Rasende Fluten

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Wer, wie wir alle, gegen Annie Cresta gewettet hat der dürfte seine Entscheidung spätestens jetzt bereuen! Heute werden wir im Interview mit der Frau sprechen die all ihr Geld darauf gesetzt hatte, dass Annie Cresta noch einen Mittribut töten würde und damit jetzt auf einen Schlag sehr viel reicher ist! Begrüßen sie bitte Violet Ephee!

Danke Caesar! Sie glauben ja gar nicht wie erleichtert ich bin – fast sah es ja schon so aus als wenn unsere Annie das nächste Opfer wird, aber ich bin froh, dass ich nie die Hoffnung aufgegeben habe!

Violet, beantworten sie mir nur eine Frage: Was hat sie dazu bewegt auf einen der unscheinbarsten und wohl auch willensschwächsten Tribute diese Runde zu setzen? Ich meine, Claudius und ich haben immer nur gesehen wie viel Angst das Mädchen hat, wir hätten ihr nie zugetraut zu töten! Und so haben ja auch viele andere gedacht, die gewettet haben, dass Annie Cresta für ihren Mittribut Pon sterben würde ohne selber töten zu können.

Ich wette seit Jahren auf die Hungerspiele und wenn ich eine Erkenntnis getroffen habe, dann diese: Früher oder später brechen sie alle! Wenn erst einmal alle Dämme gebrochen sind schafft es noch jeder Tribut seine Waffe zu erheben. Und Annie hatte die besten Voraussetzungen, so zartbesaitet wie sie ist. Ich habe nur auf diesen Moment gewartet – vielen Dank Annie!

Da muss ich Ihnen sogar Recht geben Violet, wenn ich an manch vergangene Hungerspiele zurück denke konnten uns ja schon öfter die Außenseiter überraschen. Glauben Sie also auch an einen Sieg von Annie?

Oh nein, natürlich nicht! Ich bin weiterhin für Shine aus Distrikt eins. Von allen Tributen hat sie einfach das beste Zeug zum Sieger – sie ist durchtrainiert, willensstark und hat nur die Bestnoten erzielt. Diese kleinen Außenseiter sind immer ein amüsanter Zeitvertreib, ebenso wie unser dritter und letzter Überlebender Dean aus Distrikt neun, aber letztendlich taugen sie einfach nicht als Sieger.

Dann wollen wir mal das Beste hoffen für sie Violet, auf das sie noch viel Erfolg haben!

Schmerzen, ich habe furchtbare Schmerzen. Alles in mir zieht sich zusammen. Vage nehme ich wahr wie warmes Blut meine Arme hinabläuft. Bin ich schwer verletzt? Ich weiß es nicht. Woher der Schmerz kommt kann ich nicht sagen, er ist überall, durchflutet meinen ganzen Körper. Alles vor meinen Augen ist verschwommen, ich sehe kaum was sich vor mir befindet. Aber das ist egal, denn ich sehe die Bilder in meinem Kopf vor mir, ich sehe wie Victoria ihr Messer zieht, die Klinge leuchtet im Licht eines Blitzes auf und dann ist alles vorbei. Immer wieder sehe ich diesen Moment rasend schnell vor mir ablaufen. Jedes Mal komme ich zu spät, kann nichts mehr tun. Nicht mal mehr ein Schrei ertönt bevor der leblose Körper am Boden aufschlägt. Alles was dann folgt ist... Schwärze.

Mein Körper schüttelt sich, Feuchtigkeit läuft über meine Wangen. Wie aus weiter Ferne höre ich ein gewürgtes Schluchzen. Ist das meine Stimme? Ich weiß es nicht, es hört sich an wie die Stimme einer Fremden. Wie die Stimme der Person die den Speer zückte und Victoria tötete, mitten ins Herz. Die Person die niemals ich sein kann. Meine blutigen Hände klammern sich um meine Oberarme, die Fingernägel graben sich tief ein, sodass es weh tut. Ich bin nicht diese Person.

Unter dem nebeligen Schleier sehe ich die unscharfen Umrisse eines kleinen Körpers am anderen Ende des Plateaus liegen. Gleichzeitig erweckt sich in mir der Drang ihn in den Arm zu nehmen, ihn wieder heil zu machen und ihn fortzustoßen, sodass ich ihn nicht mehr ansehen kann. Doch ich bin nicht fähig mich zu bewegen. Ich weiß nicht wie lange ich bereits so dasitze, zusammengekrümmt und völlig durchnässt, aber Zeit spielt keine Rolle mehr. Wie in Trance starre ich auf das, was von Pon am Ende übrig bleibt. Immer weiter verschwimmt mein Blick, während meine Gedanken lauter tosen als der Sturm.

Meeresflüstern | Annie Cresta ✔️Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt