Elf

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„Also über was willst du reden, Quinn?"

Ich habe wirklich keinen blassen Schimmer, was sie mir erzählen will oder was sie von mir wissen will. Etwas Angst habe ich aber trotzdem. Quinn ist einfach aus dem nichts aufgetaucht und will unbedingt mit mir reden. Da muss es doch etwas wichtiges sein. Sie würde sich nicht so eine Mühe machen, um einen kleinen Kaffeeplausch zu veranstalten.

„Ich hab aufgehört", sagt sie stolz.

„Womit?", will ich verwirrt wissen, bis es mir einen Augenblick später wieder einfällt.

Quinn schiebt den Ärmel ihrer Jacke etwas nach oben, aber ich halte sie auf, indem ich meine Hand auf ihre lege.

„Ich will das nicht sehen."

Ich kann mich nur zu gut daran erinnern, wie Quinn's Unterarme aussehen. Die hellen Narben, die hervor stechen, rote Linien, Schnitte, frische Wunden und andere Verletzungen. Sie hat sich Jahre lang selbstverletzt. Geschnitten, geritzt, gekratzt. Mal mehr mal weniger. Ich habe sie nie dabei erwischt, wie sie es getan hat, worüber ich froh bin. Diese ganzen Narben zu sehen ist schlimm genug für mich. Ich habe kein Mitleid mit ihr, dass will Quinn nicht. Das hat sie mir deutlich klar gemacht. Es tat mir weh sie so zu sehen. Man muss einiges durchgemacht haben, um so weit zu gehen, dass man sich selbst Schaden zufügt. Die Selbstverletzung war Quinn's Sucht. Die Drogen meine.

„Du musst es mir nicht zeigen", flüstere ich.

Quinn nickt und zieht ihren Arm weg. Mir war nicht klar, dass ich meine Hand immer noch auf ihrer hatte. Es hat sich so normal angefühlt, wie atmen oder blinzeln. Es war vertraut, weil es früher selbstverständlich war, dass wir uns ständig berührt haben.

„Ich will aber", besteht sie darauf.

„Na gut."

Wenn Quinn etwas unbedingt möchte, kann sie niemand davon abbringen. Sie ist ein sturer Dickkopf und könnte jedem Esel Konkurrenz machen.

Langsam zieht sie ihre Lederjacke aus. Ich versuche ihr Gesicht anzusehen. Ihre dunklen Augen, die vollen Wimpern, ihre Lippen von denen ich früher nie genug bekommen konnte. Die paar Haarsträhnen, die ihr ins Gesicht fallen. Scheiße, Quinn was machst du nur mit mir?

„Hey, es ist nicht mehr so schlimm wie früher", meint Quinn.

Ich nicke und sehe an ihr herunter. Ihre Arme liegen auf ihrem Schoß. Keine neuen Verletzungen, Wunden, Pflaster oder Verbände. Nur Narben. Große kleine. Allesamt sind sie hell und stechen hervor, wenn man genauer hinsieht. Diese Narben werden für immer bleiben. Quinn muss damit leben. Man wird ihr immer ansehen, was sie sich selbst angetan hat.

Im Gegensatz zu mir. Den Drogenkonsum sieht man nicht. Er ist unsichtbar. Zumindest bei mir. Ich habe noch Glück gehabt. Ein Kampf, der in meinem Inneren stattfindet.

Ich strecke meine Hand aus und fahre mit meinem Zeigefinger über ihre Narben. Quinn berührt meinen Arm und erlangt so meine Aufmerksamkeit.

„Wir beide haben es geschafft aufzuhören", sagt sie und sieht mir in die Augen.

„Ja", stimme ich ihr zu, auch wenn ich nicht weiß was es zu bedeuten hat.

„Aber du bist doch nicht nur deswegen hier, oder?", frage ich sie.

Quinn ist doch nicht nur hier, weil sie mir erzählen wollte, dass sie aufgehört hat sich selbst zu verletzen. Da muss mehr dahinter stecken. Ich kenne Quinn. Es muss noch einen anderen Grund geben. Sie nimmt meine Hand in ihre und lächelt mich an.

„Ich habe dich vermisst und ich glaube ich verstehe, wieso du abgehauen bist", sagt sie.

Ich muss schlucken, da ich nicht weiß was ich darauf erwidern soll. Es war scheiße von mir sie alleine zu lassen.

„Du hast mir auch gefehlt", gestehe ich.

Es ist das erste Mal, dass ich es laut ausspreche und es ist die Wahrheit. Quinn hat mir gefehlt. Ich habe sie vermisst. Bisher wollte ich das nur nicht wahr haben. Ich habe es verdrängt. Ich wollte mit der Vergangenheit abschließen und Quinn gehörte dort hin. Sie war kein Bestandteil meiner Gegenwart oder Zukunft mehr.

„Es tut mir leid, dass ich einfach verschwunden bin. Ich hatte einfach Angst, dass ich nicht mehr damit umgehen kann, dass du dir selbst schadest", nuschele ich leise.

Quinn lässt meine Hand los und rückt ein Stück von mir weg. Sie bringt etwas Abstand zwischen uns, aber es fühlt sich nicht nach einer Zurückweisung an. Manchmal führt man ehrliche Gespräch nicht indem man dem anderen nahe ist.

„Es ist okay. Ich verstehe das. Für mich war es auch schwierig mit dir klar zu kommen, wenn du high warst oder unbedingt deine Drogen gebraucht hast. Es war anstrengend."

„Wieso hast du mir das nie gesagt?", will ich wissen.

Im Nachhinein weiß ich, dass es ziemlich anstrengend gewesen sein muss, es mit mir auszuhalten. Ich war entweder andauernd auf einem Trip und total neben mir oder ich war verzweifelt und auf der Suche nach Stoff. Es hat mich schon immer gewundert, dass Quinn es so lange mit mir ausgehalten hat.

„Ich hatte Angst, dass du mir sagst, dass dir die Drogen wichtiger sind als ich", murmelt sie leise. „Irgendwie waren sie es ja auch. Das wusste ich die ganze Zeit."

„Quinn, du warst mir damals die ganze Zeit am wichtigsten, aber ich wollte dich nicht in den ganzen Mist mit reinziehen."

„Ich war doch schon längst am Boden, aber es war vielleicht besser so. Immerhin geht es uns beiden jetzt besser", meint sie und lächelt mich ein wenig an.

„Ja. Mag sein, dass es das war. Aber ich bin froh, dass du jetzt hier bist", sage ich ehrlich.

„Ich auch."

Ich rücke näher an Quinn heran und ziehe sie in meine Arme. Wie konnte ich vergessen, wie es sich anfühlt sie zu berühren und ihre Stimme zu hören. Die ganzen Drogen haben mir so viele Erinnerungen genommen. In vielen Momenten habe ich nicht viel wahrgenommen. Quinn hat an alles eine Erinnerung im Gegensatz zu mir. Wir haben Monate zusammen verbracht. Uns Betten geteilt, zusammen gelacht und geweint, wir haben uns alles geteilt. Quinn war alles was für mich gezählt hat außer dem süßen Gift in meinen Adern.

Jetzt ist Quinn plötzlich wieder da, wo ich gerade mit dem Gedanken spiele, ob es eine gute Idee ist, etwas mit Elisa anzufangen.

Addicted Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt