Fünf

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„Hast du heute Abend was vor, Riley?"

Was will Elisa von mir?
Vor Schreck mache ich einen Schritt vom Fenster weg und die Gummiblume landet samt Topf auf dem Boden, der zerbricht.

„Scheiße!", fluche ich lautstark und blicke in Richtung Tür.

Elisa lehnt am Türrahmen und lächelt mich an.

„Tut mir leid. Ich wollte dich nicht erschrecken", sagt sie. „Soll ich dir helfen die Scherben weg zu räumen?"

„Ne lass mal", lehne ich ab. „Die Blume ist sowieso unecht."

Elisa fängt an zu lachen, als hätte ich einen Scherz gemacht. Dabei habe ich doch nur die Wahrheit gesagt.

„Wie es aussieht kann sie sich immer noch nicht um etwas lebendiges kümmern", meint Elisa.

„Anscheinend."

Ich schließe das Fenster und durchquere das Zimmer vorsichtig, um nicht auf eine der Scherben zu treten.

„Was willst du eigentlich von mir?", will ich von Elisa wissen, als ich ihr gegenüber stehe. „Ist Isabell nicht da?"

Wieso sollte Elisa sonst zu mir kommen? Das scheint mir der einzige Grund zu sein. Bestimmt ist sie auf der Suche nach etwas und findet es nicht. Mir geht es hier oft auch so. Isabell versteckt alle möglichen Dinge vor mir.

Elisas Lächeln wird etwas kleiner. Mittlerweile bin ich kaum merklich kleiner als sie. Ich muss nicht mehr zu ihr aufblicken. Heute hat sie ihre Haare zusammen gebunden und trägt ein sommerliches knielanges schwarzes Kleid mit weißen Blumen darauf. Etwas, in das man mich niemals bekommen würde. An ihr sieht es unheimlich süß aus. Es lässt Elisa jünger aussehen, als sie eigentlich ist.
Ich trage eine kurze Shorts und ein weites weißes T-Shirt, dass ich im meiner Junkie-Zeit in irgendeinem Laden geklaut habe und das zwei Nummern zu groß ist. Behalten habe ich es trotzdem und irgendwie gefällt es mir.

„Hast du Lust heute Abend essen zu gehen?", fragt sie mich.

„Mit dir?", hake ich ungläubig nach.

Ich kann mich doch nur verhört haben. Es gibt keinen Grund für Elisa etwas mit mir zu unternehmen. So gelangweilt kann sie doch nicht sein.

„Naja eigentlich brauche ich eine Begleitung, da Isabell mich zu einem Essen mit Freunden eingeladen hat und die bringen alle ihre Partner mit", gesteht sie.

Verwirrt mustere ich sie und spreche meinen nächsten Gedanken laut aus. „Und wieso fragst du da gerade mich? Ich bin nicht dein Partner."

Elisa würde bestimmt irgendeinen Jungen finden, der mit ihr mitgeht oder sie ruft ihren Lover an und bittet ihn zu kommen.

„Ich weiß. Aber ich will da nicht alleine auftauchen."

„Du hast meine Frage nicht gerade beantwortet", stelle ich fest. „Du findest doch bestimmt jemand anderes und wenn nicht, dann frag doch deinen Freund, ob er vorbei kommt."

Kaum zu glauben, dass dieses Gespräch hier nicht das seltsamste ist, das ich jemals geführt habe. Auf der Rangliste ist es trotzdem unter den Top fünf. Ganz oben ist ein Gespräch zwischen einem Jungen und mir, der mich verklickern wollte, dass er kein Interesse an mir hat, aber ihn das nicht daran hindern würde Sex mit mir zu haben. Schließlich hat er mir sogar angeboten mir Heroin zu beschaffen, wenn ich es tue. Das war ein krankes Gespräch. Dieser Typ muss total notgeil gewesen sein.

„Ich habe keinen Freund", reißt Elisa mich aus meinen Gedanken.

„Und? Dann frag doch irgendwen. Ich werde da ganz bestimmt nicht hingehen. Ich kann Holden nicht leiden und diese Freunde von Isa auch nicht", mache ich klar.

„Irgendwen? Das ist doch total lächerlich. Ich kenne in dieser Stadt doch niemand. Einen vollkommen Fremden mit zu bringen, wäre noch seltsamer, als mit dir dort aufzutauchen."

„Ist nicht mein Problem", sage ich gleichgültig und gehe an ihr vorbei aus meinem Zimmer in die Küche.

Elisa folgt mir und versucht mich weiter zu überreden. Ich nehme mir den Orangensaft aus dem Kühlschrank und fülle ein Glas damit.

„Ach komm schon Riley. Ich will mich heute Abend nicht langweilen und du hast doch nichts vor", bettelt sie.

Plötzlich kommt sie mir nicht mehr wie eine erwachsene Frau vor. Sie verhält sich wie ein Kind, dass unbedingt die Schokolade im Supermarkt haben will, obwohl die Mutter schon tausend Mal nein gesagt hat.

„Dann mach doch irgendwas, um dich nicht zu langweilen. Du wirst schon was finden. Du bist schließlich erwachsen."

Sie geht mir auf die Nerven, auch wenn sie bei ihrem hoffnungslosen Überredungsversuch wirklich süß aussieht. Seufzend nimmt Elisa sich ebenfalls ein Glas und trinkt einen Schluck Wasser.

„Das habe ich ja vor, aber wie sieht es denn aus, wenn ich bei diesem Essen als einzige alleine auftauche?", jammert sie weiter.

„Das ist mir doch egal", entgegne ich genervt.

„Bitte Riley. Es würde aussehen, als wäre ich ein hoffnungsloser Fall", sagt sie melodramatisch.

Ich lehne mich an die Küchenzeile und fahre mir durch meine Haare. Da es mir egal ist, wie Elisa rüber kommt, zucke ich mit den Schultern. Sie verfolgt mich weiter, als ich auf den Balkon gehe und mich dort auf einen der Plastikstück sinken lasse. Ich habe nie damit gerechnet, dass Elisa so hartnäckig und nervig sein kann.

„Es ist doch nur ein Abend. Was muss ich sagen, dass du mitkommst?", will sie wissen und setzt einen Hundeblick auf.

„Gar nichts, weil ich nämlich so oder so nicht mitkommen werde", sage ich lauter als beabsichtigt.

Wieso ist es Elisa überhaupt so wichtig, dass sie jemand dabei hat? Liegt ihr so viel an ihrem Image oder möchte sie dass Isabell sie mag. Die zwei sind doch schon beste Freundinnen.

„Außerdem meinst du nicht, dass es noch seltsamer wäre mit der ehemaligen Drogenabhängigen aufzutauchen? Da sind nur so Leute, wie Holden, die von Leuten wie mir nichts halten."

„Das stört mich nicht. Ich verurteile Menschen nicht", sagt sie mit einem Lächeln.

Anscheinend glaubt sie, dass ich langsam weich werde, womit sie Recht hat.

„Aber du willst, dass die Leute dich mögen und mit mir als deine Begleitung werden sie es ganz sicher nicht", meine ich.

Sie muss doch wissen, dass es die Wahrheit ist. So dumm kann sie nicht sein. Elisa studiert immerhin. Was weiß ich zwar nicht mehr. Ich glaube mich daran zu erinnern, dass es irgendetwas mit Sprachen ist.

„Das ist mir eigentlich egal. Ich will nicht alleine dort aufkreuzen und du bist echt okay."

„Aha", gebe ich von mir.

Ich bin für sie also nur ein Mittel zum Zweck, weil sie außer Isabell und Holden dort niemand kennen wird.

„Was ist denn so schlimm daran einer Freundin zu helfen?"

„Seit wann sind wir Freunde? Außerdem habe ich gar nichts von der Sache", sage ich.

Elisa und ich waren nie befreundet, auch wenn ich es mir damals gewünscht habe. Ich fand sie als Teenager toll und hübsch und damals hätte ich sofort ja gesagt, aber damals ich nicht heute.

„Du darfst den Abend mit mir verbringen."

Sie grinst breit und tut so, als wäre es etwas ganz besonderes, wenn man Zeit mit ihr verbringen darf.

„Du bist kein Star und ich nicht dein Groupie, der unbedingt Zeit mit dir verbringen möchte", ist alles was ich dazu zu sagen habe.

Es ist besser, wenn ich mich von Elisa fern halte, egal wie hübsch, süß oder lustig ich sie finde. Sie wird in zwei Wochen wieder weg sein und ich möchte keinen Ärger mit Isabell. Auf ein Abendessen mit ihren dummen, arroganten Freunden kann ich auch verzichten. Schweigend gehe ich in mein Zimmer und lasse die Tür hinter mir zu fallen. Diese Unterhaltung ist für mich beendet. Ob Elisa das auch so sieht?

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