26. Blut und blaue Flecken

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Hi Leute,
Hier ist wie angekündigt noch das nächste Kapitel :)
Ich hoffe, ihr hattet einen schönen 3. Advent.
Lg, FUlia

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Wir waren so in unseren Streit vertieft, dass wir nicht merkten, wie irgendjemand die Tür auftrat und unsere Freunde hereinstürmten.

Ein paar Hände griffen nach mir und zerrten mich von meinem Bruder weg, der ebenfalls von zwei Leuten zurückgehalten wurde.

„Warte ab, dich mach ich noch fertig!", rief ich ihm zu und versuchte, mich aus den Griffen loszureißen.

„Jetzt beruhigt euch mal! Alle beide!", schrie einer aus der Crew so laut, dass ich und Till schlagartig verstummten.

„Was ist bloß los mit euch?", fragte Karl. Er klang weder besorgt noch mitleidig, sondern einfach nur stinksauer. „Wir haben in weniger als einer Stunde einen Auftritt! Jetzt reißt euch mal zusammen!"

Ich funkelte meinen Bruder wütend an, was er mit einem ebenfalls düsteren Blick erwiderte.

„Ihr seid doch keine kleinen Kinder mehr! Habt ihr nie gelernt, Streit mit Worten zu lösen?", fragte der Gitarrist. „So kennen wir euch ja gar nicht."

Ich hing in den Armen von Steffen und Max und rang nach Atem. Mir tat alles weh. Mein Hals, mein Magen, meine Rippen, mein Gesicht, meine Beine... Und als die Wut allmählich verblasste, drang dieser Schmerz immer stärker zu mir durch.

„Ihr seid doch echt verrückt geworden!", meldete sich nun auch Steffen zu Wort. „Guckt euch doch mal an! Ihr seht beschissen aus!"

Bei seinen Worten musste ich wieder meinen Bruder angucken. Seine Haare waren wild zerzaust, sein T-Shirt war an einer Seite eingerissen und auf seinem Gesicht zeichneten sich die Spuren meiner Fäuste ab, neben dem Blut, welches ihm unaufhörlich aus der Nase rann.

„Können wir euch loslassen, ohne dass ihr direkt wieder aufeinander los geht?", fragte mich Max und lockerte seinen Griff.

Ich nickte zur Bestätigung. Ich musste erst wieder zu Kräften kommen, ehe ich einen erneuten Angriff auf Till startete. Vielleicht heute Abend, nach dem Konzert.

Till nickte ebenfalls und unsere Freunde ließen uns langsam los, nicht ohne Bereitschaft, sich jederzeit wieder auf uns stürzen zu können.

„Ich brauch ne Kippe", sagte mein Bruder und verschwand ohne ein weiteres Wort oder einen Blick in meine Richtung aus dem Zimmer. Einige folgten ihm. Ein paar blieben bei mir.

„Was war denn nur los, Felix? Ist irgendwas passiert, von dem wir wissen sollten?", fragte Steffen. Ich konnte etwas Besorgnis in seiner Stimme mitschwingen hören.

„Nein. Das ist eine Sache zwischen uns", erklärte ich knapp. Dann verließ auch ich den Raum, um ein Waschbecken aufzusuchen. Niemand folgte mir.

Auf den Toiletten wusch ich mir das Gesicht und die Haare.

Ich sah, wie ich schon vermutet hatte, nicht besser aus als mein Bruder. Ich hoffte, das würde beim Konzert nicht so sehr auffallen. Ansonsten musste ich noch mit dem Lichttechniker reden, dass er die Bühne heute Abend nicht so stark beleuchten sollte.

Während ich mir das Blut aus dem Gesicht schrubbte, wurde ich wieder ein bisschen ruhiger. Herz und Atem folgten dem gewohnten Rhythmus und ganz allmählich schlich sich auch das schlechte Gewissen an.

Vielleicht war ich etwas zu hart zu meinem Bruder gewesen. Ich war ja damals auch kurz davor gewesen, mir was aus dem Koffer einzustecken. Und es lag auch an seiner Persönlichkeit, dass er manchmal unüberlegt Dinge tat. Das gehörte einfach zu seinem Charakter, wahrscheinlich konnte er wirklich nichts dafür.

Trotzdem war es dumm gewesen! Er hatte uns erneut in große Schwierigkeiten gebracht. Und dieses Mal würde es vielleicht schlimmer ausgehen...

Seufzend machte ich mich auf den Weg in unseren Bereich, in dem unsere Klamotten waren, die ich noch anziehen musste.

Keiner war da und ich genoss es, noch kurz allein sein zu können.

Ich hoffte, ich würde das Konzert bis zum Ende durchhalten. Was war, wenn ich während des Auftritts zu viel nachdachte?

Ich wollte es mir nicht richtig eingestehen, aber ich hatte verdammt große Angst. Ich wusste nicht, was als nächstes kommen würde. Brock hatte keine klaren Anweisungen gegeben, ich konnte mich also auf nichts richtig einstellen. Wollte er wieder nur Geld? Wollte er noch irgendwas anderes? Aber was? Wollte er letzten Endes sogar eine Leiche?

Bei dem Gedanken wurde mir schlecht und ich setzte mich auf einen Stuhl.

Wichtig war jetzt erst mal, dass ich keine unnötige Aufmerksamkeit auf mich zog. Was mir ja vorhin nicht gerade gut gelungen war.

Aber so ein Streit im Backstage blieb meistens unter uns, während beispielsweise ein Zusammenbruch auf der Bühne sofort an die gesamte Öffentlichkeit gelangen würde.

Ab jetzt würde ich besser aufpassen müssen. Darauf, dass ich mich möglichst normal verhielt. Niemand sollte mir neugierige Fragen stellen. Denn keiner durfte wissen, was hier eigentlich abging. Das war zum Wohl aller das Beste!

Stöhnend stand ich vom Stuhl auf. Die Schmerzen waren ziemlich stark, doch ich musste sie jetzt einfach ausblenden.

Ich zog meine Hosenträger stramm, rückte den Kragen meines Polohemdes zurecht, schnappte mir meine Jacke und lief dann nach hinten zur Bühne, wo der Rest der Band sich bereits versammelt hatte.

Till sah mich lange an, als ich mich zu den anderen gesellte. Aber er sagte nichts.

„Leute?", fragte ich laut in die Runde, und als mich nun auch die restlichen drei ansahen, fuhr ich fort: „Tut mir Leid, was gerade passiert ist. Ich war echt wütend wegen einer Sache, aber ich hab irgendwie überreagiert. Ich hatte mich nicht mehr unter Kontrolle, tut mir echt leid." Mein Blick wanderte rüber zu meinem Bruder. „Tut mir Leid, Tilli."

Er zuckte die Schultern und meinte: „Ist okay." Sein Gesicht sah aus, als wäre ein Laster drüber gefahren, aber wenigstens war ich so nicht der einzige, der so schlimm aussah.

„Du hast uns echt erschreckt", meinte Karl. „Ich wusste nicht, dass du so ausrasten kannst."

Ich sah bekümmert zu Boden. Es sollte echt aussehen, so als würde mir wirklich alles schrecklich leidtun. Was es in gewisser Weise ja auch irgendwie tat.

„Tut mir leid", wiederholte ich. „Nächstes Mal löse ich's anders."

„Wenn du jeden Streit so austrägst, will ich nicht der nächste sein, der sich mit dir anlegt", meinte Max und grinste.

Die anderen lachten zustimmend und nun musste auch ich lächeln.

„Ich glaube, heute sollten wir mal im Dunkeln spielen", schlug Steffen vor, als er mein Gesicht näher betrachtete.

„Wäre wohl das beste", lachte ich.

„Aber man erkennt direkt, dass ihr Brüder seid." Steffen zeigte auf Till, welcher nun auch grinsen musste.

„Wäre heut schon Halloween, bräuchten wir uns nicht zu verkleiden", sagte Till.

Ich konnte spüren, dass da immer noch eine gewisse Spannung zwischen uns war, aber auch er versuchte geschickt, diese zu verbergen.

Ich ging zu ihm hin und legte ihm einen Arm um die Schultern.

Jetzt stand erst mal das Konzert im Vordergrund. Wir würden noch genügend Zeit haben, die Sache unter uns Brüdern zu klären.

Das geht vorbei - Doch was ist, wenn nicht? (Eine Kraftklub-Fanfiction)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt