15. Ein neuer Mitbewohner

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Hi Leute,
Endlich Wochenende :) Und Zeit für ein neues Kapitel!!
LG, FUlia

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Till schlief in dieser Nacht in Karls Bett, der, wie er es angedeutet hatte, nicht mehr nach Hause kam. Ich fühlte mich sicherer in dem Wissen, dass mein Bruder eine Tür weiter lag.

Ich will nicht behaupten, ich hätte gut geschlafen, nein, das würde ich wahrscheinlich erst in einer Woche wieder können. Aber meine Albträume und wachen Momente waren nicht ganz so schlimm wie in den letzten Tagen.

Die nächsten Tage waren dann wieder ziemlich ereignisreich. Wir mussten mit den Bandkollegen zu verschiedenen Interviews wegen unseres neuen Albums fahren, hatten einen Auftritt in einer Fernsehshow und waren für die kommende Tour am proben.

Das Problem, welches mich am meisten beschäftigte, war der Koffer. Ich wollte ihn auf den langen Fahrten nicht zu Hause zurücklassen, aber mitnehmen wollte ich ihn genauso wenig.

Ich überlegte, mir einen Safe in der Bank zu mieten, oder das Geld für ein paar Tage dort zurückzugeben, aber das hätte wieder Kosten verursacht, die ich im Moment nicht begleichen konnte.

Bei Freunden konnte ich ihn auch nicht abstellen, aus der Angst heraus, sie könnten hineinschauen und mir blöde Fragen stellen, warum ich das Geld mit mir rumschleppte, statt es zur Bank zu bringen.

Deshalb musste ich überlegen, was unwahrscheinlicher war: Ein Einbruch in unserer Wohnung oder in unser Auto.

Ich ärgerte mich schon wieder darüber, dass ich es nicht einfach am letzten Tag in der Bank abgeholt hatte. Stattdessen musste ich mich noch tagelang damit rumschlagen.

Aber jetzt war es halt so.

Letzten Endes entschied ich mich dazu, den Koffer in unserem Kellerraum zu verstecken. Zwischen ein paar Umzugskartons mit irgendwelchem unnützen Zeugs, die in dem Regal an der Wand aufgereiht waren, schaffte ich ein wenig Platz und schob den Koffer dazwischen. Neben den anderen Kisten und meinem Reisekoffer fiel er kaum auf.

Während der Autofahrten plagten mich aber immer wieder Ängste, das Geld könne irgendwie verschwinden oder ich würde das Treffen mit der Geldübergabe verpassen. Ich rechnete im Kopf nach, wie viele Tage ich noch hatte. Doch der Termin hatte sich so in mein Gehirn gebrannt, dass ich das eigentlich nur tat, um mir einzureden, dass meine Sorgen in so vielen Tagen endlich ein Ende haben würden.

Auch bei den Interviews war ich mit meinen Gedanken immer wieder bei dem Geld und der bevorstehenden Übergabe. Ich konnte mich kaum auf die Fragen konzentrieren und wenn ich mal eine Antwort gab, war diese kurz und nichtssagend.

Ich gab mir wirklich Mühe, so zu sein, wie ich sonst immer war, doch ich glaube, das gelang mir nicht so ganz. Till war da eine Spur cooler. Wenn ich die Frage mal wieder nicht verstanden hatte, nahm er mir das Mikro aus der Hand und antwortete irgendwas. Normalerweise war ich es, der die meiste Zeit redete, doch diese Male war es andersherum.

Ich lächelte meinem Bruder dankend zu. Er war auch nicht ganz bei der Sache, das merkte ich, aber ihm sah man es weniger an.

„Alles in Ordnung mit dir?", fragten mich die Jungs nach dem ersten Interview.

„Ja", ich nickte und grinste. „Immer noch diese Halsschmerzen." Ich zog zur Verdeutlichung meinen Schal etwas enger. „Also entschuldigt mich, falls ich heute nicht so gut drauf bin."

„Warst du überhaupt schon beim Arzt deswegen?", fragte mich Steffen besorgt.

„Ja, ich habe so Tabletten bekommen", log ich, „Wird auch schon besser allmählich."

„Okay, dann ist ja gut", sagte mein Kumpel. „Wenn dir das zu viel wird, sag Bescheid. Du siehst nämlich schon irgendwie scheiße aus."

Klar sah ich beschissen aus. Ich hatte in letzter Zeit kaum geschlafen.

Aber ich und die Jungs waren es gewohnt, dass immer irgendjemand krank war. Auch wenn wir auf Tour waren, hatte immer irgendeiner von uns eine Erkältung oder sonst was. Natürlich machten wir uns manchmal ein paar Sorgen deswegen, aber nicht so sehr, dass wir einander auf die Nerven gingen. Deshalb ließen mich meine Jungs auch relativ schnell wieder in Ruhe.

Jedes Mal, wenn wir nach Hause kamen, war mein erster Gang in den Keller. Bevor ich mit Karl nach oben in die Wohnung stieg, lief ich einmal hinunter und vergewisserte mich, dass der Koffer noch an seinem Platz stand.

Als Alibi nahm ich jedes Mal ein paar Flaschen Bier aus einem der Kästen mit nach oben.

„Warum holst du nicht direkt einen ganzen Kasten?", fragte mich mein Mitbewohner stirnrunzelnd und deutete dabei auf die Flaschen in meinen Händen.

Ich zuckte die Schultern. „Ich will mir das Bier halt noch aufteilen. Wenn ich einen Kasten hochhole, ist der doch innerhalb eines Abends weg."

Till nickte bestätigend. Mein Bruder schlief die folgenden Tage auf unserem Sofa.

Ich wusste, dass er nicht in seiner eigenen Wohnung schlafen wollte, weil er Angst hatte, um sich selbst oder um mich. Und ich glaube, er wusste, dass ich es wusste, trotzdem machten wir immer das gleiche Spiel daraus: „Bleib doch einfach die Nacht hier, morgen müssen wir ja eh zusammen zu dieser Fernsehsendung fahren. Da sparen wir uns einen Weg", sagte ich, oder Till sagte: „Ich hab kein Bock mehr, jetzt noch nach Hause zu fahren. Bin echt zu müde. Kann ich nicht noch mal hier pennen? Ist auch das letzte Mal."

Karl fragte, ob er nicht direkt hier einziehen möchte, und ob er überhaupt noch wisse, wo seine Wohnung liegt. Aber er meinte das keinesfalls böse, ihm machte es nichts aus, dass Till sozusagen bei uns wohnte. Schließlich war er immer mindestens eine halbe Stunde eher wach als wir und machte Frühstück.

Naja, also zumindest war er eher auf den Beinen als wir. Ich war sowieso die meiste Zeit, die ich in meinem Bett verbrachte, wach.

Vermummte Gestalten sahen wir nicht mehr vor dem Haus herumlungern. Und Briefe bekamen wir auch keine mehr.

Einmal fuhren wir extra an Tills Wohnung vorbei, damit er den Briefkasten leeren konnte, doch außer der üblichen Post war nichts Beunruhigendes dabei.

Das geht vorbei - Doch was ist, wenn nicht? (Eine Kraftklub-Fanfiction)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt