Drei

1K 46 1
                                    

Ich habe es für ganze zwei Wochen geschafft Holden und Isabell weitest gehend aus dem Weg zu gehen. Nachmittags habe ich mich in der Stadt rum getrieben und morgens ist keiner der beiden da, was bedeutet, dass ich in der Wohnung machen kann, was ich will. Es ist ein wenig so, als würde ich wieder zuhause wohnen. Der Kühlschrank ist stets voll, alles ist wie von Zauberhand geputzt und die meiste Zeit bin ich alleine. Ich glaube Isabell ist von unserer Art des Zusammenlebens nicht so begeistert. Manchmal höre ich sie abends mit Holden in ihrem Schlafzimmer streiten. Er ist der Meinung, dass ich mir einen Job suchen sollte, um bald ausziehen zu können. Dieser Trottel will mich wirklich los werden. Mir wäre es auch lieber, wenn er weg wäre, aber das Leben ist kein Wunschkonzert. Man kriegt nicht immer das was man haben will. Holden ist Zahnarzt mit einer eigenen Praxis in der Stadt. Er fährt einen Mercedes und hat einen Haufen Geld auf seinem Konto. Da hat Isabell sich einen mit viel Kohle geangelt.

Ich schiebe gerade die Müslischüssel in den Geschirrspüler, als ich einen Schlüssel im Schloss höre. Verdammt! Morgens sollte hier doch niemand sein. Ich habe keine Lust auf ein Gespräch, aber ich schaffe es auch nicht mehr schnell genug ins Bad oder mein Zimmer. Da mir nichts besseres einfällt, flüchte ich mich auf das Sofa und tue so, als würde ich schlafen.

"Ich hab dich gehört, Riley. Du musst nicht vorgeben zu schlafen."

Wenigstens ist es nicht Holden. Seufzend richte ich mich auf und fahre mir mit der Hand durch meine Haare. Was will die denn jetzt hier?

"Müsstest du nicht in der Schule sein?", will ich von Isabell vorwurfsvoll wissen.

Isabell setzt sich neben mich auf das Sofa und legt eins der Kissen zurecht. Kopfschüttelnd beobachte ich sie dabei. Es hat sich herausgestellt, dass sie einen Putzfimmel hat. Alles muss immer zu einhundert Prozent ordentlich und sauber sein. Das nervt ziemlich. Es überrascht mich, dass sie auch noch andere Dinge in ihrer Freizeit macht, als nur zu putzen.

„Ich habe mit ein paar Kollegen Stunden getauscht, so dass ich heute früher gehen könnte", erklärt sie mir.

„Und wieso?"

„Heute kommt meine beste Freundin für zwei Wochen vorbei und ich möchte sie am Flughafen abholen. Sie ist wegen ihres Jobs nach Paris gezogen und wir sehen uns nur noch selten."

„Aha", gebe ich von mir.

Wirklich interessieren tut es mich nicht. So lange die Freundin mir nicht in die Quere kommt oder mich nervt.

„Sie wird übrigens hier wohnen", fügt meine Schwester noch hinzu.

„Okay."

Ich will gerade aufstehen, als Isabell ihre Hand auf meine Schulter legt und mich zurück auf das Sofa drückt. Stöhnend verdrehe ich die Augen und sehe sie genervt an.

„Was ist denn noch?", frage ich schnippisch.

Isabell bleibt ruhig wie immer. Sie kennt mich schon mein Leben lang und weiß, wie sie mit mir umgehen muss. Sie streicht sich eine blonde Haarsträhne hinters Ohr und lächelt mich an. Ich weiß was dieser Blick bedeutet. Gleich wird sie mich um einen Gefallen bitten.

„Kannst du bitte nett zu ihr sein? Ich möchte, dass es Elisa hier gefällt", bittet sie mich.

„Klar", murmele ich und beiße mir auf die Zunge, um nicht noch hinzu zu fügen, dass sie das auch lieber mal Holden sagen sollte.

Isabell sieht mich zweifelnd an.

„Ich kann auch nett sein, wenn ich möchte", versichere ich ihr und ziehe eine Grimasse.

„Gut. Ich muss dich um noch einen Gefallen bitten", fängt sie an und sieht mich verlegen lächelnd an.

„Was?", will ich wissen.

„Jetzt guck nicht so, als ob du keine Zeit hättest Riley. Wir beide wissen, dass du den ganzen Tag nichts sinnvolles machst."

Mir war klar, dass Isa weiß, dass ich nichts mache, aber jetzt nutzt sie diese Tatsache für ihre eigenen Zwecke aus. Ganz meine Schwester.

„Na schön", gebe ich nach.

Leider habe ich wirklich nichts besseres zu tun, auch wenn ich noch gar nicht weiß worum es geht. Isabell strahlt mich an.

„Dann zieh dir was an. Du wirst mich zum Flughafen begleiten."

„Ähm.. und was soll ich dort?"

Mir ist nicht klar, wieso sie mich mitnehmen möchte. Vielleicht als Packesel oder damit ich die Anzeigetafel studieren kann. Ich kenne ihre beste Freundin nur noch von früher, aber schon damals habe wir so gut wie nie miteinander gesprochen. Elisa erinnert sich bestimmt nicht mehr an mich.

„Es schadet dir nichts mal raus zu kommen. Zieh dich an!"

Ich raffe mich, nach dieser aufschlussreichen Antwort, auf und schlurfe in mein Zimmer. Aus dieser Nummer werde ich nicht mehr raus kommen. Außerdem soll ich ja nur mitkommen. Isabell hat nicht gesagt, dass ich irgendetwas tun soll. Ich muss kein Gespräch mit Elisa führen, an die ich mich kaum noch erinnere oder die Koffer tragen.
Schnell ziehe ich mir einen Pullover an und eine alte Jeans. Ein paar Sachen von denen, die Isabell mir gegeben hat, passen wirklich, aber ich trage sie nicht gerne. Sie passen nicht zu mir. Dann schlüpfe ich noch schnell in meine abgetretenen Chucks und mache mir meine Haare zusammen. Keiner hat gesagt, dass ich gut aussehen muss. Darauf lege ich ohnehin nicht mehr so viel Wert. Als Junkie ist einem so ziemlich alles egal. Einige Leute haben mich schon gesehen, als es mit total dreckig ging und ich scheiße aussah. Und wieso sollte ich mich aufbrezeln? Ich sehe keinen Zweck dazu.

„Mach schon", meckert Isabell aus dem Wohnzimmer, wo sie auf mich wartet.

„Ich komme ja schon", schreie ich und stehe wenige Sekunden später neben mir.

„Darf ich mir noch was zu essen mitnehmen?", frage ich sie.

Meine Schwester seufzt. Wenn sie mich wie ein Kind behandelt, dann kann ich mich auch wie eins verhalten. Isa nickt, bedeutet mir aber gleichzeitig, dass ich mich beeilen soll. Um ehrlich zu sein, mache ich das nur um sie zu ärgern. Ich durchsuche die Schränke und schmiere mir letztendlich ein Brot mit Nutella.

„Wir können", sage ich mich vollem Mund und grinse Isabell an.

„Na schön, dann auf", meint sie und geht schon mal los.

Addicted Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt