Neun

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Ich wache auf dem Sofa auf und brauche einen Moment lang, um mich daran zu erinnern wieso. Gestern Abend habe ich mit Elisa hier gesessen und geredet und muss wohl eingeschlafen sein.

Die große Frage ist: wenn ich hier geschlafen habe, wo hat sie die Nacht verbracht?

Ich schiebe die Decke von mir runter mit der Elisa mich zugedeckt haben muss und setze mich auf. Der Fernseher ist aus und jemand ist in der Küche. Ich stehe auf und tapse leise in Richtung Küche. Falls es Holden sein sollte, will ich vermeiden, dass er mich bemerkt. Glücklicherweise ist er es nicht. Elisa lehnt an der Kaffeemaschine und wartet darauf, dass ihr Kaffee fertig wird.

„Guten Morgen", murmele ich verschlafen.

„Hey Riley!"

Kaum zu glauben, dass Elisa selbst morgens gute Laune hat. Sie gehört, wie es aussieht, zu den Menschen, die immer bester Laune sind, egal zu welcher Tageszeit. Ich bin der Morgenmuffel schlecht hin. Sie war anscheinend schon im Badezimmer, hat geduscht, sich fertig gemacht und sich umgezogen. Wow. Ich verbringe den Vormittag im Pyjama und werde erst gegen Mittag richtig wach.

„Ich wollte dich gestern nicht wecken und habe dich auf dem Sofa schlafen lassen. Ich hoffe es macht dir nichts aus, dass ich in deinem Bett geschlafen habe?"

„Schon okay", sage ich.

Schließlich kenne ich Elisa und es macht mir nichts aus. Natürlich hätte ich viel lieber neben ihr in meinem Bett geschlafen, aber das ist nur eine meiner dummen Fantasien. Das wird wohl nie passieren.

„Möchtest du auch einen Kaffee?", fragt sie mich und hält mir eine Tasse hin.

„Gerne", entgegne ich und nehme die Tasse an.

Ich trinke einen Schluck und setze mich an den Küchentisch. Elisa nimmt mir gegenüber Platz. Sie mustert mich und beißt sich wieder auf die Unterlippe. Mir ist schon aufgefallen, dass sie das öfter macht, wenn sie nachdenkt.

„Habe ich gestern etwas falsches gesagt?", will sie plötzlich wissen. „Du warst auf einmal so komisch."

„Nein", sage ich schnell und schüttele den Kopf. „Ich war bloß müde."

Sie hat nichts falsches gesagt. Ich habe ein paar Dinge wohl nur falsch verstanden.

„Sind Isabell und ihr Lover eigentlich da?", frage ich, um vom Thema abzulenken, bevor Elisa noch näher nachfragen kann.

„Die sind noch im Schlafzimmer."

Ich nicke und frage nicht näher nach, da ich es gar nicht genauer wissen will. Manchmal will man die Details nicht wissen. Es geht mich außerdem nichts an.

„Hast du heute etwas vor?", fragt Elisa mich.

Sie sieht mich nicht direkt an, sondern in ihre halb leere Tasse. Sie weicht meinem Blick aus.

„Ich muss zu einem Treffen mit meiner Beraterin", sage ich wahrheitsgemäß.

Jede zwei Wochen habe ich einen Termin bei einer Frau der Drogenberatung, die für mich zuständig ist. Sie kontrolliert, wie es mir geht und ob ich wieder rückfällig werde. Diese Sache geht von der Entzugsklinik aus. Sobald man dort entlassen wird, teilen sie einem jemand zu, der als Ansprechpartner dient und mit dem man regelmäßig Gesprächstermine vereinbart. In meinem Fall ist es Mrs Andrews, eine Frau Mitte dreißig, die ganz okay ist.

„Oh", gibt Elisa von sich.

Ich sage nichts und stehe auf. Wenn ich rechtzeitig kommen möchte, dann muss ich mich jetzt fertig machen.

„Danke für den Kaffee, Elisa", rufe ich noch im gehen.

Für die Termine bei Mrs Andrews ziehe ich bewusst immer welche von den Sachen an, die ich von Isabell habe. Damit wirke ich erwachsener und reifer. Ich habe die leise Hoffnung, dass meine Beraterin dann mehr in mir sieht, als einen hoffnungslosen Fall. Da meine Laune schon schlecht ist, muss ich wenigstens gut aussehen, um es auszugleichen.

Geduscht, geschminkt, in einem schwarzen engen Pullover und einer Skinnyjeans und meinen Chucks verlasse ich das Haus. Elisa laufe ich nicht mehr über den Weg. Ich nehme den Bus bis zu dem Gebäude in dem mein Termin ist. Heute habe ich keine Lust darauf mit jemand zu sprechen, aber ich komme nicht darum herum. Wenn ich meine Termine nicht regelmäßig wahrnehme, dann vermerkt es Mrs Andrews und gibt es weiter. Ich will nicht wieder in einer Klinik oder sonst wo landen.
Bevor ich in das Gebäude trete atme ich auf und setze ein Lächeln auf. Ich finde den Weg zu dem Büro meiner Beraterin auf Anhieb und klopfe an der Tür.

Kurze Zeit später, geht die Tür auf und Mrs Andrews bittet mich herein. Ich nehme ihr gegenüber an einem Tisch Platz. Sie hat sich schon ein Blatt Papier bereit gelegt, um sich Notizen zu machen.

„Wie geht es dir Riley?"

Das ist immer die erste Frage, die sie stellt. Ich habe herausgefunden, dass ihre Fragen in einer bestimmten Reihenfolge kommen. Wenn ich es nicht besser wüsste, würde ich sagen, dass sie diese Fragen aus einem Buch hat und sie all ihren Schützlingen stellt.

„Ganz okay", antworte ich.

All ihre anderen Fragen beantworte ich mit denselben Antworten, wie immer. Von Elisa erzähle ich nichts. Das ist privat und geht Mrs Andrews nichts an. Ich muss ihr nicht alles erzählen. Ein wenig habe ich das Gefühl, dass es sie ohnehin nicht besonders interessiert. Sie macht sich ihre Notizen und meine Antworten sind ihr egal.
Wie immer trägt sie eine helle Bluse und eine dunkle Hose und Stiefel. Ihre blonden Haare hat sie zurück gebunden. Sie sieht gelangweilt aus. Diese Gespräche hier helfen wir eigentlich gar nicht. Andererseits ist Mrs Andrews auch keine Therapeutin. Sie hört sich alles an, aber antwortet meist nur mit einem ja oder nein.

Die Dreiviertelstunde zieht sich wie Kaugummi und ich bin froh, als ich das kleine Büro verlassen kann. Für den restlichen Tag habe ich keine Pläne, aber zurück in die Wohnung werde ich vorerst nicht gehen. Ich will Elisa nicht über den Weg laufen. Isabell oder Holden will ich ebensowenig begegnen.

Da ich nicht weiß was ich machen soll, schlendere ich durch die Stadt und setze mich schließlich in ein kleines Café und trinke meinen zweiten Kaffee für den Tag. Es hat angefangen zu regnen, was für mich bedeutet, dass ich erst einmal hier bleiben werde, wogegen ich nichts habe.

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