Louis hielt fest umschlossen die Hände seiner Eltern.
Sie standen vor dem Nachbarshaus und warteten, dass ihn nun endlich jemand die Tür öffnete.Jay hatte mit viel Mühe es geschafft, Louis dazu zu bringen, seine Hausaufgaben zu erledigen. Zwar hatte es Unmengen an Zeit gekostet, da Louis sich nach einer gewissen Zeit nicht mehr konzentrieren konnte oder plötzlich aufstand und lieber mit Benno spielte.
Doch schlussendlich hatten sie es geschafft. Schnell musste sie ihrem Kleinen etwas vernünftiges anziehen, denn immerhin wollte man doch einen guten Eindruck machen.
Zuerst weigerte sich der Wuschelkopf die Jeans anzuziehen, viel lieber wollte er seine schwarze Hose mit den vielen Tieren darauf anlassen.
Doch als Jay ihm versprochen hatte morgen mit ihm ein Eis essen zu gehen, änderte er seine Meinung schließlich doch.Nun stand er da, mit einer Jeans und einem bunten Pullover und starrte auf das blaue Haus.
Er hatte einen kleinen Rucksack auf dem Rücken, worin Benno und ein paar Spielsachen ihren Platz fanden.Immerhin wollte er sich nicht Langweilen und Jay bezweifelte, dass die junge Familie Spielsachen hatte.
Als die Tür geöffnet wurde und Anne mit dem selben Lächeln wie Mittag sie begrüsste, hatte Jay sie endgültig in ihr Herz geschlossen. Sie wusste sofort sie könnten gute Freunde werden.
Anne lächelte den kleinen Louis ebenfalls an. Seit sie ihn das erste mal gesehen hatte, wusste sie sofort was los war. Ein wenig hatte sie Mitleid, doch das behielt sie lieber für sich.
Sie war Arzthelferin und deswegen sah sie auf der Stelle, an welchem Sydrom Louis litt.
"Kommt rein! Das Essen ist schon fertig!", lachte sie fröhlich und hielt die Tür offen.
Während die zwei Frauen schon eifrig anfingen über Gott und die Welt zu sprechen, half Louis' Vater ihm liebevoll die Schuhe auszuziehen.
Überfordert sah Louis sich um, wusste nicht so recht, ob er sich hier wohlfühlen konnte. Ängstlich nahm er die Hand seines Vaters. Er hatte schon immer ein Problem mit neuen Umgebungen.
"Papi?"
Die kleinen Finger krallten sich in die Hand des Größeren.
Gemeinsam folgten sie den beiden Damen.
"Was ist denn mein Schatz?"Er sah hinab zu seinem Sohn und konnte sein Lächeln nicht unterdrücken. Er war trotz allem sehr stolz auf seinen Kleinen.
"Spielst du mit mir und Benno?" Schüchtern sah er hinauf zu seinem Vater.
Dieser nahm ihm den Rucksack ab und holte Benno hinaus.
"Erst gibt es Essen und dann können wir spielen ja?"Er strich durch die zerwuschelten Haare seines Sohnes und setzte ihn auf einen Stuhl.
Ein Poltern der Treppe, ein schmerzhaftes Stöhnen und dann erschien ein Teenager mit Locken in der Küche.
"Ach ja, das ist mein Sohn Harry", lächelte Anne und stellte dabei die vielen Töpfe auf den Tisch.
Sofort sah Jay, ebenso Louis zu dem Lockenkopf. Während der 16-jährige ihn nur mit grossen Augen anstarrte und Benno fester an sich drückte, musterte seine Mutter Harry komplett.
Er trug die selben Klamotten wie heute Morgen, hatte ein falsches Lächeln auf den Lippen und seine Locken hingen ihm teilweise wirr ins Gesicht.
Harrys Blick fiel auf den ängstlich wirkenden Louis.
Nachdem er die Führung durch das Schulgebäude beendet hatte, war er sofort abgehauen. Er wollte nicht mit dem Kleinen gesehen werden.Immerhin war er der Schülersprecher und wurde sehr hoch angesehen. Da wäre es doch peinlich mit einem von der Unterstufe sich abgeben zu müssen.
Außerdem hatte er sich sofort informiert und Louis' Verhalten gegoogelt. Dann hatte er seine Mutter befragt - denn die war ja Krankenschwester.
Schlussendlich war er zu dem Entschluss gekommen, dass der Kleine an dem Peter-Pan-Syndrom litt.
Er wollte sich damit eigentlich nicht befassen, doch irgendetwas reizte ihn weiterzulesen.So hatte er seinen Nachmittag damit verbracht Informationen über diese Krankheit heraus zu finden.
Jetzt wusste er mehr als er eigentlich wollte."Du bist also Harry", murmelte Jay mehr zu sich selbst und hatte etwas abartiges in ihrem Blick.
"Warum hast du Louis so stehen lassen? Es war deine Aufgabe auf ihn aufzupassen. Es war sein erster Schultag!"Es brodelte aus Jay heraus, sie konnte nichts dagegen tun. Sie war nunmal wütend, denn wenn es um ihren Sohn geht, verstand sie keinen Spass.
Langsam erwachte Louis aus seiner Starre, schwieg jedoch und wendete sich viel lieber seinem Stofftier zu.
Benno war eh viel interessanter.Harry liess sich auf den letzten freien Platz fallen und räusperte sich kurz.
Anne sah nur verwirrt zwischen ihrem Sohn und Jay her. Und Louis' Vater beobachtete still seinen Sohn. Das sollte er seiner Frau überlassen."Ihr kennt euch?", fragte Anne schliesslich und man konnte deutlich die Verwirrung in ihrer Stimme hören.
"Harry sollte heute in der Schule auf Louis aufpassen. Ihm ein wenig die Schule zeigen, damit er sich nicht alleine fühlt. Er war quasi sein persönlicher Betreuer für diesen Tag."
Anne runzelte die Stirn. "Das ist doch toll oder nicht?"
Harry kaute auf seiner Lippe und liess seinen Blick bei Louis hängen. Ihm passte es gar nicht, dass sie nun auch noch Nachbarn waren und ihre Eltern sich so gut verstanden.
Jay seufzte.
"Er hat ihm die Schule gezeigt und ist darauf sofort verschwunden. Das war nicht ausgemacht."Stille. Keiner sagte ein Wort, nur das Ticken der Uhr war deutlich zu hören.
Anne kam nun in den Sinn, weswegen Harry ihr diese ganzen seltsamen Fragen gestellt hatte. Er wusste nichts mit dieser Krankheit anzufangen und war zu überfordert.
"Harry, du hättest dich doch diesen Tag um ihn kümmern können", meinte Anne dann doch, da die Stille langsam unangenehm wurde.
Sie fing an jedem etwas auf den Teller zu schaufeln.
"Ich will aber nicht den Babysitter spielen", sagte Harry dann mit einer rauen Stimme.Das erste mal sprach er und seine Stimme hörte sich nicht gerade freundlich an. Er sah keinen einzigen an, sondern widmete sich gleich seinem Essen.
Entsetzt betrachteten die beiden Frauen den älteren Teenager.
Anne war enttäuscht. Wie konnte er nur so etwas sagen?Louis bekam das nicht mit. Er war in seiner eigenen kleinen, bunten Welt. Er liess sich von seinem Papi füttern, dachte nicht darüber nach was die anderen denken könnten. Warum auch?
Er war zufrieden so wie es war. Er streichelte seinen Benno und leckte ab und zu über seine Lippe.
Jay war das auch lieber wenn ihn jemand fütterte, denn wenn er alleine ass, konnten sie gleich nach Hause und den Kleinen umziehen.
Harry ass derweil gedankenverloren weiter. Die zwei Mütter hatten sich von dem kurzen Schock erholt, ignorierten ihn und sprachen nun über eine neue Spülmaschine.
Wie alt Louis wohl war?
War er schon immer so? Wenn ja, ging es nicht weg? Sein Vater sah ziemlich gelassen aus, dachte er. Die zwei spielten zusammen auf dem Teppichboden im Wohnzimmer.Louis hatte seinen Rucksack ausgeleert und nun lagen sämtliche Plastiktiere am Boden. Er kicherte ab und zu niedlich und liess die Tiere reden. Sein Vater machte mit und hatte dabei ein Grinsen auf den Lippen.
Manche Väter spielten mit ihren 16-jährigen Söhnen Playstation, besuchten Fussballspiele oder spielten selbst. Doch Louis spielte mit seinem Papi viel lieber mit seinen Tieris und Benno.
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show me your right side | larry ✔️
NouvellesDie, in der ich nie ich selbst sein konnte. Mich immer verstecken und zurückziehen musste. Dabei wusste ich selbst nicht einmal, wer ich war. •*• cover by @fluegellosee