31 | Biester

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»Liebe Kinder, passt gut auf – hier seht ihr den tödlichen Fehler, der selbst einen guten Tribut ausscheiden lässt! Erinnert ihr euch an unsere letzte Lektion? Lasst es uns alle zusammen wiederholen:
Denk an deine Deckung!

So wie ihr euch jetzt sicherlich ganz fest in eure Bettdecken einkuschelt, damit euch nicht das Monster unter dem Bett erwischt, darf ein guter Tribut nie vergessen, dass er seinen Feinden unter keinen Umständen den Rücken kehren darf.
Leider hat unsere liebe Charlott aus Distrikt Neun das jedoch vergessen und deshalb drücken wir jetzt das große rote X für sie! Wie schade – doch das bedeutet auch, dass die Chancen aller anderen jetzt gestiegen sind!

Zum Beispiel für unseren kleinen Helden Pon aus Distrikt Vier. Wollen wir doch mal schauen, welche wertvollen Lektionen wir heute von ihm lernen können! Vielleicht ja etwas über falsche Freundschaften?«

 Wollen wir doch mal schauen, welche wertvollen Lektionen wir heute von ihm lernen können! Vielleicht ja etwas über falsche Freundschaften?«

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In dieser Nacht habe ich zum ersten Mal seit Beginn der Hungerspiele keine Albträume. Endlich muss ich mich nicht mehr Shines blutverschmiertem Lächeln stellen – aber nur, weil ich gar nicht einschlafe. Stattdessen liege ich da und starre zur Decke der Arenakuppel.
Dicke Wolken hängen vor den falschen Sternen und rauben uns Tributen das letzte Licht. Da macht es auch keinen Unterschied, ob ich nun die Augen geschlossen habe oder nicht. In dieser Finsternis kann ich selbst die Steine um Aramis' und mein Lager kaum erkennen. Wenn sich jetzt jemand anschleicht, dann ... dann war's das.
Richtig?

Mit den Fingerspitzen streife ich über den Griff des Messers an meinem Gürtel. Das bisschen Blut von dem Mädchen aus Distrikt Neun darauf hat das salzige Flusswasser längst fortgetragen und doch haftet das Bild der rostroten Flecken auf blankem Stahl unbeweglich in meinem Kopf. Wie konnte ich nur jemanden verletzen? Und vor allem ... was hätte ich noch getan, wenn Aramis nicht gewesen wäre?

Ich reiße die Hand von dem kalten Metall fort.
Nein.
Nein, nein, nein.
Ich hätte das nicht getan. Ich kann das gar nicht! Amber und Floogs haben mir nur beigebracht, mich zu verteidigen. Aber ich hätte niemals ... niemals die Klinge wirklich ... Es war ein Versehen, dass ich die Tributin verletzt habe! Nichts anderes!

Warum nur will mein Herz nicht aufhören zu rasen? Als könnte ich es zum Schweigen bringen, presse ich die flachen Hände gegen meinen Brustkorb. Doch der Angstschweiß dringt selbst durch das Top und die Jacke darüber. Und dann steigt ein Brennen meine Kehle empor. Wie die Lava aus dem Vulkan der 50. Hungerspiele sprudelt es in mir hoch.

Bestimmt sieht Amber jetzt mit verschränkten Armen zum Fernseher und schüttelt den Kopf. Wahrscheinlich murmelt sie, dass ich endlich lernen sollte, mit dem Geschehen zu leben. Sie hat ja recht. Es wäre besser, wenn ich mehr wie sie sein könnte. Nicht so klein, weinerlich und ... verrückt?
Jetzt schließe ich doch die Augen. Eher gesagt kneife ich sie zusammen. Hauptsache, ich sehe etwas anderes als diese Finsternis – und wenn es nur Sterne sind, die vor meinen Lidern tanzen. Gleichzeitig grabe ich die Finger so fest in die Brust, dass es auf den Knochen brennt.

Meeresflüstern | Annie Cresta ✔️Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt