die Idee mit der Website sehr gut und es würde mich freuen, wenn meine Geschichte dort veröffentlicht würde und ich anderen jungen Müttern damit helfen könnte.
Grüße Maya Harlow
Es dauerte ein paar Minuten, bis ich realisiert hatte, was ich da gerade las. Es hatte tatsächlich eine Teenager-Mutter meinen Blog gefunden und wollte ihre Geschichte teilen. Stolz breitete sich in mir aus. Ich konnte es wirklich schaffen. „Amber?" Sofort verschwanden die Gedanken aus meinem Kopf, als eine warme, tiefe Stimme in mein Ohr drang. „Ich war gerade auf dem Weg zu dir." Nate stellte sich neben mich und grinste mich an.
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„Das Westminster-System wurde von anderen Staaten übernommen, wie zum Beispiel von Kanada, Indien, Australien, Neuseeland, Singapur und Jamaika", beendete Nate die kleine Präsentation. „Super, ich glaube dann sind wir fertig", sagte ich und rollte das Plakat ein. „Wieviel Uhr ist es?", fragte Nate zum gefühlten 50. Mal. „18 Uhr. Wieso willst du es andauernd wissen?", fragte ich. „Ich habe noch ein Treffen", antwortete er und stand auf. „Ich geh dann mal", sagte er und bewegte sich Richtung Wohnzimmertür. Es kostete mich große Mühe, mir meine Enttäuschung nicht anmerken zu lassen. Ich wollte noch nicht, dass er ging, warum auch immer. Bevor Nathan das Wohnzimmer verließ, drehte er sich langsam zu mir um und sah mich nachdenklich an. Dieser Blick ließ Hitze in meine Wangen schießen. Mein Herz pochte so laut, dass ich befürchtete, er könnte es hören. „Was ist?", versuchte ich so cool wie möglich zu fragen, aber meine Stimme versagte. „Komm doch mit", sagte Nate. Was? „Nein, ich kann nicht. Ich habe ein Kind, auf das ich aufpassen muss, außerdem ist das dein Treffen, da sollst bestimmt nur du hin", versuchte ich den Vorschlag abzulehnen. „Da wo ich hingehe, ist fast jeder willkommen, außerdem schlafen Babys fast den ganzen Tag und du hast doch ein Babyphone, oder? Dann weißt du immer, wie es deinem Sohn geht. Wir sind nicht weit von hier, das heißt, du kannst schnell nach Hause zurück." Ich biss mir auf die Unterlippe. Vielleicht konnte ich so Nate besser kennenlernen. Aus irgendeinem Grund konnte ich dem Gedanken nicht widerstehen. „Okay, aber es dauert nicht lange, oder?" Nate schüttelte den Kopf. Schnell zog ich meine Schuhe an. Ich konnte jeder Zeit nach Hause zurück. Wir nahmen unsere Jacken und verließen das Haus. Draußen war es schon dunkel und es hatte sich deutlich abgekühlt. Als die Haustür hinter mir zufiel, meldete sich mein schlechtes Gewissen. Ließ ich Ezra tatsächlich alleine Zu Hause? Aber jetzt konnte ich nicht mehr zurück, sonst würde ich vor Nate wie ein uncooles, ängstliches Mädchen dastehen. Wir gingen die Straße entlang in eine Richtung, die ich bisher noch nicht kannte. Vor Nervorsität hielt ich mein Handy fest umklammert und ich begann, mit den Fingernägeln das Plastik der Hülle abzukratzen. Das Laub unter unseren Füßen raschelte laut. Ich blickte auf den Sperrbildschirm meines Handys, der Ezras Bild zeigte und sah auf die Uhr. Es war 18:05 Uhr. „Erzähl mal was von dir", sagte ich und hoffte, dass dieses Gespräch mich ablenken würde. „Ich bin 17 Jahre alt und habe einen kleinen Bruder, der 13 ist. Nach diesem Schuljahr gehe ich von der Schule, weil ich keinen Bock auf die A Levels habe. Mehr gibt es nicht zu erzählen", sagte er und zeigte auf