Zwölf

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Schweigend stehe ich am offenen Fenster in meinem Zimmer und sehe in die Dunkelheit. Quinn ist wieder weg, aber sie hat gemeint, dass sie bei einem Freund hier in London übernachten wird. Es überrascht mich immer wieder, dass Quinn überall Freunde hat. Manchmal kommt es mir vor, als würde sie die halbe Welt kennen. Wir haben uns für morgen verabredet. Da Quinn weiß, dass man vor Mittag nicht viel mit mir anfangen kann, haben wir uns auf gegen drei geeinigt. Ich fühle mich immer noch total benebelt. Quinn ist hier. Sie ist real.

Ich schlinge meine Arme um meinen Oberkörper, da mir langsam kalt wird. Elisa ist direkt nebenan im Wohnzimmer. Irgendwie habe ich das Gefühl, dass ich ihr die Sache mit Quinn erklären sollte, aber was würde das schon bringen? Sie hat nie wirklich angedeutet, dass sie mich mag. Bei Quinn weiß ich, dass sie Gefühle für mich hatte und sie immer noch hat. Genauso wie Quinn mir nicht plötzlich egal ist. Sie ist mir immer noch wichtig.

Mit einem seufzend schließe ich das Fenster wieder und fasse einen Entschluss. Ich kann ja wenigstens mal nach Elisa sehen. Wenn sie schläft, dann störe ich sie nicht und falls sie wach sein sollte, dann kann ich kurz mit ihr reden. Wenn ich ehrlich zu mir selbst bin, dann mache ich mir selbst etwas vor. Es ist zwei Uhr morgens und Elisa schläft mit großer Wahrscheinlichkeit tief und fest. Trotzdem muss ich irgendetwas tun. Wenn ich weiter hier stehe und grübele, werde ich noch verrückt.

Wenn ich eine Sache in der Entzugsklinik gelernt habe, dann ist es, dass man über Dinge sprechen sollte, die einem beschäftigen bevor sie einem zerfressen und zu blöden Entscheidung drängen. Ich verlasse leise mein Zimmer, da ich Isabell und Holden nicht wecken möchte. Vorsichtig schleiche ich durch den Flur ins Wohnzimmer. Meine Augen müssen sich erst an die Dunkelheit gewöhnen bis ich sehen kann, dass Elisa auf dem Sofa liegt. Sie schläft. Dann kann ich auch wieder zurück in mein Bett.
Falsch gedacht. Entweder habe ich sie geweckt oder sie war schon wach.

„Wer ist das?", will Elisa wissen und richtet sich auf.

Ich bleibe wie erstarrt stehen während Elisa die Lampe anmacht, die neben dem Sofa steht. Blinzelnd sehe ich sie an und suche nach einer Ausrede, um mich aus dem Staub machen zu können.

„Riley?"

„Ähm...", fange ich an, weiß aber nicht was ich sagen soll.

So ein Mist. Ich lasse mich auf den Sessel neben dem weißen Sofa sinken. Elisa sieht mich verwirrt an, was ich ihr nicht verübeln kann. Schließlich husche ich hier mitten in der Nacht durch die Wohnung und habe dann keine Erklärung dafür.

„Willst du reden?", frage ich.

Eigentlich bin ich ja diejenige, die reden möchte, aber das will ich nicht zugeben.

„Worüber denn? Deine Freundin oder was?", zischt Elisa leise.

„Quinn ist nicht meine Freundin. Zumindest nicht so, wie du es denkst", kläre ich sie auf.

Elisa schnalzt mit der Zunge und verschränkt die Arme vor der Brust. Jetzt ist sie wohl diejenige, die böse auf mich ist. Ich habe doch gar nichts falsch gemacht. Wieso ist sie jetzt sauer.

„Quinn und ich haben eine harte Zeit zusammen durchgestanden, aber uns dann lange nicht gesehen", rede ich weite ohne zu wissen, wieso ich das erzähle.

„Und wieso erzählst du mir das?", will Elisa wissen.

Eine gute Frage auf die ich keine Antwort habe. Ich hätte darüber nachdenken sollen, bevor ich einfach hier aufgetaucht bin. Denken gehört zu den Dingen, die ich öfter tun sollte.

„Ich schätze ich wollte einfach, dass du es weißt", murmele ich schließlich.

„Aha und wieso?"

Kann sie es nicht einfach so hinnehmen und aufhören weiter Fragen zu stellen? Elisa macht es mir verdammt schwer.

„Ähm...naja..", stammele ich.

Jetzt wird es peinlich für mich. Ich bringe mich selbst viel zu oft in peinliche Situationen. Es passiert einfach immer wieder, ohne das ich es will. Ich sollte öfter meine Klappe halten und Dinge so belassen, wie sie sind.

„Und?"

Elisa sieht mich abwartend und herausfordernd an. Sie wird mich nicht gehen lassen bevor ich ihr gesagt habe, wieso ich ihr das alles erzählt habe.

Ich habe gar keine andere Wahl als ihr alles zu erzählen. Ihr zu erzählen, dass ich sie mag und das Gefühl habe, dass sie mich auch mag. Das kann nicht gut ausgehen.

„Naja ich mag dich irgendwie und ich dachte dir geht es auch so. Du hast so Andeutungen gemacht und wolltest unbedingt, dass ich als deine Begleitung mit zu dem Essen komme. Dann hast du deine Hand auf mein Bein gelegt und mir Komplimente gemacht", ich beende mein peinliches Gelaber mit einem Achselzucken.

Ich traue es mich nicht Elisa anzusehen, da ich Angst habe, dass sie gleich laut los lachen wird. Sie es abtun wird und mich mit einem Blick ansehen wird, der mir sagt, dass ich total gestört bin. Das sie mir sagen wird, dass sie nicht auf kleine Mädchen steht. Im allgemeinen, dass sie nicht lesbisch oder bisexuell ist.

Elisa lässt ihre Arme sinken und ihre Gesichtszüge werden etwas weicher. Nervös zupfe ich an einem Faden, der von dem Sessel absteht.

„Du hast recht, ich mag dich wirklich, aber ich weiß nicht, wie ich damit umgehen soll", gesteht sie mir.

„Was meinst du damit?", will ich wissen.

Elisa beißt sich auf die Unterlippe. „Ich mochte noch nie ein Mädchen so richtig. Bisher hatte ich immer nur Interesse an Männern."

Ich muss Grinsen. Ich finde diese Tatsache tatsächlich süß. Damit habe ich nicht gerechnet.

„Das ist doch nichts schlimmes", versichere ich ihr.

„Es ist nur verwirrend und ich weiß nicht was ich machen soll. Es wäre besser nichts anzufangen, da ich bald wieder in Paris bin und du immer noch hier. Ich muss aber auch zugeben, dass ich eifersüchtig war, als ich dich mit Quinn gesehen habe. Ihr habt so vertraut gewirkt."

„Quinn und ich kennen uns ziemlich gut, aber das hat nichts zu bedeuten", lüge ich. Wenn ich die Wahrheit sagen würde, dass ich immer noch Gefühle für Quinn habe, würde ich Elisa verletzen. „Für mich war es auch komisch, als ich mich damals das erste mal in ein Mädchen verguckt habe. Es war meine damalige Mathelehrerin in der achten Klasse", erzähle ich.

Elisa nickt und wirkt immer noch nachdenklich.

„Wie wäre es, wenn wir einfach etwas Zeit miteinander verbringen, während du noch da bist und sehen, was passiert?", schlage ich vor.

„Gut", stimmt Elisa, mit einem schüchternen Lächeln auf den Lippen, zu.

Ich habe keine Ahnung, wie ich mich fühlen soll. Auf der einen Seite ist Elisa, die ich kaum kenne und über die ich alles erfahren möchte und dann ist da Quinn. Das Mädchen, das ich in und auswendig kenne und das mir immer noch unheimlich viel bedeutet. Ich bin gerade dabei mich in das totale Chaos zu stürzen.

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