eine Wiese, die neben uns lag. Am Ende der Wiese begann ein Wald. „Wir müssen hier über den Zaun klettern und dann in den Wald. „Was? Ist das erlaubt?" Entsetzt starrte ich auf den Drahtzaun, der wenig einladend aussah. Nate zuckte mit den Schultern. „Keine Ahnung, ich denke schon." Mit einem Schwung war er über den Zaun gesprungen. Beeindruckt sah ich ihn an. Der Zaun ging mir bis zur Brust. Zum Glück war es kein Elektrozaun. Nate reichte mir seine Hand. Ich ergriff sie und steckte meinen Fuß in eine der schmalen, viereckigen Maschen. In dem Moment als unsere Hände sich berührten kam es mir vor, als würde ein Funke überspringen. Meine Hand kribbelte, wie sie in Nates warmer Hand lag. Er zog mich zu sich herüber, vergaß dabei aber, dass ich meinen Fuß noch im Zaun stecken hatte. Im nächsten Moment purzelte ich seitwärts den Zaun herunter und landete weich auf dem feuchten Rasen. Erschrocken sah ich zu Nate auf, der mich nur angrinste und mir wieder seine Hand reichte. „Queen Amber ist mal runtergefallen." Ich griff nach seiner Hand und ließ mich wieder hochziehen. Als ich wieder auf den Füßen stand, streckte ich ihm die Zunge raus und zog meine Hand aus seiner. Das war ein peinlicher Moment. Ich wischte mir den Dreck von der Hose und folgte Nate, der schon weitergegangen war, direkt in einen Wald An den dicht beieinanderstehenden Bäumen befanden sich keine Blätter mehr. Es gab keinen Weg, was bedeutete, dass wir quer durch den Wald gingen. Es erschien mir, als würden die Bäume ihre Äste nach uns ausstrecken und ich musste aufpassen, dass ich mich nicht im Geäst verfing. Ich konnte höchstens fünf Meter weit sehen, weil es in dem Waldstück so dunkel war. Ich wusste nicht, wie lange wir schon gegangen waren aber irgendwann blieb Nate stehen und ich musste ein paar Mal blinzeln, bevor ich ein großes, verlassenes Haus vor uns erkennen konnte. Nate klopfte gegen die verwitterte Tür, während ich versuchte, besonders aufmerksam zu lauschen. Er klopfte dreimal kurz, einmal lang, dreimal kurz, einmal lang, fünfmal kurz und zweimal lang. Verwirrt schaute ich zu. Es kam mir ziemlich schräg vor, was er da tat. Nate trat zur Seite und im nächsten Moment wurde die Tür nach außen hin geöffnet. Ein Mädchenkopf kam hinter der Tür hervor und grinste uns mit ihren weißen, geraden Zähnen an, die von einem knallrot geschminkten Lippenstift eingerahmt wurden. Erstaunt schnappte ich nach Luft. „Hey Kumpel, wir haben alle nur auf dich gewartet", sagte das Mädchen und sah dann zu mir herüber. „Und wer ist das?", fragte sie. Ein leichter Windhauch spielte mit ihren goldbraunen Haaren. „Das ist Amber, sie ist noch nicht so lange in England. Sie kommt aus den USA." „W I L L K O M M E N", sagte sie ganz langsam, als ob ich nicht so gut Englisch könnte. „Ich kann Englisch verstehen und sprechen", lachte ich. „Ich dachte, du hättest vielleicht Schwierigkeiten mit unserem Akzent." „Ich verstehe alles", sagte ich und sie lächelte mich an. Das Mädchen war mir sofort Sympathisch. „Ich bin Angeles", sagte sie und verschwand wieder hinter der Tür. „Komm", sagte Nate und ging ebenfalls hinein. Als ich näher kam, konnte ich erkennen, dass das innere des Hauses beleuchtet und eingerichtet war. Kaputte Fenster wurden von einer Plane überdeckt, die die Farbe von den Bäumen in der Umgebung hatte und wie ich später erfuhr, als Schutz vor fremden Leuten und dem Wetter diente. Ich folgte Nate hinein in die helligkeit. Der Boden des Eingangsbreichs war morsch und wir mussten aufpassen als wir den Raum durchquerten. Das Treppenhaus des Hauses war komplett verfallen und es gab keinen Zugang in die obere Etage. Wir liefen daran vorbei, bis wir durch eine weitere Holztür gingen, die ins nächste Zimmer führte. Der Raum, in dem wir standen, war klein und neben mir auf dem Boden befand sich eine Falltür. Es gab eine weitere Tür, hinter der dumpfe Musik ertönte. „Wir haben alle nur auf dich gewartet, Boss." Angeles zwängte sich an mir vorbei zu Nate, der die Hand auf die Türklinke legte. Boss? Was war hier bitte los? Mit einem Schwung öffnete Nate die Tür. „Nate" ein Mädchen mit feurig rot gefärbten Haaren, einem schwarzen Crop Hoodie und einer hellen Jeanshose lief ihm entgegen und fiel ihm um den Hals. Erst als sie sich von ihm löste, erblickte sie mich und erstarrte. Ihre Miene verfinsterte sich augenblicklich und ich meinte, etwas Kaltes in ihren hellbraunen Augen zu entdecken. „Wer ist das?" Verachtung lag in ihrer Stimme. Sie verschränkte die Arme und deutete mit dem Kopf in meine Richtung. Dann machte sie einen Schritt zur Seite und ich hatte freie Sicht auf das Zimmer hinter der Tür. Im selben Moment hörte die Musik auf zu spielen. Es war ein kleiner Raum, die Wände und der Fußboden aus dunklem, neuerem Holz. Acht Gemüsekisten standen darin. Auf dreien davon saßen Jungs in meinem Alter. Der eine hatte blonde Haare, ein iPad in seiner Hand und schaute hoch. Der Junge neben ihm hatte schwarze Haare. Der dritte Junge in dem Raum wog mehr als die beiden anderen zusammen. Er hatte kurze, lockige schwarze Haare. Er und Angeles machten einen sympathischen Eindruck, im Gegensatz zu den anderen. „Das ist Amber, sie ist neu hier in England. Sie kommt aus den USA", sagte Nate und bedeutete mir mit einer Handbewegung, näher an den Türrahmen heranzutreten. Schon wieder war ich die Neue. Meine Finger zitterten und ich verschränkte sie ineinander, damit die anderen nicht sahen, wie nervös mich ihre Blicke machten. „Herzlich willkommen", sagte der dicke Junge. „Und nur, weil sie neu ist, schleppst du sie gleich hier hin?", sagte das rothaarige Mädchen, ohne ihren Blick von mir abzuwenden. „Hey, vergiss nicht Kate, du warst auch mal neu", sagte Angeles, ging durch die Tür und ließ sich auf einer Gemüsekiste nieder, neben dem Jungen mit dem iPad, der sich wieder voll auf den Bildschirm konzentrierte. „Und wir haben dich nicht so behandelt", warf der dicke Junge ein. Seine hohe, weiche Stimme passte irgendwie nicht zu seinem Aussehen. „Genau, Pete hat Recht", sagte Nate und schob mich in den Raum hinein. Er deutete auf eine Kiste neben Pete und schüchtern setzte ich mich zu ihm. „Hi, ich bin Pete" sagte er und mit einem breiten Lächeln reichte er mir die Hand. Mit einem vorsichtigen Lächeln nickte ich ihm zu. „Wieso hast du noch die Schuluniform an?", fragte Kate und setzte sich neben Nate. „Wir mussten nach der Schule ein Projekt bei ihr machen." „Die Schuluniform steht dir nicht", sagte Angeles und warf ihre Haare nach hinten. Dabei konnte ich ein großes Tattoo auf der Innenseite ihres Armes erkennen, in der Nähe der Armbeuge. Es war ein großes, verschnörkeltes A. „Und, Henry, hast du schon was gefunden?", fragte Nate den Jungen am iPad. „Ja. Hier gleich um die Ecke, in dieser Villa sind die Besitzer im Urlaub. Niemand ist da. Wir können da rein." Wie bitte? Hatte ich gerade richtig gehört? Es klang so, als hätte er gesagt wir könnten da rein, ohne Besitzer und das klang so wie einbrechen. Vor meinem inneren Auge tauchte Ezras Gesicht auf und ich musste heftig blinzeln. Mein Herz pochte in meinen Ohren. Das gefiel mir gar nicht. Wenn sie wirklich in fremde Häuser einbrachen, wollte ich nichts damit zu tun haben. Ich zog mein Handy aus meiner Jackentasche und schaute auf den Sperrbildschirm. Ich tat, als ob ich auf die Uhrzeit schaute und stand dann auf. Ich würde einfach gehen. Nate würde das bestimmt verstehen. „Ich muss gehen", sagte ich und ging durch die Tür. Ich spürte die überraschten Blicke der anderen auf mir, blieb aber nicht stehen. Nur schnell weg von hier! Ich hatte hier nichts zu suchen, zu Hause wartete mein kleiner Sohn auf mich. Jemand berührte mich sanft am Arm. Es fühlte sich an wie das Prickeln tausender Funken. Ohne hinzusehen wusste ich, wer es war. Ich drehte mich langsam um und sah in Nates dunkle Augen. „Ich muss gehen, Ezra kann nicht so lange allein bleiben." Mit einer Kopfbewegung deutete ich auf das Handy in meiner Hand. „Ich wusste, dass sie ein Feigling ist", hörte ich Kate im Hintergrund zu den anderen sagen. Ja, ich war ein Feigling, na und? Was ging sie das an? „Bitte bleib doch noch ein bisschen. Wir brauchen nicht so lange", sagte Nate und sein Gesicht... Es war unbeschreiblich! Ich wollte nicht nein sagen, aber mein Verstand schaltete sich schnell genug ein. Nein, dabei durfte ich nicht mitmachen! „Was macht ihr denn noch?" fragte ich und stützte meine Hände in die Hüften. Nate rang mit den richtigen Worten, das sah ich ihm an und deshalb wollte ich seine Frage selbst beantworten. „Ihr..." ich dämpfte meine Stimme, „Ihr steigt in fremde Häuser ein und raubt deren Besitzer aus, die im Urlaub sind", teilte ich ihm meine Interpretation mit. „Das stimmt nicht... ganz, wir brauchen nur etwas Bestimmtes. Wir suchen einen Schlüssel für ein Lagerhaus, aus dem wir nur eine bestimmte Sache brauchen, die wir einem Kumpel von uns geben. Das gehört ihm. Wir machen nichts Illegales, das ist sogar eine gute Sache. Und, machst du mit?" Nachdenklich biss ich mir auf die Unterlippe. Was bitte konnte an einer Sache gut sein, wenn man dafür in fremde Häuser einsteigen musste? Doch wenn ich jetzt nicht ja sagte, würde mich Nate für einen Looser halten und nichts mehr mit mir zu tun haben wollen. Dafür wäre Ezra dann nicht länger allein zu Hause und ich bräuchte kein schlechtes Gewissen mehr zu haben, weil ich ihn so lange alleine ließ. „Mmhh, ich weiß nicht." Ich wandte meinen Blick vom Boden hoch zu Nates fast schwarzen Augen. Sein Blick traf mich mitten ins Herz und mein Hals wurde trocken. Meine Knie fühlten sich so weich an, dass ich mich nur mühsam auf den Beinen halten konnte. In meinen Ohren dröhnte es und wäre ich ein Stück Schokolade, würde ich jetzt vor ihm dahinschmelzen. Ich konnte nicht Nein sagen. Auch in 1000 Jahren nicht. „Na gut, ich bin dabei."
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Neun Monate ohne dich
Teen FictionEr kämpft für sie- Sie kämpft mit sich Amber Shivers lebt das normale Leben einer 16 Jährigen. Bis der Junge, den sie liebt, als Soldat nach Afghanistan in den Krieg zieht und ihr ein riesiges Abschiedsgeschenk hinterlässt. Ein Baby. Brock kann nich...